Entschuldung des Freistaats:Bayern tilgt eine Milliarde Euro Schulden

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Finanzminister Markus Söder hat im Landtag überraschend eine Schulden-Rückzahlung von einer Milliarde Euro angekündigt. Seinen Vorstoß feiern CSU und FDP mit Szenenapplaus, während die Opposition von gnadenlosem Populismus spricht.

Frank Müller

Es ist eine weitere plakative Zahl im Streit der Parteien um die Entschuldung des Freistaats: Mit der Rückzahlung von einer Milliarde Euro will Finanzminister Markus Söder (CSU) noch im laufenden Jahr den Startschuss für die Tilgung aller Staatsschulden bis zum Jahr 2030 geben. Die überraschende Ankündigung Söders zum Auftakt der Haushaltsberatungen löste im Landtag äußerst gemischte Reaktionen aus: CSU und FDP feierten Söder mit Szenenapplaus, die Opposition sprach von unseriösem Populismus.

Plenarsitzung im Landtag: Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) will noch in diesem Jahr bis zu einer Milliarde bayerischer Staatsschulden abbezahlen. (Foto: dpa)

Für den seit knapp drei Monaten amtierenden Söder war es ein Auftakt nach Maß in seiner ersten Haushaltsrede vor dem Parlament. Der früher von den eigenen Leuten oft skeptisch beäugte Franke bekam viel Zuspruch, manche CSU-Politiker hingen fast andächtig an seinen Lippen, was umso mehr auffiel, als die eigentliche Nummer eins der Staatsregierung, Horst Seehofer, wegen Krankheit im Parlament weiter fehlte.

Söder setzte die Seehofersche Linie des Schuldenabbaus im Landtag nahtlos fort. Die hatte der Regierungschef Anfang Januar bei der Winterklausur der Landtagsfraktion in Wildbad Kreuth zur großen Überraschung fast aller Anwesenden vorgegeben: mit seiner Ankündigung, alle bayerischen Staatsschulden innerhalb der nächsten 18 Jahre zurückzuzahlen. Das, so Seehofer, sei die beste Vorsorge für die nachwachsende Generation.

Seitdem wird in der Koalition diskutiert, in welchen Schritten und aus welchen Quellen die zweistelligen Milliardensummen abgetragen werden sollen. Auf dem Freistaat lasten derzeit mehr als 22 Milliarden Euro Schulden, dazu kommen noch zehn Milliarden, die das Land in die Rettung der Bayerischen Landesbank gesteckt hat und die ebenfalls zu den Staatsschulden zu rechnen sind.

In den letzten Tagen hatte es zahlreiche Telefonate und Gespräche zwischen hochrangigen CSU-Politikern gegeben, auch mit dem erkrankten Seehofer. Daraus entwickelte sich die Idee, mit einer Milliarde Euro sofort zu starten. In der Landtagsdebatte sprach Söder von einem "glaubwürdigen und nachhaltigen Signal". Der Vorstoß muss zwar vom Landtag erst beschlossen werden, daran bestehen aber keine Zweifel.

CSU-Fraktionschef Schmid sicherte "volle Unterstützung" zu: "Das ist der richtige Weg." Söder wurde bei den Details fast pathetisch: Mit der Milliarde, so Söder, "würden wir auf einen Schlag fast fünf Prozent der Schulden aus dem allgemeinen Haushalt tilgen." Das sei die größte Rückzahlung in der bayerischen Geschichte.

Nähere Angaben darüber, wie Bayern solche Summen auch in den kommenden Jahren freischaufeln will, fehlen allerdings weiterhin. Wenn das Ziel 2030 eingehalten werden soll, müsste jährlich sogar weit mehr als eine Milliarde Euro abgebaut werden. Die CSU spekuliert vor allem auf eine Verringerung der Zahlungen im Länderfinanzausgleich. Söder griff das System erneut als ungerecht an: "Es kann nicht sein, dass Bayern quasi im Alleingang den Rest der Republik finanziert." Keine Sorgen müssten sich die Beamten um die Altersvorsorge machen, versprach Söder.

SPD-Finanzsprecher Volkmar Halbleib warf der Staatsregierung vor, das Interesse an konkreter Politik verloren zu haben und nur noch "Phantomdiskussionen" über unrealistische Zukunftsziele zu führen. Dabei habe die CSU selbst durch das Landesbank-Debakel einen massiven Anstieg der Staatsverschuldung in den letzten Jahren zu verantworten, sagte Halbleib: "Diese Regierung hat die Staatsverschuldung von 2008 bis heute von 24,1 Milliarden Euro auf 32,6 Mlliarden nach oben getrieben."

Halbleibs Fazit: Es handele sich bei dem Tilgungsplan um einen "klassischen Söder", angefüllt mit "gnadenlosem Populismus". Auch die Grünen-Finanzexpertin Claudia Stamm nannte den Schuldenabbau-Plan "eine Unverschämtheit". Stamm: "Ein ehrliches Konzept gibt es nicht." Der Haushaltsexperte der Freien Wähler, Manfred Pointner, unterstützte dagegen die Zahl von einer Milliarde für 2012, ebenso wie der FDP-Finanzexperte Karsten Klein. Der hatte schon frühzeitig eine Erhöhung der Tilgung angemahnt.

Ursprünglich waren bei einer Kabinettsklausur im Herbst lediglich 250 Millionen festgezurrt worden - eine Zahl, die auch der Oberste Rechnungshof (ORH) für zu niedrig hielt. SPD-Mann Halbleib erinnerte am Donnerstag an die heftige Kritik, die Seehofer und Söder daraufhin am ORH vorbrachten und verlangte eine Entschuldigung. Darauf reagierte Söder allerdings nicht.

© SZ vom 03.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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