Unter Bayern:Man redet ja bloß

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Der Mensch will offenbar klare Anweisungen und Regeln - erst recht in der Pandemie. Sonst würden ja nicht so viele Politiker unaufhörlich etwas dazu vor sich geben. Allerdings ist auch immer wieder ziemlich Sinnfreies dabei

Glosse von Franz Kotteder

Eine vergleichsweise harmlose, aber trotzdem anstrengende Begleiterscheinung der Pandemie ist, dass pausenlos etwas gesagt werden muss. Vor allem von Politikern jedweder Erscheinungsform. Während Markus Söder oft etwas Melodramatisch-Tragödienhaftes einbringt, wenn er sich zum Beispiel langsam von der Alltags- über die FFP2-Maske zum Ganzkörperkondom vortastet, ist Hubert Aiwanger eher fürs komische Fach zuständig, was Sprachduktus und Inhalt angeht. Andere aus der zweiten und dritten Liga der bayerischen Politik behelfen sich damit, dass sie etwas Sinnfreies sagen, was markig klingt. Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (CSU) etwa fand, man solle die Menschen übers Handy und ihre Bewegungsdaten kontrollieren, ob sie die 15-Kilometer-Regel auch einhalten. Diese Idee wäre eines großen Diktators würdig, ein kleiner Gemeindetagspräsident muss sich hingegen sagen lassen, dass das schon wegen des Datenschutzes schwierig ist und ein Handy gar nicht wissen kann, warum sich wer gerade irgendwo aufhält.

Aber: Hauptsache, es ist irgendwas gesagt! Der Mensch will eben Wegweisung und klare Regeln, damit er im Zweifelsfall vor dem Verwaltungsgericht dagegen klagen kann. "Möglichst keine anderen Menschen treffen", das versteht der einzelne Mensch nicht. Es sollte schon so etwas dabei sein wie "Kontaktpersonen aus höchstens zwei anderen Hausständen, deren Verwandtschaftsverhältnis den dritten Grad nicht übersteigt". Denn dann kann man vermutlich aussichtsreich gegen eine etwaige Ansteckung klagen.

Bei alledem muss man allerdings froh sein, dass es bei uns in der Politik noch nicht so zugeht wie in den USA. Tätowierte Schamanen mit Büffelhornmützen möchte man ja doch nicht im Maximilianeum sehen, auch wenn dort Platz für vieles ist. Bei aller Verwunderung über den bizarren Sturm aufs Kapitol sollte man als Bayer aber auch an den Putsch von 1923 im eigenen Land denken. Nach dem kläglich gescheiterten Marsch zur Feldherrnhalle galten Hitlers Anhänger für viele nämlich als wunderliche Spinner und "gselchte Affen", die man nicht besonders ernst nehmen müsse. Zehn Jahre später waren die dann allerdings an der Macht. Möge uns und den USA das wenigstens diesmal erspart bleiben.

© SZ vom 16.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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