Bayern-FDP hadert mit Parteichef:Bloß nicht Rösler

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"Mit ihm geht es nicht": Die Bayern-FDP hadert mit ihrem Parteichef Philipp Rösler. Sie traut dem Vizekanzler nicht zu, im Landtagswahlkampf 2013 eine wirkliche Unterstützung zu sein - und plant lieber ganz ohne Hilfe aus Berlin. Denn wie auch im Bund geht es für die Liberalen im Freistaat um das politische Überleben.

Mike Szymanski

"Bratwerscht!", ruft der Mann am Grill. "Bratweeerscht!" Aber er ruft vergeblich. Der Ehrengast bewegt sich keinen Meter. FDP-Chef Philipp Rösler steht wie angeklebt auf der Straße. Genau dort, wo er eben aus seiner schwarzen Limousine ausgestiegen ist und von Thomas Hacker, dem Chef der FDP-Landtagsabgeordneten, in Empfang genommen wurde.

"Die Suche nach einer gangbaren Lösung läuft", bestätigen mehrere einflussreiche Politiker aus Bayern. Beim Landtagswahlkampf traut die FDP Parteichef Philipp Rösler nicht mehr zu, eine wirkliche Unterstützung zu sein. (Foto: dpa)

Hacker hat zum "liberalen Straßenfest" eingeladen. Parteifreunde, Nachbarn und Neugierige sind gekommen. 60 Leute vielleicht. Am anderen Ende von Bayreuth beginnen in ein paar Stunden die Wagner-Festspiele. Hier, unter zwei Sonnenschirmen, stimmt sich die FDP-Familie auf den Abend ein. Bayerns FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist gekommen. Rainer Brüderle, der Fraktionschef aus dem Bundestag, Martin Zeil, der bayerische Wirtschaftsminister. Alle amüsieren sich. Rösler aber bleibt am Rand stehen wie einer, der nicht dazugehört.

"Ist ja ganz schick hier", presst er irgendwann heraus. Eine Frau kann das nicht länger mit ansehen. Sie geht auf ihn zu. "Herr Rösler, darf ich einen Knicks vor ihnen machen", sagte sie und verbeugt sich vor dem Vizekanzler. Jetzt ist Rösler erst recht baff.

Ein Parteichef, der nicht auf die Leute zugeht. Das bleibt den Gästen nicht verborgen. "Da ist der Wurm drin", sagt Peter Froeschmann, ein treuer Liberaler und Rechtsanwalt aus Franken.

Kann tatsächlich einer die FDP in die wichtigen Wahlkämpfe 2013 führen, der nicht einmal die eigenen Leute bei einem Straßenfest begeistern kann? Das ist die Frage, die die Liberalen im Freistaat umtreibt, nicht erst seit diesem Mittwoch.

"Das sagt noch keiner offen"

Wie auch im Bund geht es für die Liberalen in Bayern um das politische Überleben. In den Umfragen kommen sie über die vier Prozent nicht hinaus. Es gab auch schon Meinungsforscher, die die Liberalen bei nur noch zwei Prozent gesehen haben. Ein Desaster - erst recht, wenn man ein Land mitregiert, dem es wirtschaftlich so gut wie nie zuvor geht.

Irgendwo muss der Fehler liegen. Wenn nicht in Bayern, dann in Berlin. Vor ein paar Tagen haben die Spitzengremien der Bayern-FDP wieder getagt. Sie bereiten den Landtagswahlkampf für 2013 vor. Eine Werbeagentur muss ausgesucht, die Kampagne geplant werden. Wer kommt auf die Plakate? Welche Themen wollen die Liberalen setzen?

Über vieles wird sehr offen geredet. Ein Thema wird aber sehr diskret behandelt: Was wird aus Rösler? Ein Teilnehmer dieser Strategie-Runden formuliert es so: "Jeder weiß, mit ihm wird es nicht gehen. Nur sagt das noch keiner offen."

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Selbst das Outfit der Kanzlerin enttäuscht: Am Premierentag in Bayreuth herrscht ein Mangel an Glamour. Schuld daran sind allerdings nicht die Nazi-Tattoos des abgereisten Bassbaritons, sondern fehlende Gratiskarten.

Diese Einschätzung teilen mehrere Spitzenfunktionäre aus Bayern. Rösler kommt bei den Leuten nicht an. In den Umfragen gilt er als der unbeliebteste Politiker. Er ist zwar immer höflich und freundlich. Aber selbst die eigenen Leute sagen: Rösler hat es nicht im Kreuz.

Eine Straßenfest-Besucherin sagt Rösler ins Gesicht, was das Problem ist. "Im Fernsehen wirken sie immer kleiner." Sie hat es als Kompliment gemeint. Rösler ist jetzt schon zum Ballast geworden. Bei ihm wird alles abgeladen, was gerade schief läuft. "Hau den Philipp" - solche Schlagzeilen muss er über sich lesen.

In den Wahlkämpfen könnte er zum großen Risiko werden. "Natürlich macht man sich Gedanken, wie sich die FDP auf Bundesebene präsentiert", sagt Bayerns FDP-Landesvize Andreas Fischer. Neben Bayern hat Niedersachsen im nächsten Jahr eine Landtagswahl zu bestehen. Es sind diese beiden Landesverbände, die ein gehöriges Wort mitzureden haben, wenn es um Röslers Schicksal geht.

Bei den Niedersachsen hat Rösler noch den stärksten Rückhalt. Dort kommt er her, als Wirtschaftsminister in dem Bundesland hatte er die Parteifreunde von sich überzeugen können. Rösler jetzt zu stürzen würde den Liberalen in Niedersachsen bei der Wahl voraussichtlich wertvolle Prozente kosten. Deshalb herrscht bei den Liberalen in Bayern die Einschätzung vor: Vor der Niedersachsenwahl passiert überhaupt nichts.

Sollte aber auch die Niedersachsenwahl für die FDP in einem Debakel enden, wird sich sehr schnell zeigen, wie stark der Selbsterhaltungstrieb der Liberalen in Bayern ist. "Wir sind dann als nächste dran und würden sagen: So kann es nicht weitergehen", formuliert es ein Spitzenfunktionär.

Die Bayern gehen auf Nummer sicher

Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist bemüht, die Diskussionen möglichst klein zu halten. Als Parteivizin in Berlin fühle sie sich verpflichtet, Rösler zu unterstützen, heißt es in Parteikreisen. Von ihr ist keine Stellungnahme zu bekommen. Aus ihrem Umfeld verlautet lediglich: "Auch sie weiß um die Problematik." Wenn es darum gehe, Schaden von der Bayern-FDP abzuwenden, werde sie schon rechtzeitig wissen, was zu tun sei.

Die Gedankenspiele in Bayern sind weitgehend: Kann Rösler Parteichef bleiben, wenn er die Spitzenkandidatur Rainer Brüderle überlässt? Oder muss Rösler alle Macht abgeben? Im Bundesvorstand reden neben Leutheusser-Schnarrenberger noch zwei weitere Landespolitiker mit. Fraktionschef Hacker und Wirtschaftsminister Zeil. Beide vereinen größere Lager hinter sich.

Dem Vernehmen nach hält Hacker nichts von einer Doppelspitze: Alles oder nichts hieße das für Rösler. Zeil, bekennender Brüderle-Fan, wäre wohl für eine Teamlösung zu haben: Rösler macht als Parteichef weiter und Brüderle übernimmt die Spitzenkandidatur. "Die Suche nach einer gangbaren Lösung läuft", bestätigen mehrere einflussreiche Politiker aus Bayern. Nach dem Westerwelle-Sturz will die Partei eine Radikallösung vermeiden. Zeil und Hacker äußern sich dazu nicht.

Rösler ist die Unzufriedenheit der Bayern nicht verborgen geblieben. Er sagt, die Partei sein in einer schwierigen Situation, das wüssten alle, die Wende müsse aber "gemeinsam gelingen". "Es ist noch lange hin bis zur Landtagswahl", sagt Rösler. Lange hin? Die Parteifreunde ziehen schon Konsequenzen: Sie planen jedenfalls nicht mehr mit Rösler im Wahlkampf. "Wir werden die Landtagswahl dezidiert mit bayerischen Themen und bayerischen Persönlichkeiten führen", sagt Hacker. Die Bayern gehen schon mal auf Nummer sicher.

© SZ vom 27.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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