Brandbrief:Weniger Konzepte, mehr Taten

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Bayerische Bürgermeister fordern von der Staatsregierung mehr Unterstützung im Kampf gegen Rechtsradikale. Statt nur auf Polizei und Verfassungsschutz zu setzen, müsse die Zivilgesellschaft gestärkt werden

Von Katja Auer, Nürnberg

Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) ist richtig stolz auf seine Fürther. Immer noch. Weil im vergangenen Jahr so viele Leute tagelang in der Fußgängerzone standen und die Bürger aufklärten, dass sich hinter der scheinbar harmlosen "Bürgerinitiative Soziales Fürth" Rechtsextreme verbargen, bekamen die nicht genug Unterschriften zusammen, um für den Stadtrat zu kandidieren. "Das war kein staatlicher Erfolg, kein städtischer Erfolg, sondern der Erfolg aktiver Bürger", sagt Jung. Und genau dieses Engagement gegen Rechtsextremismus werde in Bayern noch zu wenig gewürdigt und gefördert. Deswegen hat Jung zusammen mit acht anderen Oberbürgermeistern an die Staatsregierung appelliert, ihr Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus zu überdenken. In einer Stellungnahme fordern die Rathauschefs, nicht nur auf Polizei und Verfassungsschutz zu setzen.

"Wir vermissen im aktuellen Konzept der bayerischen Staatsregierung beispielsweise die Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus, den verschiedenen Spielarten des Rassismus und des Antisemitismus sowie mit konkreten Szenen, beispielsweise den extrem rechten Burschenschaften und den rechtsaffinen Fan-Szenen", heißt es in dem Schreiben, das die Oberbürgermeister von München, Nürnberg, Fürth, Erlangen, Bamberg, Hof, Regensburg und Augsburg und der Bürgermeister von Wunsiedel unterzeichnet haben. Drei davon gehören der CSU an.

Notwendig seien mehr Maßnahmen der jeweils zuständigen Ministerien, die aber mit den Aktivitäten harmonieren müssten, die es in den Städten bereits gebe.

2009 hat das Kabinett ein Konzept gegen Rechtsextremismus beschlossen, das immer wieder kritisiert wurde, weil es das Engagement von Bürgern zu wenig in den Fokus nehme. Im vergangenen Jahr schon schrieben Vertreter von Gewerkschaften, Kirchen und Kommunen an die Staatsregierung und forderten mehr Anerkennung und Respekt für zivilgesellschaftliches Engagement. Als die Staatsregierung nun Stellungnahmen einholte, um ihr Konzept fortzuschreiben, wurden Kirchen und Gewerkschaften nicht gefragt, was manchen irritierte. Die Grünen-Abgeordnete Katharina Schulze stellte deswegen eine Anfrage an das Innenministerium. Man sei "in einem fortlaufenden Kommunikationsprozess", heißt es in der Antwort des Staatssekretärs.

Auch Fürths Oberbürgermeister Jung wünscht sich mehr Anerkennung für die engagierten Bürger. "Diese Gruppen fühlen sich schnell kriminalisiert", sagt er. Die Polizei gehe oft "sehr penibel" bei Aktionen vor. In ihrem Schreiben wünschen sich die Rathauschefs die "respektvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe", aber auch mehr Geld. "Bayern gehört leider zu den Bundesländern, die die geringsten Eigenmittel zur Förderung der Zivilgesellschaft in diesem Bereich bereitstellen", heißt es da. Rechtsextreme Ansichten seien bis weit in die Mitte der Gesellschaft verbreitet, sagt Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik (SPD), das zeige auch die "Mitte-Studie" der Universität Leipzig, die in dem Schreiben zitiert wird. Demnach ist ein Drittel der bayerischen Bevölkerung ausländerfeindlich. 12,6 Prozent sei antisemitisch, das ist ein bundesweiter Höchstwert. Deswegen müsse genau dort, also in der Mitte der Gesellschaft angesetzt werden, sagt Janik. Das Konzept der Staatsregierung habe allerdings einen ausschließenden Fokus. "Es ist überhaupt nicht ausreichend, wie man sich dem Thema nähert."

Im Innenministerium indes ist die Stellungnahme bislang offenbar nicht angekommen. Bis Anfang August würden die Rückmeldungen gesammelt und in die "Fortentwicklung der bestehenden Bekämpfungsansätze gegen Rechtsextremismus" einfließen, sagt ein Sprecher. Außerdem sei das Ministerium Gründungsmitglied des "Bayerischen Bündnisses für Toleranz, Demokratie und Menschenwürde schützen" und pflege so einen regen Austausch mit den anderen Mitgliedern.

© SZ vom 24.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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