Coburger Fleischskandal:Die Fettabschneider

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Das Gericht stellte den drei Angeklagten vor dem Coburger Landgericht Bewährungsstrafen in Aussicht, sollten sie ein Geständnis ablegen. (Foto: Frank Wunderatsch/dpa)
  • Der Prozess um den Fleischskandal am ehemaligen Coburger Schlachthof hat begonnen. Auf der Anklagebank sitzen ein Fleischhändler, der frühere Schlachthof-Chef und dessen Frau.
  • Stimmen die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, dann landeten 20 Tonnen Gammelfleisch auf den Tellern argloser Verbraucher.
  • Das Landgericht hat dem Hauptangeklagten eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt. Das Gericht sieht auch eine Verantwortung bei den Behörden.

Von Katja Auer, Coburg

Mit Ekelfleisch, das möchte der Mann zunächst klarstellen, habe er nie etwas zu tun gehabt. Schon gar nicht habe er solches als hochwertiges Fleisch verkauft. Dass seine Firma seit dem Juni 2013, als der städtische Schlachthof in Coburg mit einem Fleischskandal in die Schlagzeilen geriet, mit Gammelfleisch in Verbindung gebracht werde, sei "nicht gerecht". Unsauberkeiten räumt er ein, allerdings eher bürokratischer Natur, dadurch sei aber niemand gesundheitlich zu Schaden gekommen, ja nicht einmal wirtschaftlich.

Das sieht die Staatsanwaltschaft anders, die dem 54-jährigen Inhaber einer Fleischfirma Betrug in mehreren tausend Fällen vorwirft. Am Montag begann der Prozess vor dem Landgericht Coburg. Der Mann soll zwischen 2008 und 2013 insgesamt 20 Tonnen Rindfleisch verkauft haben, das zuvor als nicht für den Verzehr geeignet aussortiert worden war - kein Gammelfleisch, aber eben auch nicht jenes hochwertige Produkt, als das er es den arglosen Kunden angeboten habe.

Nicht nur Gastwirte und Metzger, auch fast 600 Landwirte soll der Mann betrogen haben, dessen Firma Hauptmieter im Coburger Schlachthof war. Die Bauern hätten zu wenig Geld für ihre Tiere bekommen, vermutet der Staatsanwalt, weil schon vor dem Wiegen zu viel Fett und Fleisch abgeschnitten worden sei, so dass das Schlachtgewicht herabgesetzt wurde.

Geschäfte mit Gammelfleisch
:Schlachthof-Gaunereien

Die Kontrolleure halten das Fleisch für ungeeignet für den menschlichen Verzehr - und trotzdem wird es weiter verhökert. Am Schlachthof in Coburg wird seit Jahren Gammelfleisch umetikettiert. Nach Zeugenaussagen und einem anonymen Brief ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Von Uwe Ritzer, Coburg

Staatsanwaltschaft beziffert den Schaden auf eine knappe Million Euro

Insgesamt beziffert die Staatsanwaltschaft den Schaden auf mehr als 930 000 Euro. Wegen Beihilfe zum Betrug sitzen am Montag vor dem Landgericht Coburg auch der frühere Leiter des Schlachthofs und seine Frau, die dort als amtliche Tierärztin arbeitete, mit auf der Anklagebank.

Das Gericht muss nun klären, ob es den Betrug im großen Stil tatsächlich gab, als dessen Folge immerhin die Stadt Coburg ihren Schlachthof im Sommer 2013 geschlossen hat. Oder ob doch nur geschlampt wurde im Coburger Schlachthof und das auch noch mit dem Wissen der staatlichen Aufsichtsbehörden. Dass die Kontrolleure, etwa vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und von der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, die Abläufe im Schlachthof nicht streng genug überprüft hätten, will das Gericht zugunsten der Angeklagten werten.

Es habe deswegen im Vorfeld Gespräche gegeben, sagt Richter Gerhard Amend. Er stellte dem Fleischhändler und dem früheren Schlachthof-Chef Bewährungsstrafen in Aussicht, wenn sie geständig seien. Die Tierärztin könne mit einer Geldstrafe rechnen. Ob es tatsächlich so kommen wird, stellt der Staatsanwalt im Laufe des Tages in Frage. Schließlich hätten die Angeklagten allenfalls ein "wachsweiches Geständnis" abgelegt.

Der Hauptangeklagte, der gelernter Metzger ist und den väterlichen Viehhandel übernahm und zu einem Betrieb mit 50 Millionen Euro Umsatz ausbaute, schildert vor Gericht ausführlich die Praxis im Coburger Schlachthof. So sei tatsächlich von manchen Tieren mehr weggeschnitten worden als üblich. "Diese Handhabung war nicht in Ordnung", sagt er, betrogen habe er allerdings niemanden. "Altgediente Viehhändler sind die letzten, die sich betrügen lassen", betont er. Die Lieferanten hätten jederzeit Zutritt zum Schlachthof gehabt und hätten zusehen können.

In Coburg seien die Tiere "falsch herum" abgezogen worden, erklärt er, weil so weniger Fett am Fell hängen bleibe und die Felle damit besser verkäuflich gewesen seien. Dementsprechend hätten die Tierkörper danach bearbeitet werden müssen. "Trimmen" heißt das im Fachjargon. Nur so habe er den Lieferanten einen sehr guten Preis bezahlen können, sagt er, ein Schaden sei aus seiner Sicht niemandem entstanden.

Auch nicht denen, die ausgelöste Rinderkeulen kauften, die Tierärzte zuvor als "vorläufig beschlagnahmt" markiert hatten, weil etwa Verletzungen daran erkennbar waren. Eigentlich hätten diese Fleischstücke gestempelt und entsprechend entsorgt werden müssen, in Coburg wurden nur rosa Zettelchen aufgeklebt. Eine Methode, die nicht mehr erlaubt ist. Das sei ihm nicht klar gewesen, sagt der Angeklagte. Das Fleisch, das doch noch weiterverarbeitet wurde, sei einwandfrei gewesen, sagt er. "Das Problem war allenfalls, dass es die Tierärzte nicht freigegeben hatten."

Hat der Schlachthof-Leiter den Fleischhändler vor Kontrollen gewarnt?

Auch der Schlachthof-Leiter und die Tierärztin bestätigen, dass die Zettelchen-Methode zwar "vielleicht nicht mehr zulässig" war, aber in Coburg so praktiziert wurde. Dass derart markierte Keulen trotzdem weiterverarbeitet wurden, wollen beide nicht gewusst haben.

Das bezweifelt der Staatsanwalt. Er wirft dem Schlachthof-Leiter vor, dass er das Gebaren des Fleischhändlers nicht nur geduldet, sondern ihn auch vor Kontrollen gewarnt habe. Immer wenn die staatlichen Veterinäre in den Betrieb kamen, hätten sie sich zuerst in seinem Büro melden müssen. In der Zwischenzeit soll er die Schlachter vorgewarnt habe, die dann wieder nur soviel Fett von den Tierkörpern abgetrennt hätten, wie es die sogenannte Schnittverordnung vorsehe. Der Schlachthof-Chef bestreitet das. Er habe lediglich konsequent darauf bestanden, dass Besucher nicht einfach durch den Betrieb spazierten.

Als die Stadt den Schlachthof zusperrte, gab auch der Angeklagte seine fleischverarbeitende Firma auf. Inzwischen hat er eine neue gegründet. Schlachten lässt er seine Tiere nun in Kulmbach. Dass viele seiner Kunden die selben sind wie vor dem Skandal, wertet er als Vertrauensbeweis.

Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 05.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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