Beckstein bei jüdischem Fest:Keine Wahlkampfpause zu Neujahr

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Zwei Tage vor der Landtagswahl begrüßt die Israelische Kultusgemeinde München das neue Jahr - und einen müden Ministerpräsidenten Beckstein.

Laura Weißmüller

Günther Beckstein steckt erst mal fest. Als er mit Charlotte Knobloch, der Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, den Festsaal der Israelitischen Kultusgemeinde betritt, stößt er gegen eine Menschenmauer.

Müder Wahlkämpfer: Günther Beckstein beim Neujahrsempfang der Israelitischen Kultusgemeinde. Nach dem jüdischen Kalender ist das Jahr 5769 angebrochen (Foto: Foto: dpa)

Vor ihm drängen sich Fotografen und Kameramänner dicht an dicht, hinter Beckstein schieben seine und Knoblochs Leibwächter. Von draußen wollen weitere Festgäste zum Neujahrsempfang in den Hubert-Burda-Saal hinein. Beckstein verschwindet fast in der Masse, so klein ist er. Er sieht furchtbar müde aus.

Der Wahlkampf zehrt an den Kräften des Ministerpräsidenten, dabei klang er zu Beginn noch kampfeslustig: "Ich brauche Termine", versicherte er Anfang August im sueddeutsche.de-Gespräch: "Wenn ich mir vorstelle, ich müsste den ganzen Tag am See liegen, das würde mich verrückt machen."

Jetzt würde man ihm wünschen, dass er mehr als einen Tag Auszeit bekommen könnte, seine Augen wirken noch kleiner als sonst und die Anspannung ist ihm wörtlich auf die Stirn geschrieben. Aber nicht einmal eine kurze Pause ist ihm vergönnt, am Sonntag ist Wahl und dann wird über Becksteins politische Zukunft entschieden.

Wie beim Wiesn-Anstich

Alles steht in Bayern gerade im Zeichen des Wahlkampfes. Da kann man sich noch so bemühen, der Fokus bleibt. Wie beim Wiesn-Anstich: Statt Dirndl trägt Becksteins Marga ein Trachtkostüm und zack gibt es eine Diskussion darüber, ob Bayerns First Lady damit gegen ihren Vorbildcharakter verstößt.

Auch der heutige Empfang der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern kann sich dem Wahlkampf-Fokus nicht erwehren. Eigentlich sollte der Termin nicht für die Profilierung von Kandidaten herhalten, er sollte eine Wahlkampfpause sein.

Schließlich ist der Anlass wichtig: Zum ersten Mal findet das Neujahrsfest im jüdischen Gemeindezentrum statt. Ein sichtbares Zeichen dafür, dass mitten im Herzen von München das jüdische Leben 70 Jahre nach der Reichspogromnacht von 1938 ein festes Zuhause gefunden hat.

Unfreiwillige Steilvorlage

Aber die Politikerpräsenz mit Günther Beckstein, seinem SPD-Rivalen Franz Maget und Münchens Oberbürgermeister Christian Ude kurz vor der Wahl ist einfach zu groß.

Noch dazu bietet das jüdische Neujahrsfest unfreiwillig eine Steilvorlage, kräftig über Becksteins Seelenlage zu orakeln. Denn mit dem "Rosch Haschana" beginnt nach dem jüdischen Kalender heute ein neues Jahr. Dieser Festtag ist für jeden Jude "eine Zeit der Rückbesinnung und des Ausblicks", wie Knobloch bei der Begrüßung sagt. Da keine Parallel zum Ende des aktuellen Wahlkampfes zu ziehen, ist kaum möglich. Noch dazu, wenn die politischen Festgäste die Rollenverteilung so brav ausführen.

Beckstein wirkt angespannt, fast wie ein Fremdkörper inmitten der illustren Feiergemeinde, die sich im festlich geschmückten Saal fröhlich begrüßt und heftig die Hände schüttelt. Es sind viele gekommen: Neben den Wahlkämpfern auch die stets weise lächelnde, liberale Polit-Seniorin, Hildegard Hamm-Brücher, genauso wie die Journalistin und Schriftstellerin Amelie Fried oder der Chefredakteur des Bayerischen Fernsehens Siegmund Gottlieb.

Gewohnt locker springt der SPD-Spitzenkandidat Maget durch das Gedränge. Auch Christian Ude ist in seinem Element: Der OB hält eine seiner geistreichen Reden, in der er die Bedeutung des multikulturellen Zusammenlebens betont. Am Ende freut er sich darüber, "dass man sich erfrischend kurz halten kann, wenn man die letzte Wahl hinter sich hat".

Die hat Beckstein noch vor sich, trotzdem redet auch er nicht lang. Er unterstreicht, wie stark das jüdische Leben in Bayern in den letzten Jahren gewachsen sei und wie stark die CSU-geführte Regierung das unterstützt habe. Dass diese erst kürzlich den Zorn der Präsidentin Knobloch auf sich gezogen hat, indem sie den Geschichtsunterricht am Gymnasium stark kürzte und damit der Themenkomplex Nationalsozialismus eingedampft wurde, sagt er nicht. Lieber unterstreicht er noch einmal, wie sehr ihn das fehlgeschlagene NPD-Verbot immer noch ärgere.

Am Schluss wünscht Beckstein Gemeinde und sich selbst ein gutes Neues Jahr. Ein Schelm, wer dabei daran denkt, dass dieser Wunsch schon in zwei Tagen am Wahlergebnis scheitern könnte.

Lange kann der müde Landesvater nicht am Jakobsplatz verweilen. Der Franke muss ein paar hundert Meter weiter, zur nächsten Bühne auf den Marienplatz. Dort heißt es dann: Weiterkämpfen mit Angela Merkel.

Vielleicht wird im neuen Jahr für Beckstein doch noch alles gut.

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