Bayerns Biotope:Naturschutz in Bayern welkt

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Beispielhaft: Teile des Ebersberger Forsts sind von der EU als besonders schützenswert eingestuft worden. (Foto: Gerhard Wilhelm)

Eigentlich hat die bayerische Flora und Fauna viel zu bieten. Doch im europäischen Vergleich sind Bayerns Biotope in einem schlechten Zustand. Für den Grünen Christian Magerl ein Riesenskandal, für den die Staatsregierung verantwortlich ist.

Von Christian Sebald, München

Das Urteil könnte drastischer nicht ausfallen. "Das ist der Offenbarungseid der Staatsregierung im Naturschutz", sagt der Grünen-Politiker und Vorsitzende des Umweltausschusses im Landtag, Christian Magerl, empört. "Die Staatsregierung erfüllt nicht einmal die Mindestvorgaben der EU, der Raubbau an der Natur schreitet ungebremst fort, es gibt kein Anzeichen, dass ihm Einhalt geboten wird."

Der Grund für Magerls Empörung: Der Zustand der Moore, Flüsse, Wiesen und anderen Landschaften, welche Bayern für den europäischen Biotop-Verbund "Natura 2000" gemeldet hat, hat sich dramatisch verschlechtert. Das geht aus der Antwort von Umweltminister Marcel Huber (CSU) auf eine Anfrage von Magerl hervor. "Es ist ein Riesenskandal", schimpft Magerl. "Schließlich hat sich Bayern verpflichtet, die Qualität der Biotope zu verbessern."

Natur und Umwelt
:Es hapert beim europäischen Artenschutz

Die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie - heute vor 20 Jahren von der EU erlassen - ist ein Wegweiser für den Artenschutz. Doch sie wird nicht ausreichend umgesetzt, wie eine Studie des Nabu zeigt. Allein in fünf Jahren wurde in Niedersachsen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mehr als ein Drittel der Grünlandflächen in den FFH-Gebieten zerstört.

Marlene Weiss

"Natura 2000" ist ein gigantischer Biotop-Verbund aller EU-Staaten zum Erhalt der Artenvielfalt in Europa. Die rechtliche Grundlage dafür sind die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und die Vogelschutzrichtlinie. In beiden Regelwerken haben sich die Mitgliedsstaaten verpflichtet, ein europaweites Netzwerk aus Schutzgebieten auszuweisen, um so den Erhalt der Artenvielfalt zu ermöglichen. Der Kern hierfür ist das Verschlechterungsverbot. Danach müssen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass die Lebensgrundlagen der zu schützenden Tier- und Pflanzenarten nicht schwinden. Nach den beiden Richtlinien werden die jeweiligen Schutzgebiete auch FFH-Gebiete oder Vogelschutzgebiete genannt.

Bayern hinkt im europäischen Vergleich hinterher

Im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn hinkt Bayern von Anbeginn des Projekts an weit hinterher. Der Freistaat hat 745 größere und kleinere Gebiete von ökologischer Bedeutung für "Natura 2000" gemeldet. Das sind 801 000 Hektar oder 11,4 Prozent der Landesfläche. Viele andere EU-Staaten engagieren sich sehr viel mehr, Slowenien etwa hat 35 Prozent der Landesfläche als Natura-2000-Gebiete ausgewiesen, Spanien 27,7 Prozent. Europaweit stehen 18 Prozent der Landfläche unter Schutz. Außerdem kam der Freistaat seiner Meldepflicht nur zögerlich nach. Die EU-Kommission musste die Staatsregierung zweimal, 2001 und 2004, auffordern, endlich die Vorgaben zu erfüllen.

Doch auch jetzt nimmt es der Freistaat nicht so genau. Sowohl die FFH-Richtlinie als auch die Vogelschutzrichtlinie schreiben Managementpläne für die jeweiligen Schutzgebiete vor. Sie sollen all die Maßnahmen enthalten, die nötig sind, um den Erhalt der Artenvielfalt wirklich zu erreichen. "Mit den Managementplänen ist es nicht weit her", sagt Magerl. "Der für das FFH-Gebiet an der Isar hier bei uns in Freising ist erst jetzt fertig geworden, gut zehn Jahre nach der Ausweisung. Der für das hiesige Schutzgebiet an der Amper wurde noch nicht einmal begonnen. Und so ist das vielerorts in Bayern."

Entsprechend düster sieht die aktuelle Bilanz für Natura 2000 im Freistaat aus. Nur ein Drittel der FFH-Gebiete und Vogelschutzgebiete sind in "günstigem Erhaltungszustand" und erfüllen die Naturschutzvorgaben der EU. Die anderen zwei Drittel tun das nicht. Noch vor sechs Jahren waren immerhin vier von zehn Schutzgebieten in günstigem Zustand. Einzig in den bayerischen Alpen sind die Verhältnisse besser. Hier halten immerhin zwei Drittel der Schutzgebiete die Vorgaben ein.

Magerl nennt drei Gründe für die rapide Verschlechterung. "Da sind die Bauern, die auch in Bayern immer mehr auf industrielle Landwirtschaft mit massivem Einsatz an Kunstdünger und Pflanzenschutzmitteln setzen", sagt er. "Und da ist der Flächenfraß, nach wie vor wird Tag für Tag freies Land zubetoniert mit Straßen, Gewerbegebieten und anderen Projekten." Der dritte Grund: die Staatsregierung mit ihrem Grundsatz, der beste Naturschutz ist der, der auf freiwilliger Basis passiert.

Nur ein Beispiel: Naturschützer fordern seit Jahren, dass die Bauern in Bayern wie ihre Kollegen in anderen Bundesländern per Gesetz verpflichtet werden, zwischen Äckern und Bächen einen mindestens fünf Meter breiten Streifen Land von Ackerbau frei zu lassen, damit kein Erdreich, aber auch keine Rückstände von Kunstdünger und Pflanzenschutzmitteln in die Gewässer gelangen.

Naturschutz auf freiwilliger Basis

Doch die Staatsregierung weigert sich beharrlich. Der Grund ist der Bauernverband, der die Gewässerrandstreifen nicht haben will. Das einzige, was der Lobbyverband akzeptiert, sind Förderprogramme für Bauern, die diese Randstreifen freiwillig einrichten. Die Folge: Der ökologische Zustand vieler Bäche wird nicht besser. So wie mit den Bächen ist es mit der übrigen Natur.

Gleichwohl hat Umweltminister Huber dieser Tage erneut das Loblied auf die Freiwilligkeit angestimmt. "Unser Ziel ist Naturschutz im gesellschaftlichen Konsens", sagte er, als er die neuen Förderprogramme seines Ministeriums für umweltbewusste Landwirte vorstellte. "So lange die Staatsregierung da nicht grundsätzlich umdenkt und schärfere Vorgaben erlässt, kommt der Naturschutz nicht voran", kontert Magerl, "egal, ob es um Natura 2000 geht oder andere Schutzgebiete."

© SZ vom 13.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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