Posse um bayerische Kühe aus Hessen:Nicht ohne mein Rind

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Bizarrer Streit mit der Behörde: Bauer Oswald Büttner aus Unterfranken lässt seine Kühe 15 Kilometer entfernt in Hessen weiden. Doch nun darf der Landwirt die Tiere nicht nach Hause holen, weil der Freistaat Bayern für die Herde zuvor einen Bluttest vorschreibt. Bauer Büttner verweigert sich diesem Test - und hat nun ein Problem.

Tobias Dorfer

Europa ist offen, der Handel zwischen den EU-Ländern ist frei. Doch in Unterfranken ist es nun zu einem bizarren Streit gekommen. Der Bauernhof von Oswald Büttner, 61, liegt in Kleinkahl bei Aschaffenburg, nur wenige Kilometer von Hessen entfernt. Ein Teil seiner Kühe grast während des Sommers auf einer Weide im hessischen Lettgenbrunn. Jetzt hat das Veterinäramt in Aschaffenburg entschieden, dass die Rinder nur dann nach Bayern zurückdürfen, wenn sie auf das Herpesvirus BHV-1 getestet wurden. Denn Bayern ist stolz darauf, Vorreiter in der BHV-1-Bekämpfung zu sein. Oswald Büttner verweigert sich diesem Test - und hat nun ein Problem. Gerade kommt er von den Kühen. Den bayerischen.

Oswald Büttner weigert sich, seine Kühe in Hessen auf das BHV-1-Virus untersuchen zu lassen. Doch ohne Test dürfen die Tiere nicht in den Hof in Bayern zurück. (Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Herr Büttner, warum lassen Sie denn überhaupt einen Teil ihrer Kühe in Hessen weiden?

Oswald Büttner: Das mache ich schon seit 20 Jahren so. Lettgenbrunn ist 15 Kilometer von meinem Hof entfernt. Dort habe ich einige Hektar Weidefläche, auf der die Rinder jedes Jahr von Ende April bis Mitte November grasen.

sueddeutsche.de: Jetzt dürfen die 69 Rinder nicht mehr zurück nach Bayern.

Büttner: Leider. Das Veterinäramt Aschaffenburg hat einen Einreisestopp verhängt. Sie wollen ausschließen, dass einige meiner Tiere das Herpesvirus BHV-1 in sich tragen. Das gilt in Bayern seit einigen Monaten als ausgestorben.

sueddeutsche.de: Diese Sorge könnte man doch recht einfach zerstreuen. Warum lassen Sie ihre Tiere nicht testen?

Büttner: Meine Herde ist zuletzt am 18. April 2011 untersucht worden, damals waren noch alle im Stall in Unterfranken zusammen. Das Ergebnis war, dass keine Kuh das Herpesvirus in sich trägt. Das Zeugnis gilt zwölf Monate lang und verfällt nur, wenn meine Kühe Kontakt mit anderen Rindern gehabt hätten. Aber die waren die ganze Zeit unter sich. Und der Hof des einzigen Landwirts, der in der Nähe meiner hessischen Weide arbeitet, ist auch komplett BHV-1-frei. Das ist doch ein Schildbürgerstreich: Da redet man von offenen Grenzen und dann führt Bayern Grenzen für Kühe ein.

sueddeutsche.de: Warum sträuben Sie sich so dagegen, Ihre Kühe vor der Rückkehr nach Bayern erneut untersuchen zu lassen?

Büttner: Weil der Aufwand viel zu hoch ist. Alleine die Fangeinrichtung würde mich 15.000 Euro kosten. Dazu kommt der Test, für den ich bei 69 Kühen knapp 1100 Euro zahlen müsste. Aber wenn ich nur ein einziges Tier nicht einfangen kann, bekomme ich das Zeugnis nicht. Dann ist das Geld zum Fenster rausgeworfen.

sueddeutsche.de: Lassen sich Kühe so schwer einfangen?

Büttner: Kühe nicht, aber die Kälber. Die wurden teilweise auf der Weide geboren und sind ziemlich schreckhaft. Wenn denen einmal Blut abgenommen wird, sind die so verängstigt, dass sie erst einmal kein Zutrauen mehr haben. Und dann kommt das große Chaos beim Rücktransport in Bayern. Ich bin 61 Jahre alt und auch nicht mehr so schnell wie vor 20 Jahren. Ich habe die Vermutung, dass man in Aschaffenburg nicht weiß, wie schwer es ist, ein Kalb einzufangen. Im vergangenen Jahr hatten wir das Problem nicht, da wir damals im November keine Kälber mehr dabeihatten.

sueddeutsche.de: Die bayerischen Behörden haben das Herpesvirus ausgerottet. Verstehen Sie nicht, dass sie alles dafür tun, BHV-1 aus Bayern fernzuhalten?

Büttner: Es mag ja sein, dass die Bayern hier eine Vorreiterrolle haben. Aber das haben die ohnehin nur wegen den Österreichern gemacht. Österreich und die Schweiz waren schon länger BHV-1-frei. Da wollte man nachziehen. Außerdem fährt der Tierarzt aus Hessen auch nach Bayern. Und Schlachttansporte laden in Hessen Vieh auf und anschließend im Freistaat. Dabei könnte sich das Virus doch genauso übertragen. Wenn die Ansteckungsgefahr so groß wäre, müsste man das auch verbieten.

sueddeutsche.de: Was sagen Ihnen die Behörden auf Ihre Argumente?

Büttner: Ich habe angeboten, die Kühe in meinen Stall nach Bayern zu fahren, ohne dass sie mit anderen Tieren in Berührung kommen. Ich habe auch angeboten, dass ich bis zur nächsten Untersuchung kein Tier verkaufe und dann meine gesamte Kuhherde - die Tiere aus Hessen und Bayern - auf BHV-1 untersuche. Das wäre auch ein viel sichereres Ergebnis, als nur das Ergebnis der Tiere aus Hessen. Ich habe ja schließlich ständig Kontakt mit beiden Herden. Aber auf diese Vorschläge wurde nicht eingegangen.

sueddeutsche.de: Was ist überhaupt so schlimm an diesem Virus?

Büttner: Keine Ahnung. Ich hatte auch schon Tiere, die dieses Virus in sich trugen. Im Jahr 1995 war das. Damals haben wir die Herde geimpft und BHV-1 damit ausgemerzt.

sueddeutsche.de: Schreiben die Hessen keine BHV-1-Tests vor?

Büttner: Doch, aber nur für Tiere, die älter als neun Monate sind. Das zeigt ja, wie absurd das Ganze ist. In Hessen dürfen positiv BHV-1-getestete Tiere nicht mehr auf die Weide. Von daher könnten meine Kühe gar nicht mit kranken Rindern in Kontakt gekommen sein.

sueddeutsche.de: Warum lassen Sie Ihre Tiere dann nicht einfach bis zur Schlachtung auf der Weide in Hessen?

Büttner: Das geht nicht, weil wir die Kälber von den Kühen trennen müssen. Das geht auf der Weide nicht. Nein, wenn das Veterinäramt seinen Einreisestopp aufrechterhält, werden die Tiere geschlachtet - und zwar alle.

sueddeutsche.de: Was würde es für Sie bedeuten, wenn Sie Ihre 69 Kühe auf der hessischen Weide schlachten müssten?

Büttner: Das Aus. Bei der Mutterkuhhaltung ist der Gewinn sowieso minimal. Wovon soll ich das alles bezahlen?

sueddeutsche.de: Glauben Sie, dass es noch eine Lösung geben kann?

Büttner: Ich hoffe noch auf eine Ausnahmegenehmigung. Aber danach sieht es bislang nicht aus.

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