Blattmacher:Ausgezeichneter Mut

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Die Reporterkids der Grund- und Oberschule Schenkenland im Spreewald freuen sich über den ersten Preis im Schülerzeitungswettbewerb. (Foto: Anett Rudolph/oh)

Waffenhandel und Umweltschutz: Im bundesweiten Schülerzeitungswettbewerb setzen sich Blätter durch, die unbequeme und kritische Themen aufgreifen

Von Anna Günther, Hamburg/Groß Köris

Wieso die 68. Ausgabe des Osscar den höchsten Preis gewonnen hat, den die Schülerzeitungsredaktion des Hamburger Carl-von-Ossietzky-Gymnasiums jemals bekam, weiß Dieter Lojewsky auch nicht so genau. "Vielleicht, weil Bayern heuer etwas schwächer war?", sagt er und lacht prompt beschwichtigend. 2015 kamen in der Kategorie Gymnasien Schülerzeitungen aus Hamburg, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg aufs Treppchen. Ähnlich ist es bei den anderen Schularten, ein Anlass, mal über die bayerischen Landesgrenzen hinwegzuschauen: Landesweit hat der Osscar in 23 Jahren und bei 13 Wettbewerben einige Preise abgeräumt. Bundesweit ist das der erste Sieg. Offenbar sah die Fachjury aus Journalisten, Ministerien und Schulen Ende Februar im Potsdamer Landtag diesmal etwas ganz Besonderes in dem Heft.

Die Redaktion der Schülerzeitung setzte sich gegen 1900 Einsendungen aus ganz Deutschland durch und gewann in der Kategorie Gymnasium. Aber was ist nun anders an diesem 68. Osscar? Was die Jury denkt, werden die Hamburger erst bei der Siegerehrung am 6. Juni im Bundesrat erfahren. Dann zeichnet Bundesratspräsident, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, die jungen Journalisten aus. Aber eins fällt sofort auf: Das Titelthema des 68. Osscar ist knallhart und ungewöhnlich für eine Schülerzeitung: Waffenhandel. "Das Tor zum Tod - Hamburg als Waffenexporteur" prangt auf der ersten Seite. In weißen Lettern, abgesetzt vom dunklen Bronze der Munition. Das Thema sei vom Wahlkurs Amnesty vorgeschlagen worden, sagt Lojewsky, der vor 23 Jahren den Osscar mitgründete. Neben der Berichterstattung über die Demonstration des Amnesty-Kurses gegen Waffenhandel schlüsseln die Schüler auf, was Waffenhandel ist, wie er sich vom Rüstungshandel unterscheidet und welche Rolle ihre Heimat Hamburg als Umschlagsplatz in Deutschland und Europa dabei spielt.

Auch die Redaktion unterscheidet sich von vielen Schülerzeitungen: Am Ossietzky-Gymnasium ist die Zeitung eines der Wahlpflichtfächer. Die Pädagogen haben einen Lehrplan geschrieben, die Schüler der Mittel- und Oberstufe bekommen Noten. Jeden Freitagnachmittag treffen sich bis zu 45 Schüler zur Redaktionssitzung. "Die Lütten sollen von den Großen lernen, das ist uns wichtig", sagt Lojewsky. Drei Ausgaben erscheinen jedes Schuljahr. Inhalt des Lehrplans ist neben Schreibarbeit und Design die Themenfindung, Präsentation und wie die Schüler ihr Thema durchboxen. Die sechs Mitglieder der Chefredaktion entscheiden alles, sagt Lojewsky, die Lehrer geben nur Tipps. Das Konzept des benoteten Kurses bringe Kontinuität. "Aber dass sie etwas Außergewöhnliches machen und dafür benotet werden, erhöht die Motivation vielleicht", sagt Lojewsky.

Redaktion als Unterricht könnte ein Geheimnis der Bundessieger sein. Die Gewinner der Kategorie Grundschule, die Reporterkids der Grund- und Oberschule Schenkenland im Spreewald, betreuen zwei Mütter im Rahmen der Ganztagsschule. Den Inhalt jeder Ausgabe erfährt Schulleiter Hans-Joachim Reiner erst, wenn er die Reporterkids liest. "Niemand greift ein, die Kinder machen das ganz alleine", beteuert Anett Rudolph, die mit Christiane Weise vor drei Jahren die Zeitung gründete.

Jeden Mittwochnachmittag trifft sich die Redaktion, schon mit der zweiten Ausgabe gewannen die Reporterkids Preise, holten Silber im Bundeswettbewerb. Entsprechend stolz sind die Betreuerinnen. "Die sind im Arbeitsfieber, das ist so niedlich", sagt Anett Rudolph. Das zeigt allein der Umfang: Das erste Blatt hatte acht Seiten, das aktuelle 72. Die Kleinen organisierten sich selbständig, egal, ob es um Themenfindung, Interviews, Fotoreportagen oder Exkursionen gehe. Sie gebe nur Tipps, helfe am PC und lese Korrektur, sagt Rudolph. Zwölf Grundschüler bilden die Redaktion, die Plätze sind begehrt. Erst wenn die älteren die Schule verlassen, werden neue Reporter aufgenommen.

Im Siegerheft befassen sich die Schüler mit Umweltschutz. Das Cover erinnert mit zwei orangefarbenen Fischen an den Zeichentrickfilm "Findet Nemo", im Heft dokumentieren sie Müll an Wald und Seen und überlegen, wie lange es dauert, bis Unrat verrottet, oder besuchen das Orang-Utan-Junge im Berliner Zoo und besprechen anhand dessen den schrumpfenden Lebensraum der Affen im Regenwald. Die Kinder fühlen sich wie richtige Journalisten, erzählt Rudolph. Ihre Tochter sei einmal gefragt worden, was sie werden will, und die Antwort lautete: "Zahnärztin, Reporterin bin ich ja schon."

Damit bayerische Schülerzeitungen 2016 die anderen Bundesländer wieder auf ihre Plätze weisen, sucht die SZ mit dem Ministerium und der Hypovereinsbank wieder kreative Nachwuchsredaktionen. Mitmachen können Schülerzeitungen an Grund-, Mittel- und Förderschulen, Realschulen, Gymnasien und beruflichen Schulen in Bayern. Die Zeitung muss im Schuljahr 2015/2016 erschienen sein. Es werden pro Schulart drei ausgezeichnet, die Gewinner erhalten je 500 Euro (1. Preis), 300 Euro (2. Preis) und 200 Euro (3. Preis), außerdem bekommt jede teilnehmende Schule ein SZ-Abo für drei Monate. Bewerber schicken fünf Originale einer Ausgabe und den Teilnahmebogen (Download und weitere Infos unter www.sz.de/blattmacher) an die Süddeutsche Zeitung, Bayernredaktion, Hultschiner Straße 8, 81677 München. Einsendeschluss ist der 3. Juni 2016, entscheidend ist das Datum des Poststempels.

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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