Berchtesgadener Land:Ramsch-Allee am Königssee

Die Seestraße, die hinunter an den Königssee führt, könnte einer der schönsten Orte Deutschlands sein - wenn da nicht all die Pornodirndl, Kuhglocken und Diabetikersocken wären. Ein Besuch auf Bayerns Gruselmeile.

Von Sebastian Beck

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(Foto: N/A)

Bayerns Gruselmeile: Die Seestraße am Königssee versammelt so ziemlich alle Zumutungen, die der Tourismus bereithält, auf 500 Meter Länge. Was für ein Empfang. Weißblau flattern die Fahnen im Wind, darauf prangt ein freundliches Grüßgott an die Welt: "Herzlich Willkommen. Berchtesgadener Land - Perle der Alpen." Gleich rechts daneben hat McDonald's die Flaggen gehisst: "Herzlich willkommen. Ich liebe es."

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(Foto: Sebastian Beck/OH)

Links leuchtet das Aral-Logo in frischem Blau. So sieht es aus, wenn man sich Deutschlands schönstem See nähert, dem Königssee, der übrigens als "Perle des Berchtesgadener Nationalparks" gilt. Als Perle der Perle gewissermaßen. Auf dem Weg zur Anlegestelle müssen jährlich mehr als eine Million Besucher eine Art touristischen Trichter passieren: erst Schnellimbiss, Tankstelle, Großparkplatz - und dann die Engstelle, die Seestraße. Gut 500 Meter lang.

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Die Seestraße ist so eine Art Reeperbahn des bayerischen Tourismus. Beide widmen sich dem Obszönen, nur werden am Königssee die Läden schon um 18 Uhr dicht gemacht. Dann liegt die Seestraße so menschenleer da, als ob sie sich erholen müsste von den Zumutungen des Tages.

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Hier wird die Geschmacklosigkeit zu einem Kunstwerk verdichtet. Weil die meisten Touristen sowieso nur einmal im Leben vorbeikommen, müssen sich die Geschäftsleute mit ihrem Angebot nicht sonderlich anstrengen. Es muss vor allem ins Auge stechen und irgendwie bayerisch aussehen.

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In der Seestraße gibt es sie noch, die bedruckten Souvenirgläser und Kuhglocken, die anderswo dem guten Geschmack zum Opfer gefallen sind. Dazwischen Mozartkugeln, Murmeltierfett und Diabetikersocken. Weißblaue Deppen-Postenkarten. Pornodirndl in Lila und Witzlederhosen. Alles im Sonderangebot, das versteht sich von selbst...

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... Hotdogs und Leberkässemmeln. König-Ludwig-Medaillen zum Selberprägen. Regenschirme mit Hundefotos. Der Gruselblick durchs Fernrohr hinauf zu Hitlers Kehlsteinhaus. Quarzuhren für zehn Euro. Berge von Billigtaschen. Salzkristalllampen. Brotzeitbrettl.

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Und im Berchtesgadener Land, der "Perle der Alpen", gibt es dann auch Salzburger Mozartkugeln und Plüschtür-Wundertüten.

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Ein Investor wollte hier einen überdimensionalen Hotelneubau reinsetzen - mit Seeblick. Letztes Jahr gab er auf, der Widerstand war zu groß. "Es geht um das Gesicht eines Ortes an einer der bekanntesten Naturschönheiten der Welt", argumentierten die Gegner. Stimmt ja. Wäre man gehässig, könnte man auch fragen: "Welches Gesicht?"

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Zum Glück gibt es noch den See. Abends, wenn der Busparkplatz leer ist, dann liegt er dunkelgrün da. Spiegelglatt das Wasser. Die Johannesinsel mit der Nepomukstatue, die Villa Beust auf der Anhöhe. Ein Gemälde. Dann ist es fast still hier am Königssee, nur der Geldautomat am Ufer surrt.

© SZ vom 01.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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