Drogen-Razzia:"Ein Teufelszeug"

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Bei einer europaweiten Razzia haben mehr als 1500 Polizisten große Mengen der gefährlichen Party-Droge "Liquid Ecstasy" sichergestellt. Den größten Fund machten sie in Bayern.

S. Wimmer

Dirk K. starb im Juli 2007 in Kassel. Der 34-Jährige hatte Lösungsmittel getrunken. Und zwar absichtlich: Gamma-Butyrolacton, kurz GBL genannt, gilt in der Party- und Bodybuilder-Szene als "Liquid Ecstasy", als Stoff, der stimuliert, Ängste löst - und tödlich sein kann.

Erfolg für die Fahnder: Bei einer europaweit angelegten Razzia wurde eine große Menge der chemischen Droge "Liquid Ecstasy" sichergestellt. (Foto: Foto: ddp)

Am Mittwoch durchsuchten 1560 Polizisten knapp 350 Objekte in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Slowenien. Im Visier der Fahnder: 323 GBL-Händler.

Als Dirk K. starb, hatte er einen Zettel in der Hosentasche: die Rechnung eines Chemiehandels aus dem Landkreis Roth. Wenige Tage zuvor hatte die Polizei den 31-jährigen Firmeninhaber festgenommen, die Fahnder stellten diverse Geschäftsunterlagen sicher. Aus diesen ging hervor, dass der 31-Jährige per Internet rund 3000 Kunden mit GBL belieferte, allein seit 2007 hatte er sieben Tonnen davon verkauft. Die Kunden mussten nur die Bestellung im Netz aufgeben, wenig später kam die Lieferung per Post.

Normalerweise wird GBL in der chemischen Industrie weiterverarbeitet, nur etwa zehn Prozent der in Deutschland produzierten Menge von 100.000 Tonnen gelangt in den Handel. Dort wird GBL etwa zum Ablösen von Tapeten oder Abwaschen von Graffiti benötigt. Trinkt man GBL, so wirken schon ein bis zwei Milliliter berauschend, sagt Margit Zorn von der Staatsanwaltschaft Nürnberg/Fürth. Das Tückische: Bei dem einen wirke es euphorisierend, einem anderen kann die Menge schon zu viel sein. Brechreiz, komatöse Zustände, Atemstillstand können die Folge sein.

Ein Schüler habe plötzlich nicht mehr sprechen können, ein anderer sei auf der Straße zusammengebrochen. Die Konsumenten werden innerhalb kürzester Zeit schwer abhängig. "Bei einer Heroinüberdosierung gibt es ein Gegenmittel", sagt Torsten Wittke, Leiter des Drogendezernats am Bayerischen Landeskriminalamt (LKA), "bei GBL nicht."

Am Mittwoch um 6.30 Uhr startete die konzertierte Aktion des LKA und der Staatsanwaltschaft Nürnberg/Fürth. 342 Objekte von Großkunden wurden europaweit durchsucht, allein in Deutschland stellten die Ermittler 140 Liter der Chemikalie sicher. Für den Großhändler lohnte sich das Geschäft allemal: Für einen 22,5-Liter-Kanister zahlte er an die 600 Euro, in der Szene, schätzt Wittke, liege der Marktwert bei 150.000 Euro.

In Bayern, wo mit 62 Litern bundesweit die größte GBL-Menge sichergestellt wurde, hatte man sich bereits 2008 mit einer Chemie-Razzia auf rechtlich unsicheres Terrain gewagt. Denn GBL unterliegt nicht dem Betäubungsmittelgesetz.

Der Bundesgerichtshof allerdings entschied am 8. Dezember 2009, dass das Vorrätighalten, die Abgabe und der Verkauf von GBL als "bedenkliches Arzneimittel" als strafbar anzusehen sei. "Damit wurde die strafrechtliche Verfolgung auf eine sichere Basis gestellt", erläutert der Nürnberger Justizpressesprecher Thomas Koch.

"Es ist ein Teufelszeug, das unterschätzt wird", sagte Torsten Wittke. Er erzählt von Abhängigen, die GBL verdünnen, um die Verätzungen im Rachen zu reduzieren, und die nicht mehr schlafen, weil sie alle eineinhalb Stunden ihre Ration benötigen.

© SZ vom 15.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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