Erdkabel:"Wir können den Strom nicht beamen"

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Dass die Monstertrassen mit hohen Stahlmasten vom Tisch sind, begrüßen Politiker der betroffenen Regionen - allerdings unterschiedlich euphorisch

Die politischen Reaktionen auf die Pläne des Netzbetreibers Tennet fallen zwar unterschiedlich aus, doch in einer Sache herrscht Einigkeit: Dass die sogenannten Monstertrassen weitgehend vom Tisch sind, darüber freuen sich alle Parteien. Die bis zu 75 Meter hohen Stahlmasten "hätte ich nicht akzeptiert", sagt Landshuts Landrat Peter Dreier (Freie Wähler), in dessen Kreis der Endpunkt des unterirdischen SuedOstLink liegen würde. "Ich begrüße es, dass die Erdverkabelung jetzt kommt", sagt auch die niederbayerische Landtagsabgeordnete Rosi Steinberger. Die Grünen-Politikerin mahnt allerdings zur Eile. "Es wird nun Zeit, dass der Netzausbau endlich in Fahrt kommt", sagt Steinberger mit Blick auf das Jahr 2022, wenn das Landshuter AKW Isar 2 als letzter Atomreaktor in der Bundesrepublik abgeschaltet werden soll.

Dass die Planungen derzeit noch recht unkonkret sind, daran stört sich der Landshuter Landrat nicht, im Gegenteil: "Ich sehe das positiv. Wir haben jetzt einen Korridor und haben die Möglichkeit, verschiedene Varianten zu diskutieren. Das ist mir lieber, als vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden", sagt Dreier. Im Kreis Landshut könne er sich den Verlauf einer unterirdischen Stromtrasse etwa entlang der Bundesstraße B 15 neu vorstellen. Überhaupt, sagt Dreier, "wären die Hindernisse bei der Erdverkabelung vom Naturschutz her bei uns wesentlich geringer als zum Beispiel im Fichtelgebirge".

Aber auch im Nordosten Oberfrankens klingen die Reaktionen gemäßigt. Der Ex-OB von Selb und Vorsitzende der CSU im Selber Stadtrat, Wolfgang Kreil, blickt den Planungen gelassen entgegen. "Wir brauchen ein leistungsfähiges Netz", sagt er, und am "Volkssport, möglichst gegen alles zu sein", werde er sich nicht beteiligen: "Damit baut man keine Zukunft". Nach den Tennet-Plänen könnte eine Trasse nahe an Selb heranreichen, wenn auch nicht auf Stadtgebiet, Details aber kenne er noch nicht. Ganz gleich, wie es kommt: "Wir können den Strom nicht beamen", sagt Kreil, also müsse man sich mit anderen Lösungen beschäftigen. Was auch Wolfgang Fleischer, CSU-Fraktionschef im Hofer Stadtrat, so sieht. "Dass eine Trasse in der Nähe von Hof entlangschrammen wird, damit war fast zu rechnen", sagt er. Und natürlich sei das insofern nicht erfreulich, als vor allem das Hofer Land mit einer deutlich überdurchschnittlichen Dichte an Windrädern ohnehin schon zur Energiewende beitrage. "In der Stadt Hof könnte man aber mit den Plänen leben", sagt er. Allerdings kenne man eben die Details noch nicht.

Daran stört sich der Hofer Landrat Oliver Bär (CSU) etwas, die Methodik der Planer sei zu hinterfragen, sagt er. Dass die Trasse möglichst gerade von Magdeburg nach Landshut verlaufen müsse, sehe das Gesetz nicht vor, sagt er, wenn es sinnvolle Alternativen gebe, müssten diese durchaus bedacht werden. Wenn die Erdverkabelung so kommt und Gräben ausgehoben werden müssten, dann plädiere er dafür, gleich "das schnellste Internet der Welt" mitzuverlegen. Dann könnten auch die Anlieger von der Trasse profitieren.

Besonders stark treffen die Tennet-Pläne auch den Landkreis Schwandorf. "Das ist aber kein Grund, einen Aufschrei zu veranstalten", sagt Landrat Thomas Ebeling (CSU). Im Gegensatz zu den hohen Masten hält er die Erdverkabelung für "gut vermittelbar". Er glaubt, dass die Menschen "schnell verstehen werden, dass man in der Landschaft nicht viel merkt" von unterirdischen Stromautobahnen. Ähnlich äußert sich Franz Schindler, Schwandorfer Landtagsabgeordneter und Oberpfälzer SPD-Bezirkschef. "Dass Bayern eines Tages energiepolitisch autark sein soll, wie es der Bund Naturschutz fordert, das halte ich nicht für machbar. Weil wir aber die Energiewende wollen, sind wir grundsätzlich bereit, Trassen hinzunehmen, um den Windstrom von Norden in den Süden zu transportieren", sagt Schindler.

Nicht ganz so positiv klingt Richard Reisinger (CSU), Landrat im Kreis Amberg-Sulzbach. Weil die Pläne derzeit noch recht unkonkret seien, sei es noch zu früh für eine Bewertung. Erst wenn die Dinge konkreter werden, werde man wissen, wie empfindlich die betroffenen Bürger reagieren. "Dann müssen wir schauen, ob Felder durchschnitten werden, inwiefern die Landwirtschaft betroffen ist, wie dicht die Bebauung ist und welche Kompensationen es gibt", sagt Reisinger. Es dürfe jedenfalls nicht sein, dass die Planung der Stromautobahnen "mit dem Lineal erfolgt".

Als "nutzlos" bezeichnet dagegen Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger die unterirdischen Stromtrassen. "Mit riesigem Aufwand werden hier Trassen mit erheblichen Auswirkungen auf Mensch und Natur vorbereitet, die eigentlich überhaupt nicht erforderlich sind", sagt Aiwanger. Er hält den Tennet-Plan deswegen für sinnfrei, weil die Trassen nach derzeitigem Plan erst im Jahr 2025 fertig werden - und damit drei Jahre nach dem endgültigen Atomausstieg. Zu spät, findet der Freie-Wähler-Chef, dessen Partei weiter für eine sogenannte dezentrale Bürgerenergiewende mit Stromspeichern, Stromeinsparung und flexiblen Reservekraftwerken wirbt.

Derweil gibt sich die bayerische SPD zwar erleichtert, dass endlich erste Pläne für unterirdische Stromkorridore auf dem Tisch liegen. Doch kritisiert auch Generalsekretärin Natascha Kohnen, dass es nicht früher gelungen ist, eine Lösung zu finden. Dies liege "maßgeblich an der CSU, die der Bevölkerung weismachen wollte, dass wir die Leitungen nicht brauchen. Das hat uns zwei Jahre Zeit in der Energiewende gekostet, die wir nicht haben", sagt Kohnen. Frühere Aussagen von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hätten "zu einer tiefen Verunsicherung in Bayern geführt. Jetzt ist es umso schwerer, den Menschen zu vermitteln, dass die Leitungen doch kommen werden", sagt Kohnen.

Auch die Landtags-Grünen kritisieren Seehofers Vorgehen in der Stromtrassendebatte. Der Ministerpräsident habe "Vorbehalte gegen die Energiewende geschürt und den Menschen vor Ort falsche Hoffnungen gemacht", sagt Martin Stümpfig, energiepolitischer Sprecher der Partei. Weil die Trassen nun womöglich drei Jahre später fertig werden als geplant, erwarten die Grünen, dass Netzschwankungen ausgeglichen werden müssen und deswegen höhere Kosten auf die Stromkunden zukommen. "Das ist ein Seehofer-Säumnisaufschlag, den die Menschen in Bayern deutlich im Geldbeutel spüren werden", sagt Stümpfig.

© SZ vom 28.09.2016 / GLA, KAA, PRZ, WIW - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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