Bewegtes Leben:Meister der Skulpturen

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Dem Bildhauer Edwin Scharff hat Neu-Ulm ein Museum gewidmet

Von Dietrich Mittler, Neu-Ulm

Als Edwin Scharff im März 1887 in Neu-Ulm geboren wird, da leben die Bürger der jungen Stadt noch inmitten der Festungsmauern. Die Militär-Garnison prägt das öffentliche Leben, doch der Bub mit den eindringlichen Augen hat ganz anderes im Blick. Nahe des streng katholisch geprägten Elternhauses, in den Stallungen der legendären bayerischen Cheveauxlegers (Leichte Reiterei), macht er Skizzen von Pferden. Schon da zeigt sich sein Talent. Scharff drängt es früh aus der Enge der Stadt, die sich nur allmählich aus der Umklammerung der Festungsmauern befreit. Mit Unterstützung seiner weltoffenen Mutter kann der 15-Jährige dann 1902 sein Kunststudium in München beginnen.

Noch ahnt Edwin Scharff nicht, dass aus ihm ein bedeutender Bildhauer wird. Seine Leidenschaft gehört der Malerei. 1907 wird ihm ein Reisestipendium in Höhe von mehr als 2000 Goldmark verliehen - eine Summe, die dem aus bescheidenen Verhältnissen stammenden Scharff wie ein Vermögen vorgekommen sein muss. Seine Studienreise führt ihn nach Frankreich, Spanien und Italien. In Paris kommt er mit den Werken moderner Maler wie Matisse und Cézanne in Berührung, doch Florenz hat ihm die Augen für die grandiosen Bildhauer der Renaissance geöffnet.

Von 1912 an entstehen aus seiner Hand vermehrt Skulpturen. Später schafft Scharff auch viele Bronzeporträts. Eines seiner frühesten hat einen tragischen Hintergrund - es verewigt seinen 1914 in Frankreich gefallenen Bruder Alfred. Edwin Scharff wird als Soldat selbst schwer verwundet. In den Wirren der Nachkriegsjahre ist er während der Münchner Räterepublik im Künstlerrat aktiv. Dieses Engagement holt ihn, mittlerweile stellvertretender Präsident des Deutschen Künstlerbundes, in der NS-Zeit ein. Angesichts des auf Scharff und seine jüdische Ehefrau (die Schauspielerin Helene Ritscher) ausgeübten Drucks tritt er der NSDAP bei, was ihn aber letztlich nicht verschont. Er verliert seine Berliner Professur, wird nach Düsseldorf zwangsversetzt, erhält schließlich Arbeitsverbot. 1937 werden Werke von ihm in der Ausstellung "Entartete Kunst" dem Hohn ausgesetzt. Mehrmals wird die Familie während des Krieges ausgebombt, und kurz vor der deutschen Kapitulation vernichtet ein SS-Trupp in seinem Atelier viele der Gipsmodelle, die Scharff trotz seines Arbeitsverbots heimlich geschaffen hatte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kommt Edwin Scharff in Hamburg als Professor wieder zu Ehren. Bis heute erinnert seine hohe Bronzeplastik "Drei Männer im Boot" an der Hamburger Außenalster an diese Zeit. Scharff - 1955 gestorben - war ein Künstler, der mit seiner Arbeit rang, wie er in einem Brief festhielt. Seine Heimatstadt Neu-Ulm hat ihm am Petrusplatz ein Museum gewidmet, und zwar ein ganz besonderes: Im angegliederten Kindermuseum können die kleinen Besucher und ihre Familien selbst forschend und gestaltend aktiv werden.

© SZ vom 05.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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