Dann waren es nur noch drei: Die "Wielandshütt" ist Geschichte. Das ungewöhnliche Sommerdomizil des Schweizer Malers Hans Beat Wieland war das älteste von vier denkmalgeschützten Häusern am Kaaganger in Eching, und es war die Keimzelle einer zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandenen kleinen Kolonie. Nach einem Umbau, der praktisch einem Neubau gleichkam, hatte es 2006 seinen Denkmalstatus verloren und war zum Schwarzbau geworden. Mit dem Abriss, der nach einem langen Rechtsstreit auf Anordnung des Landratsamts Landsberg erfolgte, ist auch ein Ort verloren gegangen, an dem Kulturgeschichte geschrieben wurde.
Auf einer Dampferfahrt soll Hans Beat Wieland im Jahr 1899 den Kaaganger, eine von Wald umstandene Wiese am Weg von Eching nach Unterschondorf entdeckt und bald darauf gekauft haben. Im 18. Jahrhundert hatte es auf der freien Fläche über dem Ammersee eine kleine, dem Heiligen Nikolaus gewidmete Kapelle gegeben, die jedoch nach der Säkularisation abgerissen wurde, um aus den Mauersteinen das Schulhaus in Oberschondorf zu bauen. Danach wurde der Kaaganger landwirtschaftlich genutzt. Legendär ist die hämische Freude der Einheimischen, wenn ihnen wieder einmal ein Städter eine ihrer sauren Seewiesen abgekauft hatte, die für sie wenig Wert hatten.
Wieland, 1867 in Gallusberg bei Mörschwil geboren, war Mitte der 1880er-Jahre zum Kunststudium nach München gekommen. Er besuchte zunächst die Kunstgewerbeschule und studierte dann an der Akademie der Bildenden Künste zusammen mit seinen etwa gleichaltrigen Schweizer Kollegen Cuno Amiet und Giovanni Giacometti, unter anderem bei Nikolaus Gysis und Ludwig von Löfftz. In den Jahren 1896 und 1897 nahm er als "zeichnender Reporter" an zwei Kreuzfahrten nach Spitzbergen teil. Zurück in München heiratete er Elsa Henkell. Sie war die Tochter von Rudolf Henkell, dem Eigentümer der berühmten Sektkellerei, und ließ sich in München ebenfalls zur Malerin ausbilden. Die Hochzeit wurde im September 1898 in Mainz in großem Stil und vermutlich mit viel Sekt gefeiert. Für seinen Schwager entwarf Wieland eine repräsentative Jugendstilvilla mit vierzig Zimmern. Die Zeitschrift "Dekorative Kunst" widmete der extravaganten Gestaltung des "Hauses Henkell" in Wiesbaden einen mehrseitigen Artikel.
Aber nicht nur als Architekt, auch als Landschaftsmaler feierte Wieland, seit 1894 Mitglied der "Münchner Secession", bald Erfolge. Seine impressionistischen Bilder von Gletscherlandschaften sind frühe Höhepunkte in seinem Werk, später gehörten die bayerischen und die Schweizer Alpen zu den bevorzugten Motiven des passionierten Bergsteigers und Plein-Air-Malers. Der Einfluss des Schweizer Künstlers Ferdinand Hodler ist in Wielands Werk unverkennbar.
Im Jahr 1900 baute sich Wieland, der nicht nur zum Malen, sondern auch zum Segeln an den Ammersee kam, auf seinem Grundstück zunächst eine Hütte mit einem großen und zwei kleineren Zimmern. In Erinnerung an die Norwegerhäuser, die er auf seinen Reisen gesehen hatte, erhielt die "Wielandshütt", wie er sein Sommerdomizil nannte, einen Anstrich in Ochsenblutrot und ein Grassodendach. Das Wasser musste man damals aus dem See holen oder aus einer nahegelegen Quelle. Erst nachdem sich der mit Wieland befreundete Maler Adelbert Niemeyer auf dem nördlichen Nachbargrundstück ebenfalls ein Sommerhäuschen gebaut hatte, kauften die Freunde gemeinsam die Quelle oberhalb der Straße. Sie ließen Wasserleitungen zu ihren Häusern legen und errichteten über der Quelle eine kleine Wegkapelle. "Zur Erinnerung an die alte Kapelle St. Nikla gestiftet von Adelbert Niemeyer und Hans Beat Wieland 1907" steht dort auf einer kleinen Tafel.
Die "Wielandshütt" wurde mehrfach erweitert, nachdem zwischen 1904 und 1907 drei Kinder zur Welt gekommen waren. Zuletzt war aus der anfänglich einfachen Behausung eine kleine Sommervilla mit mehreren Schlafzimmern entstanden, die sich jedoch mit ihrem begrünten Dach in dem weitläufigen, zum See leicht abfallenden Garten so einfügte, dass man ihre tatsächliche Größe von der Straße aus nicht erkennen konnte. Die schönen Bäume auf dem Grundstück und der herrlich blühende Steingarten sind auf einem Gemälde aus dem Jahr 1935 belegt.
Es gab auch eine Badehütte, in die Wieland sich zuweilen zum Malen zurückzog. Das Gemälde "Ammersee, Wolken und Wasser" dürfte 1932 hier unten direkt am Seeufer entstanden sein. Auch drei Boote wurden für die Sommeraufenthalte angeschafft: Das Segelboot wurde nach der Tochter "Beata" getauft, das Ruderboot hieß nach dem älteren Sohn "Klaus" und das zuletzt angeschaffte Motorboot hieß "Joggeli". Das war der Spitzname des jüngeren Sohns, der eigentlich die Vornamen seiner Großväter erhalten hatte und Richard Rudolf getauft worden war.
Die Gastfreundschaft der Wielands war legendär
In seinem "norwegischen" Sommerhaus bewahrte Wieland auch Souvenirs von seinen Reisen in den Norden auf, darunter einen Schlitten und ein Paar Ski des Polarforschers Salomon Andrée. Im Jahr 1913 kam eine ausgediente Kanone dazu, die fortan auf der Wiese vor dem Haus stand. Am Schweizer Bundesfeiertag wurden damit Salutschüsse abgefeuert, wie der jüngste Sohn in einem Erinnerungsbüchlein über seinen Vater berichtet.
Vor allem aber war das Seegrundstück mit dem roten Holzhaus ein Ort der Geselligkeit, auch nachdem die Familie in den Wirren der Revolution in die Schweiz übergesiedelt war und nur noch in den Sommerferien an den Ammersee kam. Die Gastfreundschaft der Wielands war legendär. Nicht nur Fritz und Erich Erler und weitere Mitglieder der Künstlergemeinschaft "Die Scholle" waren zu Gast, auch die Maler Julius Diez, Ludwig Herterich, Friedrich Fehr, Fritz Burger und Max Buri haben sich im "Hüttenbuch" eingetragen. Thomas Theodor Heine, Eduard Thöny, Olaf Gulbransson und Ernst Stern gingen in der "Wielandshütt" ein und aus. Auch Felix Schlagintweit und Max Reinhardt gehörten zu Wielands Freundeskreis.
Insbesondere pflegte Wieland eine enge Freundschaft zu seinem Nachbarn Adelbert Niemeyer, die sich auf beide Familien erstreckte und von den Söhnen bis ins hohe Alter gepflegt wurde. Mit Niemeyer, der eine Professur an der Münchner Kunstgewerbeschule innehatte, erfand Wieland das "Cococello", ein einsaitiges Instrument, dessen Resonanzkörper aus einer halben Kokosnuss besteht. "Mit und ohne Freunde und Gäste sitzt man abends am Kaminfeuer und erzählt, bis schließlich die Guitarre erklingt und Hans Beat einige seiner lustigen Lieder auf Bairisch oder Schweizerdeutsch singt", schreibt der Sohn in seinen Erinnerungen.
Am Kaaganger trat Wieland auch als Architekt in Erscheinung. Oberhalb des Fußwegs nach Schondorf plante er für "Frau Geheimrat Anna Michel", die eine entfernte Verwandte seiner Frau war, 1912 ein ebenfalls höchst originelles Haus: Es ist mit dunklem Holz verschalt und hat ein kühn geschwungenes Dach in Form eines Schiffskiels. Die weißen Fensterläden und die weißen Blenden, die den Bögen des Dachs folgen, bilden einen schönen Kontrast zum dunklen Holz. Die Tochter von Frau Michel heiratete einen Offizier. Oberst Albrecht Schultz wünschte sich viele Kinder und machte diesen Wunsch weithin sichtbar: Das Sommerhaus, das er auf dem Grundstück der Schwiegermutter baute, hat zum See hin einen halbrunde bauchige Ausbuchtung und darüber einen ebenfalls halbrunden Balkon. Dessen weiß gestrichene Balustrade besteht aus 15 geschnitzten Kinderfiguren, die sich die Hand geben. Der Wunsch ging fast in Erfüllung, das Ehepaar Schultz bekam immerhin sechs Kinder. Die Einheimischen nannten dieses Haus wegen seiner ungewöhnlichen Form scherzhaft "Dampfschiff", manchmal sprach man auch einfach von den "Wielandhütten", wenn man die Häuser am Kaaganger meinte.
Hans Beat Wieland starb im August 1945, drei Jahre nach seiner Frau. Die vier Häuser, die bis zum Ersten Weltkrieg am Kaaganger entstanden waren, wurde ebenso wie die kleine Wegkapelle in den 1990er Jahren unter Denkmalschutz gestellt. Mit der Beseitigung der ursprünglichen "Wielandshütt" wurde eine tiefe Wunde in dieses einzigartige gewachsene Ensemble geschlagen. Das Haus, dessen historischer Dachstuhl von geschnitzten Balken in stilisierten Jugendstiltierformen getragen wurde, wurde nicht nur abgetragen, sondern auf Anweisung der Baubehörde mit schwerem Gerät zerstört. Lediglich Fenster und Türen konnten von den Eigentümern gerettet werden.