CSU in der Krise:Das schwarze Loch

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Die CSU hat sich noch als die Schutzpatronin Bayerns aufgespielt, hatte sich als Marke stilisiert, ihre Unverzichtbarkeit betont, als die Bürger längst fühlten: Es geht nicht so sehr um Inhalte, es geht um Machterhalt.

Annette Ramelsberger

Die CSU ist eine Partei, die sehr viel mit einem Dax-Konzern gemeinsam hat. Das Dekor von Trachtenanzug und Alpenglühen verdeckt ein wenig die brutale Härte dieser Partei, die sonst nur in Manageretagen zu finden ist: Sie hält den, der Stimmen garantiert. Und stößt den ab, der keinen Gewinn mehr verspricht - egal, ob seine Politik vernünftig war, egal, ob man sich ihm über Jahre hinweg verbunden fühlt.

Jetzt sollte sich die CSU hinter Horst Seehofer scharen. (Foto: Foto: dpa)

Ob das Produkt, das die Firma CSU anbietet, auch etwas taugt, ist ihr nicht so wichtig. Es ist ein Muster, das sehr lange sehr gut funktioniert hat. Es ist der Stil, den die CSU selbst jetzt nicht ablegen kann.

Keine Sympathien

Dieses rein technokratische Verständnis von Politik hat die CSU in den vergangenen Jahren die meisten Sympathien gekostet. Sie hatte sich selbst dann noch als die Schutzpatronin Bayerns aufgespielt, hatte sich als Marke stilisiert, ihre Unverzichtbarkeit betont, als die Bürger längst fühlten: Es geht nicht so sehr um Inhalte, es geht um Machterhalt. Die Arroganz der CSU, die sich für die Inkarnation Bayerns hält, hatte sich potenziert, als die CSU vor fünf Jahren die Zweidrittelmehrheit im Landtag erobert hat.

Jetzt, da es zu spät ist und die Wahlschlappe überdeutlich, sagt auch der Noch-Parteivorsitzende Erwin Huber, der diese Politik für den langjährigen CSU-Chef und Ministerpräsidenten Edmund Stoiber durchgepeitscht hat, die CSU sei zu überheblich, zu hochmütig gewesen. Er hat dazu nicht unwesentlich beigetragen. Erst als er selbst die Arroganz von Stoiber zu spüren bekam, begann er umzudenken.

Arroganz der Macht

Vor allem Günther Beckstein wollte die Wunden, die diese Arroganz der Macht geschlagen hatte, heilen. Er pflegte in seinen elf Monaten als Ministerpräsident einen anderen Regierungsstil: bescheiden, zugänglich, offen. Er gestand Fehler ein, korrigierte sich und auch die Entscheidungen von Stoiber. Allerdings eher nebenbei, geradezu leisetreterisch, damit sich nur ja Stoiber nicht angegriffen fühlen konnte, der Mann, den Beckstein gemeinsam mit Huber aus dem Amt gedrängt hatte.

Beckstein hatte richtige Ansätze, doch er hat nicht die richtige Performance geliefert. Das, was ihn noch als Innenminister ausgezeichnet hatte, seine Leidenschaft für die Sache, seine Authentizität, das wirkte nun bieder und brav. Eigentlich sagt schon seine Lieblingsredewendung alles: "Ich bitte um Nachsicht." Nachsicht kann ein Chef nicht erwarten.

Die CSU erwartet von ihren Vorleuten Führung und Glanz. Beides konnte Beckstein nicht bieten. Sein größtes Problem war, dass er nur als matter Abklatsch von Stoiber ankam. Das "Weiter so, nur netter", das Beckstein propagierte, war zu wenig. Und auch Glanz gab es nicht genug. Becksteins bescheidenes Glitzerpotential reichte vielleicht für den Veitshöchheimer Fasching, sonst aber nicht. Das, was der Franke Beckstein für normal hielt, galt vielen im Süden des Landes als protestantisch nüchtern. Sie empfanden ihn als wesensfremd.

Keine gute Performance

Nun geht die CSU genau in die andere Richtung. Sie holt sich Horst Seehofer, den Mann, der noch vor einem Jahr als zu egozentrisch galt, um zum Parteivorsitzenden gewählt zu werden. Seehofer verkörpert all das, was Beckstein und Huber nicht sind: telegen, charmant und zugleich berstend vor Machtwillen. Die CSU will nun die große Show und dazu den Star, der ihre Probleme überstrahlen soll.

Dabei macht sie schon wieder genau den gleichen Fehler wie unter Stoiber: Arrogant wird im Hinterzimmer ausgemauschelt, wer der nächste Parteichef werden soll. Wie selbstverständlich rufen weite Teile der CSU nun nach Seehofer auch noch als Ministerpräsidenten, obwohl dieser hier noch nicht einmal zur Wahl gestanden hat. Das ist nicht verboten, doch die Partei behandelt das Land noch immer so, als könnte sie allein entscheiden, wer es regiert. Dass Koalitionsverhandlungen anstehen, dass eine andere Partei den Ministerpräsidenten mitwählen muss, das tut für sie nichts zur Sache. Es geht ihr nur um die wirklich großen Dinge: die der CSU.

Die CSU liebt die schnellen Lösungen. Keine Fehlerdiskussion, nach vorne denken - eine Maxime, die schon andere große Parteien in den Abgrund gerissen hat. Dass ein Mann wie Seehofer auch Risiken für die Partei birgt, das wird jetzt weit weggeschoben. Dass sich diese Risiken potenzierten, wenn er sowohl CSU-Chef als auch Ministerpräsident würde, will man nicht sehen.

Und auch die Rolle, die Edmund Stoiber in alldem spielt, wird vermutlich sorgsam unter den Tisch gekehrt werden. Der Mann, der durch seinen Rückzug aus Berlin der Partei die größtmögliche Blamage zugefügt und den Abstieg der CSU mit seinem Größenwahn befördert hatte, stellte sich intern an die Spitze derer, die kurzen Prozess mit Huber und Beckstein forderten. Er suchte den Schulterschluss mit all denen, denen das Wort Bescheidenheit so fremd ist wie ihm selbst - seinem Rachedurst hat das genutzt. Doch seine Partei hat es ins Chaos gestürzt.

In der CSU stehen sich jetzt vier Kandidaten um das Amt des Regierungschefs gegenüber - unter ihnen auch der designierte Parteivorsitzende Seehofer. Sollte er sich jetzt nicht durchsetzen, ist er bereits vor seiner Wahl angeschlagen. Die CSU hat sich schon jetzt selbst geschwächt.

© SZ vom 2.10.2008/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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