CSU-Parteitag: Seehofer und Merkel:Der große "Kuschelfaktor"

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Contenance ist alles: Der 55. Geburtstag kommt und geht, aber der Wahlkampf wird bleiben. Also macht Merkel auf dem CSU-Parteitag gute Miene zu Seehofers harschem Spiel in Sachen Europa.

Stefan Braun, Nürnberg

Zwei Bücher also. Mit zwei Büchern, einem großen und einem ganz kleinen, möchte Horst Seehofer Angela Merkel eine besondere Freude bereiten.

Bemühten sich, Geschlossenheit zu zeigen: Kanzlerin Merkel und CSU-Parteichef Seehofer (Foto: Foto: Reuters)

Die Kanzlerin ist an ihrem 55. Geburtstag nicht etwa zu Hause, sie feiert nicht mit der Familie und auch nicht mit Freunden. Sie muss diesen Tag mit Parteifreunden verbringen. Damit dürfte zum Thema Vergnügen fast alles gesagt sein.

Die CSU hat an diesem 17. Juli zum Wahlparteitag nach Nürnberg geladen. Da käme es einem besonderen Affront gleich, wäre die Kanzlerin nicht gekommen.

Nicht, dass ihr in diesen Tagen nicht nach Absage gewesen wäre.

Die ganze Woche schon ist sie wieder und wieder in Bayern gewesen. Wieder und wieder musste sie mit Horst Seehofer vor die Kameras treten, musste gute Miene machen zum harschen Spiel der CSU in Sachen Europa. Absagen aber geht nicht. Gut siebzig Tage vor der Bundestagswahl ist Geschlossenheit für die Union unverzichtbar. Der 55.Geburtstag kommt und geht, aber der Wahlkampf wird noch elf Wochen bleiben.

Immerhin aber darf man sagen, dass sich Horst Seehofer was besonderes hat einfallen lassen. Er hat für seine Geschenke ein paar passende Zitate gesucht und ist bei Martin Luther fündig geworden.

Der nämlich habe einst über das schöne Bayern geschrieben, wenn er nur irgendwo anders hin müsse, würde er stets und immer wieder Bayern auswählen. Dort seien die Menschen "freundlich und gutwillig"'.

Schön klingt das, Seehofer und Merkel schauen sich für eine Sekunde in die Augen, schmunzeln und lächeln - und das nachfolgende Gelächter im Saal macht deutlich, dass es hier und heute einen Konflikt nicht mehr geben wird. Zum Schutz von beiden.

Stattdessen also gibt es einen großen Geschichtsband über Bayern und ein Langenscheidt-Lilliput-Wörterbuch Bairisch, begleitet von Seehofers Kommentar, er könne schon verstehen, dass "Du uns nicht jeden Tag verstehst".

Deshalb könne sie ab sofort der Gründe wegen in den beiden Werken nachlesen. Merkels Antwort kommt prompt und trocken: Sie freue sich, dass hier ausgerechnet Luther zitiert werde. Das zeige, dass auch Protestanten mal Recht haben könnten. Womit bewiesen wäre, dass sich beide in Sachen Schlagfertigkeit wenig schenken.

Ansonsten freilich bleiben beide in Nürnberg sehr friedlich. Zumal Seehofer Merkel mindestens an der Oberfläche schon die ganze Woche über die Freude machte, ihr Gesprächsbereitschaft und natürlich allergrößten Einigungswillen zu versprechen.

In Nürnberg gipfelt das in der Aussage, beim Kuschelfaktor seien er und Merkel "nicht zu übertreffen". In Prozenten könne das gar nicht mehr "gemessen werden".

Nun weiß man nicht, ob es schon im Vorfeld von Nürnberg eine Art Waffenstillstand zwischen beiden gegeben hat. Den Verdacht jedenfalls kann man haben beim Lauschen von Merkels Rede.

Kein Wort zum EU-Streit, kein Wort zum Steuerstreit. Stattdessen geht es mehr oder weniger bei jedem politischen Thema - und Merkel spricht von der Gentechnik über die Weltwirtschaftskrise bis zur Förderung des Ehrenamts viele an - um ein Thema: Zusammenhalt, Zusammenarbeit, Gemeinsamkeit.

Nur ein einziges Mal blitzt bei Merkel auf, dass sie sich geärgert hat über Seehofers Sticheleien. Gegen Ende ihrer Rede erinnert sie an Seehofers Zitat, die CSU habe wieder Biss. Merkels Kommentar: Beißt die Richtigen, dann wird alles gut. Der Beifall zeigt, es haben alle verstanden.

So wie selbst mancher von Seehofers eigenen Ministern derzeit merkt, wie sehr der Chef offiziell souverän, tatsächlich aber gehetzt wirkt - und doch nicht gebremst werden kann.

Ein prominentes Mitglied der Parteiführung vergleicht Seehofer mit einem Jongleur, der sich womöglich bald überfordert. "Er hat nicht die Ruhe, allemal Bälle aufzufangen, den Applaus zu genießen und durchzuatmen. Stattdessen wirft er noch einen Ball hoch - und niemand von uns weiß, wie lange das gut geht."

Auf dem Parteitag freilich geht alles weiter, und zwar wie immer. Seehofer verspricht, alles zu tun, damit Merkel nach dem 27. September Kanzlerin bleibe. "Sie ist die stärkste Persönlichkeit, die wir haben."

Doch bevor sich zu viel Wärme ausbreiten könnte, fügt er an, dass die CSU öfter mal unbequem sein müsse. Eines nämlich nehme er für seine Partei in Anspruch: "Wir lagen und liegen richtig."

Merkel übrigens war zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwesend.

© SZ vom 18./19.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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