Bundestagswahl 2017:Die neue Farbe im Rautenmuster

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Die AfD schockt die CSU, Grüne punkten in den Städten, die SPD verliert ihre traditionelle Kundschaft - ein Überblick über herausragende Wahlergebnisse

Die CSU bricht in ihrem Stammland ein

"Genial" - das seien "ja ostdeutsche Verhältnisse", jubiliert Corinna Miazga, das freue sie noch mehr als ihr eigener Einzug in den Bundestag. Die Vorsitzende der AfD in Straubing-Regen hat in ihrem Wahlkreis das bayernweit zweitbeste Ergebnis verbucht - 18,4 Prozent der Zweitstimmen. Sie selbst hatte sich auf Platz drei der Landesliste durchgesetzt, recht überraschend. "Mein Name ist Corinna Miazga, 33 Jahre alt, verheiratet, ein Schäferhund", hatte sie sich damals vorgestellt und zu ihren Erfolgen gezählt, dass sie mit einer Nachbarschaftsinitiative ein Asylbewerberheim in Straubing verhindert habe.

Das Wahlergebnis ist symptomatisch für Niederbayern: Es ist etwas ins Rutschen geraten in dem Landstrich, wo man meinte, das Kreuz bei der CSU gehöre zum Leben dazu wie das auf dem Kirchturm im Dorf. Im Wahlkreis Deggendorf sind es sogar 19,2 Prozent geworden für die Rechtspopulisten, in Rottal-Inn mehr als 15 Prozent. Da bekam der AfD-Bezirkschef Stephan Protschka, der über die Liste Abgeordneter wird, mit 15 Prozent der Erststimmen ein leicht besseres Resultat als SPD-Spitzenkandidat Florian Pronold. Und es gibt Orte wie Mauth und Haidmühle im Landkreis Freyung-Grafenau oder Prackenbach und Gotteszell im Kreis Regen - wo jeweils mehr als jeder Vierte für die AfD stimmte.

Illustration: Dennis Schmidt (Foto: N/A)

Die AfD hatte sich bayernweit als "die bessere CSU" inszeniert, vor allem thematisierte sie das Thema Flüchtlinge, konkret den Streit mit der CDU um eine Obergrenze: "Wer CSU wählt, bekommt Merkel". Das scheint in Niederbayern noch besser gefruchtet zu haben als im Freistaat insgesamt. Ein letzter Facebook-Wahlaufruf der Deggendorfer AfD lautete: "Macht die Bundestagswahl zur Volksabstimmung über Merkels Einwanderungspolitik." Landeschef Petr Bystron sagte am Wahlabend: Die Verluste der CSU sind "die Strafe für die Unterstützung der Merkel-Politik".

Als Protestwahl sieht das Ergebnis die bisherige Abgeordnete Gudrun Zollner (CSU) aus Wallersdorf bei Dingolfing, die über die Liste nicht mehr in den Bundestag kommt. Sie sagte der Passauer Neuen Presse: "Wir haben immer versucht, unsere Politik zu erklären. Manchmal hat das Erklären aber nicht mehr geholfen. Stattdessen ist da Protest. Viel Protest." Niederbayern sei "ein Einfallstor in der Flüchtlingskrise" gewesen und die "besorgte Stimmung von damals" sei vor ein paar Wochen wieder hochgekocht, sagt der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter. Die AfD habe das Thema an sich gerissen: Keine Obergrenze, Familiennachzug, Flüchtlinge, die in Italien warteten, um angeblich nach der Wahl zu kommen - "das hat die Leute veranlasst, ein Zeichen zu setzen", sagt Bernreiter, "ein Zeichen, das vor allem der Bundeskanzlerin galt". Die Wähler müsse "die CSU jetzt durch Glaubwürdigkeit zurückholen. Das sind ja nicht alles Rechtsradikale."

In Nürnberg- Langwasser wählen Spätaussiedler die AfD

Nein, besonders große Mühe habe sich die AfD nicht geben müssen im Nürnberger Stadtteil Langwasser, sagt der künftige Bundestagsabgeordnete Martin Sichert. Trotzdem hat es die Partei dort in Teilen des Quartiers sogar geschafft, CSU und SPD hinter sich zu lassen. Im Gebiet rund um die Giesbertstraße räumte die AfD 26,6 Prozent der Stimmen ab und schnitt damit mehr als fünf Prozentpunkte besser ab als die CSU. Auch in der Gegend um die Ratiborstraße heißt der Sieger in Langwasser: AfD. Und auch rund um den Platz, der auf den klingenden Namen "Heinrich Böll" getauft wurde, hat die AfD alle anderen abgehängt. Warum das so ist? Sichert muss da nicht lange überlegen: "Das ist die Masse von Migranten, die uns da unterstützt." Der AfD-Mann zählt auf: Russlanddeutsche, Polen, Tschechen. Sie alle hätten "Angst, dass unsere eigene Kultur gefährdet wird". Das war bei der Europawahl schon so ähnlich. Dass die AfD in Nürnberg-Langwasser nun sogar alle anderen abhängt, findet Sichert "erfreulich". Besonders überrascht aber ist er nicht.

Langwasser liegt im Südosten von Nürnberg und gilt als Prototyp einer Trabantenstadt. Nach dem Krieg schrieb die Stadt einen Architekturwettbewerb aus, um die 40 000 Einwohner unterzubringen. Die ersten Bewohner waren Flüchtlinge, später ließen sich dort viele Vertriebene nieder, vor allem aus Schlesien und dem Sudetenland. Heute leben dort viele russlanddeutsche Aussiedler. Schon im Januar 2016 haben sie von sich Reden gemacht, als sie auf dem Nürnberger Hauptmarkt "Gegen Gewalt in Deutschland" demonstrierten. Seither kümmert sich vor allem die AfD um ihre Stimmen. Marga Beckstein, die Ehefrau des früheren Ministerpräsidenten, lebt auch in Langwasser. Überrascht ist sie nicht. "Damit hatten wir schon gerechnet", sagt sie. Ihr Mann sieht das ähnlich: "Wir wussten, dass das ein großes Thema ist." Zumal es auch in Quartieren anderer Großstädte mit prekären Milieus vergleichbare Ergebnisse gibt. Der Bamberger Stadtteil Gereuth etwa ist zwar nicht so groß wie Langwasser. Dort aber hat die AfD mit 31,5 Prozent sogar noch mehr Stimmen abgeholt als im Südosten Nürnbergs.

Emmi Zeulner wird die neue Stimmenkönigin der CSU

Die CSU-Abgeordnete Emmi Zeulner aus dem Wahlkreis Kulmbach hat am Sonntag bewiesen, dass man sich innerhalb einer Legislaturperiode von der Verlegenheitslösung zur Stimmenkönigin entwickeln kann. Bei der konstituierenden Sitzung des Bundestags vor vier Jahren war die Nachfolgerin von Karl-Theodor zu Guttenberg mit 26 Jahren noch die jüngste Abgeordnete im Saal. Nun verteidigte sie ihr Direktmandat mit 55,4 Prozent der Stimmen - dem höchsten bayerische Wert. Sie zog damit an Stephan Mayer vorbei, der das CSU-interne Ranking 2013 angeführt hatte. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion kam im Wahlkreis Altötting nur noch auf 54,5 statt 65,7 Prozent. Trotzdem ist er einer der wenigen, die sich über eine Fünf an vorderster Stelle freuen können. Außer ihm haben das nur Dorothee Bär (51,1 Prozent, Bad Kissingen), Gerhard Müller (50,4 Prozent, Oberallgäu) und Peter Ramsauer (50,3 Prozent, Traunstein) geschafft - aber auch sie haben im Vergleich zu 2013 deutlich eingebüßt. Verluste um die zehn Prozentpunkte sind keine Seltenheit. Verkehrsminister Alexander Dobrindt etwa musste in Weilheim ein Minus von 9,5 Prozentpunkte hinnehmen und kam nur noch auf 47,9 Prozent, Landwirtschaftsminister Christian Schmidt stürzte im Wahlkreis Fürth um 9,3 Prozentpunkte auf 39,9 Prozent ab. Bei CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer wurden in Passau 12,2 Prozentpunkte weniger gezählt als 2013.

Emmi Zeulner allerdings konnte sich diesem Trend entgegenstellen, ihr Ergebnis hat sich nur marginal verschlechtert, nämlich um 1,5 Prozentpunkte. In ihrem Wahlkreis wird dafür als Grund genannt, dass sich Zeulner sehr für die Belange in der Region einsetze, oft präsent und immer ansprechbar sei. Dass sich die junge Frau 2013 bei der Aufstellungsversammlung gegen zwei Männer durchsetzen konnte - einer davon der langjährige Büroleiter von Karl-Theodor zu Guttenberg - war für viele eine Überraschung.

Ein Politik-Neuling war Zeulner übrigens nicht: Schon seit 2008 gehört sie dem Stadtrat von Lichtenfels und dem Kreistag an. Als Gastwirtstochter kann sie gut mit Leuten. Dabei repräsentiert sie ein für CSU-Verhältnisse modernes Frauenbild, das Familie und Beruf vereinbart: Ende 2016 hat sie mit ihrem Partner, dem CSU-Landtagsabgeordneten Jürgen Baumgärtner, eine Tochter bekommen.

Die SPD verliert ihre letzten Hochburgen

Wenn die SPD außerhalb Münchens irgendwo in Bayern erfolgreich war, dann in Nürnberg: Großstadt und seit 15 Jahren von dem Sozialdemokraten Ulrich Maly regiert. Wer als SPD-Mitglied in Bayern eine Auffrischung des Selbstbewusstseins brauchte, blickte also nach Nürnberg - bis jetzt. In keinem Wahlkreis hat die SPD so viele Zweitstimmen verloren wie in Nürnberg Nord. Mit 18,2 Prozent holte sie 8,6 Prozent weniger als 2013. In Nürnberg Süd verbuchte sie mit 21 Prozent Zweitstimmen ein Minus von 7,5 Prozent. Es sind zwar immer noch Ergebnisse, von denen die SPD in anderen Teilen Bayerns nur träumen kann, aber auch besonders hohe Verluste. "Rein mathematisch brauchen Sie eine Hochburg, um überhaupt viel verlieren zu können", sagt Maly, der nicht nur OB, sondern auch Volkswirt ist. Die SPD sei in Nürnberg, Fürth, Coburg und München immer noch am erfolgreichsten, nur eben auf niedrigerem Niveau. Maly erklärt sich das so: Die Wähler der SPD leben in Nürnberg in kleinbürgerlichen Vierteln, keine Glasscherbenviertel, aber doch sozial prekäre Quartiere wie Röthenbach oder Reichelsdorf. Dass die SPD ausgerechnet hier stark verloren habe, liege daran, dass die klassischen Hochburgen der SPD von der sozialen Struktur auch empfänglich seien für AfD und Linke.

Es seien Viertel, wo die Angst hinter der Tür sitzt, sagt Maly. Man kann sie von außen nicht sehen, aber sie ist da. Es sind Wähler, die sich verlassen fühlen von der Politik und ungerecht behandelt, vermutet Maly. Die eigentlich auf "mehr Zeit für Gerechtigkeit" der SPD anspringen müssten. Dass sie es nicht getan haben, sondern wohl die Linke und die AfD gewählt haben, sei das größte Problem seiner Partei, sagt Maly. "Die SPD muss jetzt die Kunst vollbringen, AfD-Wähler zu umgarnen, ihre Vertreter in den Parlamenten aber auf Abstand halten." Gar nicht so einfach. Vor allem, wenn manch einer, der AfD wählt, gar nicht mehr mit einem reden will, wie es Martin Burkert erlebt hat, SPD-Landesgruppen-Chef und Kandidat in Nürnberg Süd. Burkert ist einer, der auf jede Kirchweih geht und alle Hände schüttelt. Diesmal aber erlebte er, wie sich Leute abwandten und sagten: "Ihr braucht mal richtig Dampf unterm Kessel in Berlin." An den Infoständen merkte er: "Die Sorgen rund um die Zuwanderung haben die Debatte um soziale Gerechtigkeit überlagert."

Ähnlich sieht das Thomas Jung, OB von Fürth, das bis jetzt auch als SPD-Hochburg galt und wo die Sozialdemokraten 6,4 Prozent verloren - nach Jungs Analyse an die Linke in der Innenstadt und an die AfD, vor allem in Vierteln, wo es viel sozialen Wohnungsbau gebe. "Flüchtlingsergebnisse", nennt es Jung. Die Leute glaubten nicht mehr an "sozialromantische Flüchtlingskrisenvorstellungen". Vielmehr seien sie überzeugt, was für Flüchtlinge ausgegeben werde, fehle bei ihnen. Diese Sorgen ernst zu nehmen, das habe die SPD nicht geschafft. "Mehr Gerechtigkeit" sei vielen zu floskelhaft gewesen. Carsten Träger, Chef der Mittelfranken-SPD und erfolgloser Kandidat in Fürth, fasst es so zusammen: "Wer unzufrieden war, hat AfD gewählt, wer zufrieden war Union. Die SPD wurde dazwischen zerrieben."

Null Prozent auf der Fraueninsel

Um ein Haar wäre in der Gemeinde Chiemsee alles noch viel einfacher geworden. Das Auszählen dauert bei 232 Einwohnern und 163 Wahlberechtigten auf der Frauen- und der Herreninsel sowieso nicht besonders lang, sodass schon eine halbe Stunde nach Schließung des Wahllokals ein Ergebnis vorlag, wenn auch zunächst noch ohne Briefwahl. Und wenn jetzt auch noch drei Bürger weniger gewählt hätten, dann hätte es zum Prozentrechnen nicht einmal einen Taschenrechner gebraucht. So aber, bei 103 abgegebenen Zweitstimmen, hat es die CSU mit ihren 58 Stimmen auf 56,31 Prozent gebracht, die AfD mit 13 Stimmen auf 12,62 Prozent und die SPD mit elf Stimmen auf 10,68 Prozent. Ganz leicht ging die Rechnung wieder bei der Linken, bei der ÖDP, den Piraten und bei den Sonstigen: Null Stimmen machen genau null Prozent.

Konrad Dippel gegen den Rest der Welt

Noch nie hat es ein parteiloser Einzelbewerber ohne Unterstützung einer Partei geschafft, in den Bundestag einzuziehen. Aber jedes Mal wieder gibt es mehrere Kandidaten, die es versuchen. Einer von ihnen ist Konrad Dippel, Jahrgang 1971, aus der Gemeinde Trabitz im Oberpfälzer Landkreis Neustadt an der Waldnaab. Dass seine Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt sein würden, war Dippel klar. Schließlich hat er bereits drei Versuche hinter sich. Doch der Mann ist nicht durchgeknallt, er hat eine Botschaft: Er will darauf hinweisen, dass der Weg in den Bundestag für Parteifreie grundsätzlich offen ist. Nachdem Dippel 2009 erfolgreichster Einzelbewerber war und 2013 immerhin die Nummer zwei, war das Ergebnis auch diesmal respektabel. Fast 12 000 Menschen wählten den Geschäftsführer eines Holzwerks, der im Nebenerwerb einen Biobauernhof betreibt. Er kam auf 9,3 Prozent der Erststimmen und wurde "drittstärkste Kraft" bei den Direktkandidaten. Um Einzelbewerber zu werden, muss man 200 Unterschriften einreichen.

Die Grünen sind die Partei der Uni-Städte

Jung, urban, bewusst konsumierend und auf die Balance zwischen Work und Life bedacht, so sollen die typischen Grünen-Wähler sein. Diese Thesen der Wahlforscher scheinen mindestens grob zu stimmen, denn die höchsten Ergebnisse für die Landesliste der Grünen in Bayern brachten die großen Universitätsstädte ein. Die Wahlkreise in Würzburg, Augsburg oder Nürnberg und Erlangen kamen nach München (bis zu 18,5 Prozent) auf die höchsten Stimmenanteile in Bayern. Überall gewann die Partei im Vergleich zu 2013 deutlich dazu und liegt über dem bayernweiten Schnitt von 9,8 Prozent der Stimmen. Der Nürnberger Norden ist mit 15,1 Prozent der Zweitstimmen Spitzenreiter der großen Städte. Direktkandidatin Britta Walthelm brachte das allerdings wenig, ihr Listenplatz 22 reicht nicht für Berlin. Mit Ausgleichsmandaten kommen die bayerischen Grünen auf elf Sitze im Parlament.

Deutlich zeigt sich die Wähler-Milieu-These im Vergleich zu Nürnberg-Süd. Dort, im traditionell eher von sozial schwächeren Familien und Migranten bewohnten Teil der Stadt, wählten 9,3 Prozent grün. Das zweithöchste Ergebnis der Unistädte erreichten die Grünen mit 16,2 Prozent der Stimmen in Erlangen, dem Hauptsitz der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Noch einmal 0,4 Prozentpunkte mehr und damit den Spitzenwert bekamen sie in Würzburg. Martin Heilig konnte mit 18,3 Prozent der Erststimmen zwei Prozent mehr Bürger von sich selbst als von der Landesliste überzeugen. Heilig, Listenplatz 20, zieht im Beliebtheitsvergleich damit sogar deutlich an der SPD und an Grünen Spitzenkandidatin Claudia Roth vorbei. Roth kommt in Augsburg-Stadt auf 13,9 Prozent der Erst- und 12,4 Prozent der Zweitstimmen. In Regensburg bekamen die Grünen 14,6 Prozent der Stimmen. Der Universitätsstadt-Faktor schwächt sich etwas ab, je kleiner die Stadt ist: In Passau mit seinen 50 560 Einwohnern kommen die Grünen auf 10,9 Prozent.

In Bayreuth mit 72 150 Einwohnern auf 11,1 Prozent. Die Niederbayern wollten erst nicht wählen gehen, jetzt haben sie sich aufgerafft, und Niederbayern hat plötzlich den höchsten Anstieg der Stimmen für die AfD. Die ganze Zeit redeten alle vom langweiligen Wahlkampf, und dann gehen doch so viele wählen. Bayern liegt mit einer Wahlbeteiligung von 78,2 Prozent über dem Bundesdurchschnitt (76,7 Prozent). Am höchsten ist der Anstieg in Niederbayern. Dort, im tiefschwarzen CSU-Land, wo sonst nur um die 60 Prozent wählten, rafften sich am Sonntag dann doch 74,7 Prozent auf.

In früheren Jahren blieben viele Konservative wohl zu Hause, weil die starke CSU ihre kleine Stimme nicht auch noch brauchte. So vermutet es jedenfalls Ulrich Sieberer, Professor für Politikwissenschaft aus Bamberg. Jetzt aber scheint dort ein großer Teil unzufrieden gewesen zu sein mit der CSU, sagt Sieberer. Und Unzufriedenheit motiviert zum Wählen. Für wen sich all die vormaligen Nichtwähler in Niederbayern entschieden haben, das kann kein Wissenschaftler ohne genaue Analysen mit Sicherheit sagen. Sieberer hat aber eine Vermutung: Sie haben die AfD gewählt.

Dafür spricht etwa, dass die AfD in keinem Regierungsbezirk so einen starken Anstieg verbuchte wie in Niederbayern, und zwar um 12,9 Prozentpunkte auf 16,7 Prozent. "Es ist aus Untersuchungen bekannt, dass die AfD vor allem bei Nichtwählern und der Union gewonnen hat", sagt Sieberer. Dass die CSU für viele Menschen nicht mehr wählbar war, kann er durchaus verstehen: Einmal strikt gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin, dann wieder mit ihr vereint, dann wieder rechts geblinkt. "Das ist keine glaubwürdige Strategie", sagt Sieberer.

Sich um die Nichtwähler zu kümmern, das habe die Politik jahrelang verschlafen, sagt Roland Sturm, Professor für Politikwissenschaft aus Erlangen. Die wählen nicht, dann sind sie nicht wichtig, so habe lange Zeit die Devise gelautet.

Dass die Nichtwähler eben doch wichtig sind, das kann man nun wohl in Niederbayern beobachten.

© SZ vom 26.09.2017 / angu, henz, kpf, nell, ojo, prz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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