Fall der vermissten Peggy wird neu aufgerollt:Verschollen - aber nicht vergessen

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Vor elf Jahren verschwand die neunjährige Peggy aus dem oberfränkischen Lichtenberg spurlos. Ein geistig behinderter Mann wurde daraufhin wegen Mordes verurteilt. Jetzt soll das Verfahren neu aufgerollt werden. Ein Anwalt will die Unschuld des Behinderten beweisen.

Olaf Przybilla

Elf Jahre sind vergangen, seitdem in der oberfränkischen Kleinstadt Lichtenberg das Mädchen Peggy verschwunden ist, und wenn man eines mit Gewissheit sagen kann über den Fall, dann das: dass Peggy präsent bleibt, dass Lichtenberg nicht zur Ruhe kommt. Gerade wurde "Das unsichtbare Mädchen" ausgestrahlt, ein Film von Dominik Graf, der den Fall aus Franken nicht authentisch rekonstruiert - aber sehr deutliche Parallelen zieht. Auf "Stern TV" äußerte sich kürzlich Susanne Knobloch, die Mutter des verschollenen Mädchens. Sie sprach davon, dass die Erinnerung an Peggy "einfach allgegenwärtig" sei.

Im Mai 2001 verschwand die damals neunjährige Peggy spurlos. (Foto: dpa)

Verglichen mit dem Aufsehen, das der Antrag auf Neuaufnahme des Verfahrens demnächst auslösen dürfte, werden das wohl beinahe Randgeschichten bleiben. Er warte noch auf den Eingang eines Dokuments, sagt der Frankfurter Anwalt Michael Euler, dann werde er den Antrag auf Wiederaufnahme beim Landgericht Bayreuth stellen. Bis zuletzt seien immer neue Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen. Eines aber traue er sich nach der Sichtung von Tausenden Seiten Materials längst mit Gewissheit zu sagen: Der wegen Mordes Verurteilte, der geistig behinderte Ulvi K., habe das damals neunjährige Mädchen nicht umgebracht.

Damit der Fall neu aufgerollt wird, müsste der Anwalt der Bürgerinitiative "Gerechtigkeit für Ulvi" neue, dem Gericht noch nicht bekannte Beweismittel vorlegen. Er sei sich sicher, sagt Euler, dass er das könne. Sein Antrag auf Wiederaufnahme beruht auf der Grundannahme, dass das Urteil des Landgerichts Hof aus dem Jahr 2004 auf drei wesentlichen Säulen basierte: Auf dem Geständnis von Ulvi K., das er kurze Zeit später widerrufen hat. Auf einem Sachverständigen, der das Geständnis trotzdem für glaubwürdig hielt. Und auf der Aussage eines Häftlings, der angegeben hatte, der inhaftierte Ulvi K. habe in einer Klinik über den Mord an Peggy berichtet.

Der Belastungszeuge hat gelogen

Inzwischen hat der Zeuge eingeräumt, dass er damals gelogen hat. Im Mordprozess hatte er angegeben, der Gastwirtssohn Ulvi habe ihm gestanden, er habe Peggy am Hals gepackt und so lange zugedrückt, bis sie tot war. 2010 hat der Zeuge diese Aussage vor einem Richter in Bayreuth zurückgezogen. Er gab an, in der Zeit des Prozesses an einem Tumor gelitten zu haben. Deshalb habe er alles versucht, aus der Haft entlassen zu werden. Von einer Aussage gegen einen Behinderten habe er sich Hafterleichterungen versprochen. Deshalb habe er das angebliche Geständnis Ulvis frei erfunden.

In Eulers Antrag kommt auch ein Zeuge zu Wort, der berichtet, warum er nach der Festnahme Ulvis eine sehr wichtige Aussage widerrufen hat. Ursprünglich hatte der Zeuge angegeben, die Verschwundene noch nach dem angeblichen Tatzeitpunkt gesehen zu haben, sie soll in ein Auto gestiegen sein. Als dann aber überall berichtet wurde, der Täter sei bereits gefasst - ein geistig Behinderter, der gestanden hatte, er habe mit dem Mord den sexuellen Missbrauch an einem Mädchen vertuschen wollen -, da habe er seine Aussage zurückgezogen. Er habe sich schließlich nicht blamieren wollen.

Die Suche nach Peggy, bei der auch Wärmebildkameras der Bundeswehr eingesetzt wurden, verlief ohne Erfolg. Ulvi K., der heute in einem Bezirkskrankenhaus untergebracht ist, wurde im Prozess das geistige Niveau eines Zehnjährigen attestiert. Dass ein Kind nicht den perfekten Mord verübt haben kann, glaubt Anwalt Euler nun nachweisen zu können.

© SZ vom 10.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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