Es sollte aussehen wie der Lagerplatz einer Baufirma, damit Dieter Zlof nicht Verdacht schöpft. Hinter Pasing, dort wo der Entführer wohnte, war viel freies Feld. Es gab keine Observierungsmöglichkeit aus einem Gebäude heraus. Ein alter Bauwagen mit Kamera diente der Polizei als Beobachtungsposten. Doch eines Tages stand dieser Wagen vor dem Landeskriminalamt, versehen mit dem Zettel "Observationsfahrzeug des LKA". Zlof hatte die Polizisten enttarnt.
"Das muss man sportlich sehen", sagt Josef Geißdörfer, in dessen Zeit als Chefermittler beim LKA auch die Aufklärung der Oetker-Entführung samt Sicherstellung des Millionen-Lösegelds fiel. Gelassen spricht der inzwischen pensionierte Kripo-Beamte über einen der spektakulärsten Kriminalfälle des vergangenen Jahrhunderts. Er kann selbst darüber lachen, dass auch Pressefotografen das Pseudo-Baulager als Tarnung nutzten, um dort neben der Kripo ihre Fotos zu schießen.
Dass die Medien so großes Interesse an dem Fall hatten, sei der Polizei zugutegekommen, man sei so über viele Schritte Zlofs informiert gewesen, sagt der ehemalige Ermittler. "Wir waren immer an ihm dran und wussten immer, was er tut." Von Anfang 1994 nach der Haftentlassung bis zu dem Moment, als Zlof im Mai 1997 in London mit einem Großteil des Lösegelds der Polizei in die Falle ging, beschatteten Geißdörfer und seine Leute den Erpresser. Dem sei das stets bewusst gewesen.
München:Chronologie der Oetker-Entführung
Am späten Abend des 14. Dezember 1976 nimmt eines der spektakulärsten Verbrechen in der Münchner Kriminalgeschichte seinen Anfang. Die Geschehnisse im Überblick.
Der Ex-Chefermittler erinnert sich: Immer wieder sei es passiert, dass Zlof Leute angesprochen habe: "Ihr seid von der Polizei." Und immer wieder konnte er sich der Beobachtung entziehen. Die technischen Möglichkeiten etwa der Handyüberwachung gab es vor 20 Jahren nicht. Und noch einmal 20 Jahre früher, als Richard Oetker entführt wurde, da sei das "polizeilich noch eine ganz andere Welt" gewesen, sagt der ehemalige Kripomann.
Geißdörfer war damals junger Landpolizist in Schleißheim. Der Entführer müsse mit seinem Opfer auf dem Weg von Freising nach München zwangsläufig auch durch seinen damaligen Bezirk gefahren sein, überlegt er. 1984 kam Geißdörfer dann zum Landeskriminalamt. Schon während Zlofs Haftzeit sei dort "Dauerthema" gewesen, was man tun solle, wenn der Entführer wieder frei sei.
Rund um die Uhr wurde Zlof nach der Entlassung beschattet. Unruhig wurde dieser erst, als die registrierten Scheine des Lösegelds aus dem Verkehr gezogen werden sollten. Da habe möglicherweise die Familie Oetker, die stets kooperativ gewesen sei, ihren Einfluss geltend gemacht, meint Geißdörfer.
In einer Palette mit Münzalben ließ der Erpresser das Geld per Spedition nach London bringen, wo er es auf einem Parkplatz "immer unter Beobachtung" auspackte. Dem Angebot, die heißen Scheine gegen 75 Prozent des Nennwerts los zu werden, habe Zlof nicht widerstehen können, und so sei er schließlich Scotland Yard in die Falle gegangen.
"Wir hätten das aber auch ohne die geschafft", ist sich Geißdörfer sicher. Dass Zlof zuvor seine Story samt Verrat des Lösegeldverstecks Magazinen für viel Geld anbot, das, gesteht der Ermittler, "war verlockend, dann wäre die ganze Gaudi vorbei gewesen". Dass man den Täter dann samt dem Rest des Lösegelds schnappte, sei "ungeheuer wichtig" gewesen. "Für Richard" - der Ex-Polizist und das Entführungsopfer sind längst Freunde - "und auch für die Justiz."
Immer wieder war von einem möglichen Fehlurteil und einem unschuldig hinter Gitter gebrachten Menschen die Rede gewesen. Der Familie Oetker, so sagt Geißdörfer, sei wichtig gewesen, das Geld wieder zu bekommen, weil es nicht sein könne, dass das Opfer leide, während der Entführer sich mit dem Lösegeld "ein lustiges Leben" mache.
Da gibt Geißdörfer, der auch mit dem Fall Ursula Hermann sowie mit dem des Auftragskillers Giorgio Basile betraut war, dann doch kurz seine Gelassenheit auf und spricht von einem "arroganten und menschenverachtenden Täter". Was mit diesem inzwischen geschehen ist, wisse er nicht, der Fall sei abgeschlossen. Als Zlof noch einen Imbissstand in München betrieben habe, da hätten Oetker und er gescherzt, einmal dort hinzufahren und zu essen, um sich dann mit einem "Bezahlt ist schon" zu verabschieden.