Engagement:Blaulicht mit Grünstich

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Leon Eckert, 26, ist grüner Kreisrat in Freising. (Foto: Johannes Simon)

Bei Rettungsdiensten wie Feuerwehr und THW denkt man eher an CSU und FW - vielleicht nicht mehr lange

Von Johann Osel, München/Eching

Als Luisa Neubauer, Umweltaktivistin und prominentes Grünen-Mitglied, bei der jüngsten Flutkatastrophe zum Streik für "echten Klimaschutz" aufrief, ließ der Spott auf Twitter nicht lange auf sich warten. "Nehmt lieber Schaufeln und Besen in die Hand und helft aufräumen" war da zu lesen, oder hämisch: "Ein bisschen herumhüpfen und Sozialismus fordern, hilft den Opfern garantiert." Oder gar der absurde Vorwurf, Grüne und Linke empfänden Organisationen im Katastrophenschutz als "paramilitärisch und nicht mehr zeitgemäß". Nun, es ist Wahlkampf und die Pöbelfreude bei Twitter ist bekannt. Wahr ist aber, dass man etwa bei den Feuerwehren nicht sofort an die Grünen denkt, zumal in Bayern. Auf dem Land ist die Führungsriege der Wehren nicht selten fast deckungsgleich mit CSU und Freien Wählern im Gemeinderat. Als im Februar im Landtagsplenum eine grüne Abgeordnete ihre lange Mitgliedschaft im Feuerwehrverein erwähnte und dass sie früher als Frau nicht ausrücken, sondern nur im Spielmannszug musizieren durfte, notierte das Protokoll: "Zuruf aus der CSU: Wir sind alle eingeladen!" Soll wohl bedeuten: Die Grünen gelten nicht als die Anpacker vom Dienst.

Das soll sich ändern. Vor bereits gut einem Jahr haben sich einige Mitglieder vernetzt, die bei Feuerwehren, Technischem Hilfswerk (THW) oder im Rettungsdienst aktiv sind. Die Koordination übernahm Fraktionschefin Katharina Schulze, die als innenpolitische Sprecherin für diese Themen zuständig ist. "Grüne und Feuerwehr, THW, Rettungsdienste? Das passt", sagt Schulze. Die lose Gruppe habe es sich zum Ziel gesetzt, derlei Fragen stärker in die Partei zu tragen. Auch inhaltlich: Als ersten Aufschlag hat man ein Papier für den "Katastrophenschutz der Zukunft in Bayern" verfasst, beim Landesparteitag im Herbst ist ein Antrag dazu geplant.

Mit dabei ist Leon Eckert, der 26-Jährige ist seit Herbst 2020 Kreisrat in Freising und dritter Bürgermeister der Gemeinde Eching, aktuell ist er zudem Bundestagskandidat - und seit sechs Jahren Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in Eching. Er rücke um die 30 Mal im Jahr aus, vom größeren Einsatz bis zum kleinen, inklusive Fehlalarme. Sein Engagement für die Ehrenamtlichengruppe der Grünen kam aus der Praxis heraus. Über zwei Themen habe er sich Gedanken gemacht, politische Vorstöße erwogen: Einerseits zur psychologischen Betreuung von Feuerwehrleuten nach dem Einsatz bei schweren Unfällen, die weiterzuentwickeln sei. Andererseits über Vegetationsbrände. So kam er mit Schulze in Kontakt, an der Vernetzung schätzt er die "Horizonterweiterung", etwa die Erfahrungen beim THW.

Klar, sagt Eckert, CSU und FW seien traditionell bei Feuerwehren verwurzelter (wenngleich es natürlich überparteiliche Organisationen sind). Mitglieder seiner Partei seien "nicht so exponiert" anzutreffen. Wenn er aber unterwegs sei, lerne er immer wieder Grüne aus der Rettungsszene kennen. "Es gibt sie, vielleicht hängen sie das nur oft nicht so an die große Glocke." Katastrophenschutz sei ein "Querschnittsthema" für Klimaschutz, zum Beispiel wenn es um die Prävention gehe.

Auch hier setzt das Papier der Gruppe an. Weitere Forderungen: Die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg müsse "vereinfacht und in der Vorbereitung systematisch angegangen werden". Mehr Unterstützung sei nötig für die Ehrenamtlichen, die "für Einsätze Tag und Nacht erreichbar sind, um aus dem Alltag heraus jederzeit in die Rolle der Helfenden zu schlüpfen". Wichtige Aspekte seien gute Ausstattung, mehr Familienfreundlichkeit oder eben psychosoziale Notversorgung. Eine App könne bei Katastrophen den Einsatz weiterer Freiwilliger koordinieren, wie bereitgestellte Traktoren von Landwirten. Gerade die Digitalisierung sei ein Zukunftsfeld, auch in der Fortbildung - um die bekanntlich überlasteten Feuerwehrschulen zu ergänzen. Diversität im Katastrophenschutz soll ferner ausgebaut werden, über Mentoringprogramme für Frauen oder zielgruppenspezifische Angebote für Menschen mit Migrationshintergrund: "Die Aufgaben der Frauen und Männer im Katastrophenschutz werden in der Zukunft nicht weniger werden - sondern mehr."

© SZ vom 19.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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