Beim Jagdverband:Halali

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Zum Ende seiner Amtszeit und wegen neuer Vorwürfe gegen Jägerpräsident Vocke erwarten viele eine Schlammschlacht

Von Christian Sebald, Feldkirchen

Wie sich die Vorwürfe gleichen: Es war Anfang 2005, als der Jägerpräsident, frühere CSU-Abgeordnete und Finanzrichter a.D. Jürgen Vocke beschuldigt wurde, er beziehe eine völlig überzogene Aufwandsentschädigung für sein Ehrenamt, er nutze seinen Dienstwagen weit über Dienstfahrten hinaus, er pflege einen sehr lockeren Umgang mit Spesenabrechnungen und dergleichen mehr. Jetzt - gute 14 Jahre später - geht es wieder um die Aufwandsentschädigung für den Jägerpräsidenten, den Dienstwagen und Spesenabrechnungen. Sogar für die ominöse Beschäftigung von Vockes Tochter bei einer Gesellschaft des Jagdverbands gibt es eine Parallele. 2005 wurde Vocke vorgeworfen, einem Journalisten einen lukrativen Beratervertrag zugeschanzt zu haben, nur um sich dessen Wohlwollen zu sichern.

Es gibt aber entscheidende Unterschiede zwischen 2005 und heute. Damals gelang es Vocke und seinen Gefolgsleuten, die Vorwürfe abzubiegen, bevor sie ihm wirklich gefährlich werden konnten. Mit allerlei Strippenzieherei und kräftigen Worten zogen sie letztlich doch die meisten Verbandsfunktionäre auf ihre Seite. Schnell nahmen die Jäger den damaligen Schatzmeister ins Visier, der sich mit Vocke wegen dessen Finanzgebarens zerstritten hatte. "Verräter" war noch einer der milderen Ausdrücke, mit denen der Mann bedacht wurde.

Heute dagegen gehen die Vorwürfe auf das Gutachten eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers zurück. Die aktuelle Schatzmeisterin des Jagdverbands, die Steuerprüferin Mechtild Michaela Maurer, hatte ihn im Frühjahr eingeschaltet, als sie Zweifel bekam, dass mit den Verbandsfinanzen alles in Ordnung ist. Das Gutachten des Experten ist offenbar so eindeutig, dass Vocke es nicht so leicht wegmoderieren können wird wie die Vorwürfe 2005. Außerdem hat der Vorsitzende der Jägergruppe Memmingen, der Polizist Andreas Ruepp, Vocke wegen des Verdachts auf Untreue und Unterschlagung angezeigt. Damit sind die Vorwürfe ein Fall für die Justiz - und zwar völlig gleich, wie der Verband mit ihnen umgeht. Den Schritt hatte sich 2005 keiner im Jagdverband zugetraut.

Die Turbulenzen treffen die Jäger in einer schwierigen Zeit. Mit ungefähr 50 000 Mitgliedern vertritt der Jagdverband gut 70 Prozent der Jagdscheininhaber in Bayern. Die allermeisten sind nicht nur jagdlich, sondern auch politisch betont konservativ. In der CSU und bei den Freien Wählern hat der Jagdverband deshalb traditionell starken Rückhalt. Zumal viele prominente CSUler und Freie Wähler leidenschaftliche Jäger sind. Der Chef der CSU-Fraktion im Landtag, Thomas Kreuzer, ist ein Beispiel dafür, FW-Chef und Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger ein anderes. Dank dieses Rückhalts in der Staatsregierung und im Landtag tritt der Jagdverband stets sehr selbstbewusst und betont kämpferisch auf. Die Waldbesitzer, die Förster und die Landwirte, die mit den Jägern oft über Kreuz liegen, können ein Lied davon singen.

Dabei wirkt der Jagdverband oft wie aus der Welt gefallen. Das liegt nicht nur an den prunkvollen Jahresempfängen, zu denen er in jedem Januar Politiker und andere wichtige Leute im Freistaat einlädt, um sich seiner Bedeutung zu versichern. Sondern vor allem an seinem extrem traditionalistischen Verständnis der Jagd. In der Expertenwelt herrscht Einigkeit, dass es in Bayern wohl noch nie so viel Wild gab wie derzeit - gleich ob es Rehe sind, Rotwild, Gämsen oder Wildschweine. Die vielen Wildtiere richten in den Wäldern und auf den Feldern massive Schäden an. Gleichwohl wehrt sich der Jagdverband gegen effiziente Jagdmethoden, die auch die Interessen der Waldbesitzer, Förster und der Bauern zu ihrem Recht kommen lassen. Und selbstverständlich den Tierschutz achten. Obwohl die Wildbestände auf Rekordniveau sind, sind dem Jagdverband die Abschusszahlen in den Staatswäldern zu hoch - vor allem bei Gämsen und Rotwild.

Im April hat Vocke angekündigt, dass er das Amt im Frühjahr 2020 abgeben wird. Selbst im Jagdverband ist inzwischen unbestritten, dass der Nachfolger des inzwischen 76-Jährigen die überfällige Modernisierung schaffen wird müssen. Vor allem - so hört man inzwischen öfter - sollten endlich die vielen Fehden aufhören, die sich die Jäger mit Waldbesitzern, Förstern und Bauern liefern. Die neuen Vorwürfe gegen Vocke machen den Übergang nicht einfacher. Vocke hat angekündigt, er werde sich "nicht durch kriminelle Verdächtigungen aus dem Amt treiben lassen". Die Vorwürfe träfen seine ganze Familie, es gehe um seinen Ruf. Im Jagdverband rechnen deshalb bereits einige mit einer Schlammschlacht, die sich womöglich über Monate hinziehen wird.

© SZ vom 02.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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