Bergen:Elektro-Land

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Projekt zeigt, dass E-Mobilität außerhalb der Städte funktioniert

Von Christian Sebald, Bergen

Weicher oberbayerischer Dialekt, Trachtenjanker und kariertes Hemd: Stefan Schneider ist ein Landbürgermeister wie aus dem Bilderbuch. Auch Bergen im Chiemgau im Landkreis Traunstein, das Schneider regiert, ist eine Bilderbuch-Gemeinde: knapp 6000 Einwohner, die sich auf 33 Dörfer und Weiler verteilen, viele Bauernhöfe, das Bergener Moos mit seinen seltenen Blumen und Schmetterlingen, der Chiemsee, der ganz in der Nähe liegt, und als Hausberg der Hochfelln. Aber nicht nur das macht Bergen zu einem besonderen Ort. Die Gemeinde ist eine von zwölf in Oberbayern, die testen, ob Elektroautos auch für den täglichen Einsatz in ländlichen Gemeinden taugen. Das Fazit von Bürgermeister Schneider nach zwei Jahren: Sie taugen dazu und zwar unbedingt.

Nach wie vor gibt es viele Vorbehalte gegenüber Elektroautos, gerade wenn es um den Alltagsverkehr auf dem Land geht. "Zu teuer, viel zu geringe Reichenweiten, keine Ladesäulen", zählte Schneider jetzt auf einer Tagung an der Schule für Dorf- und Landentwicklung im schwäbischen Thierhaupten auf. Bei den Ladesäulen setzt die Initiative "Landmobile" an. In jeder der zwölf Projektgemeinden wurde eine errichtet. Die Region, die so mit Stationen versorgt wurde, umfasst praktisch den gesamten Chiemgau. Im Westen reicht sie sogar bis nach Weyarn und Feldkirchen-Westerham, im Norden bis Albaching bei Haag in Oberbayern. "Die zwölf Ladestationen, die wir jetzt haben, reichen für unserer Region völlig aus", sagt Schneider. "Bei uns muss kein E-Autofahrer befürchten, dass er nicht weiterkommt, weil ihm der Saft ausgegangen ist."

Schritt zwei des Projekts waren Flottentests: In den Sommermonaten 2016 und 2017 konnte die Bevölkerung in den Modellgemeinden allerlei Elektro-Autos testen - von BMW, Peugeot und anderen Herstellern. "Das ist mindestens genauso wichtig wie die Ladestationen", sagt Schneider. "Die Leute müssen sehen, dass E-Mobilität kein Hirngespinst ist, sondern in ihren Alltag reinpasst."

Das tut sie, behauptet zumindest Schneider, und zwar praktisch in jede Lebenssituation. "Egal ob das der Bäcker ist, der seinen Semmeln und Brot ausliefert, und damit Strecken von vielleicht 50 Kilometern am Tag zurücklegt. Oder der Pendler, der jeden Tag 20 Kilometer zwischen seiner Wohnung und seinem Arbeitsplatz hin und herfährt. Aber auch für die Mutter, die ein Auto zum Einkaufen braucht oder ihre Kinder zum Fußballspielen fahren muss." Auf dem Land ist das Elektro-Auto sogar die Mobilitätsperspektive schlechthin, sagt Schneider. Die vielen zustimmenden Einträge auf der Homepage des Projekts ( www.landmobile.de) geben ihm recht.

Aber nicht nur das Elektro-Auto ist die Zukunftsperspektive. Sondern auch das Pedelec - das Fahrrad mit Elektro-Hilfsmotor also. "Es eignet sich besonders für die vielen kurzen innerörtlichen Wege", sagt Schneider. "Und natürlich für ältere Leute." Auch da weiß Schneider genau, wovon er spricht. Schließlich haben die Bergener im Rahmen von Landmobile auch eine ganze Reihe von Pedelecs getestet. Die Zustimmung war ebenfalls immens, zumal so ein Pedelec viel einfacher handzuhaben ist als jedes E-Auto.

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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