CSU: Kritik an Seehofer:Der Kurs schlägt auf den Magen

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Horst Seehofer will den raschen Atomausstieg - dem Wirtschaftsflügel seiner Partei geht das zu schnell. Das wird für den CSU-Chef immer mehr ein Problem. Denn meist kommt der Protest an seiner Politik aus diesen Reihen.

Mike Szymanski

Es hat sich viel Wut aufgestaut, so viel sogar, dass den versammelten Unternehmern selbst die Freude am Frühstück vergeht. "Ich hoffe, Sie sind gestärkt", sagt Steuerfachanwalt Wolfgang Oswald, als die Brezn verteilt sind und er zu seinem Referat ansetzt. "Auf nüchternen Magen kann man das alles nicht mehr ertragen."

Immer wieder kommt Kritik an Seehofers Politik vom CSU-Wirtschaftsflügel - wie derzeit in der Debatte um den Atomausstieg. (Foto: dpa)

Oswald ist Steueranwalt im niederbayerischen Pfarrkirchen, 57 Jahre alt und die Hälfte seines Lebens schon Mitglied der CSU. An diesem Samstag spricht er vor etwa 30 Unternehmern, die auf Einladung der Mittelstandsunion Dingolfing-Landau zum Unternehmerfrühstück ins Verlagshaus des Dingolfinger Anzeigers gekommen sind. In Oswalds Beitrags ist kein wirklich gutes Argument zu hören, warum es lohnend sein könnte, sich in der CSU zu engagieren. Aber viele Argumente dagegen.

Über die verschiedenen Mehrwertsteuersätze sagt Oswald: "Das ist doch alles totaler Schwachsinn." Zu den Dienstwagenregelungen im Steuerrecht sagt er: "Die simpelsten Dinge begreift man nicht!" Im Steuerrecht geht ihm unter Schwarz-Gelb zu wenig voran, in der Atompolitik dagegen zu viel. Für den hastigen Ausstieg bis 2022 hat er kaum Verständnis. "Ich kenne genügend Leute, die würden wieder CSU wählen, wenn sie sich als Mittelständler dort wirklich zu Hause fühlen könnten."

Die Seehofer-CSU hat ein Problem mit ihrem Wirtschaftsflügel. Er begehrt auf, nicht mehr nur in Frühstücksrunden im tiefen Niederbayern. Wenn es in den vergangenen Monaten Protest an der Politik von Parteichef Horst Seehofer gab, dann hatte er nicht selten seinen Ursprung hier.

Es sind oft die gleichen Leute, die sich mahnend zu Wort melden. Ex-Parteichef Erwin Huber, der wirtschaftspolitische Sprecher seiner Partei im Landtag, warnte die CSU davor, zu grün zu werden. Hans Michelbach, der Bundestagsabgeordnete und Chef der CSU-Mittelstandsunion, beschwerte sich in internen Runden, dass Seehofer die Belange der Wirtschaft überhaupt nicht mehr auf dem Schirm habe. Das Verhältnis zwischen beiden gilt als gestört. Als sich die Bundestagsfraktionen mit dem Ausstieg aus der Atomkraft befassten, kamen die meisten Gegenstimmen innerhalb der Union aus der CSU. Sie stammen zum Teil aus der zweiten Reihe des politischen Personals - aber nicht nur.

Im CSU-Parteivorstand hatte sich auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, einer von Seehofers wichtigsten Männern, mit einer Enthaltung gegen den Ausstiegskurs gestellt. Fast alle Kritiker eint, dass sie sich der Wirtschaft verpflichtet fühlen. Die Wirtschaftspolitiker sind zur Opposition in der eigenen Partei geworden.

Die CSU war nie eine reine Wirtschaftspartei. Sie hatte genauso die kleinen Leute im Blick. Aber unter Ex-Parteichef Edmund Stoiber schmiegten sich die Unternehmer gerne an die CSU. Stoiber, der selbsternannte Manager der Bayern-AG, gab ihnen das Gefühl, ähnlich wie sie zu ticken. Es spricht für sich, dass die einflussreiche Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (VBW) Stoiber in diesem Jahr eine große Sause zum 70. Geburtstag spendieren will. "Mit dem Empfang wollen wir die Leistung von Edmund Stoiber für die Wirtschaft in Bayern würdigen", lässt VBW-Chef Bertram Brossardt wissen.

Mit Seehofer versucht sich der Verband zu arrangieren. "Wir finden bestimmt nicht alles gut, was Horst Seehofer macht, aber es besteht ein hohes Maß an Vertrauen und Wertschätzung", sagt Brossardt diplomatisch. Seehofer macht es der Wirtschaft nicht leicht, ihn zu mögen. Das begann schon damit, dass die CSU in München und Berlin das Wirtschaftsressort der FDP überlassen hat. Und im Moment betreibt Seehofer eher Feindbild- statt Freundschaftspflege.

Neulich, im Zuge der Atomkehrtwende, sagte er, die Energiewirtschaft erinnere ihn an die Zeit, als er sich als Bundesgesundheitsminister mit der Gesundheitswirtschaft habe streiten müssen. Wie in einem "Haifischbecken" habe er sich damals gefühlt. Wenn er auf die Schuldenkrise im Euroland angesprochen wird, warnt er vor "den Spekulanten", denen die Politik die Stirn bieten müsse.

Zur Zeit lässt Seehofer eher demonstrativ den Herz-Jesu-Sozialisten heraushängen. Der Atomausstieg in dieser Geschwindigkeit ärgert viele Unternehmer. Dass Seehofer beim Zuzug von Fachkräften so auf die Bremse drückt, ebenso. Anschmiegen wie bei Stoiber ist da nicht.

© SZ vom 15.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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