Augsburger Polizistenmord:Rätselhafte Rolle des Bruders

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Bekannte halten den verdächtigen Raimund M. für einen "anständigen Kerl", laut Polizei ist er nicht vorbestraft, doch eine Spur vom Tatort passt zu seiner DNA. Wurde er von seinem Bruder, der bereits vor mehr als 30 Jahren einen Polizisten erschossen hat, wider Willen in einen Mord hineingezogen?

Stefan Mayr

Am Tag danach steht Franz M. vor seinem Bauernhof im Augsburger Vorstädtchen Friedberg und erzählt vorbeikommenden Freunden, was er am Tag der großen Razzia alles erlebt hat. "Fünf Stunden war ich auf dem Präsidium", ruft er, "links von mir ein Polizist, rechts von mir ein Polizist."

Einer der beiden Verdächtigen im Fall des ermordeten Polizisten wird am Freitag in das Justizzentrum Augsburg (Schwaben) gefahren. (Foto: dpa)

M. ist 60 Jahre alt, trägt einen alten grauen Parka, schwarze Trainingshose und grüne Gummischuhe. Das Geschehen vom Vortag steckt ihm noch sichtlich in den Knochen. "Die haben meinen ganzen Stadl ausgeräumt", sagt er in einer Mischung aus Wut und Erstaunen. Die Gegenstände wurden in einer Ecke zusammengeworfen, dort liegen sie wie ein Haufen Sperrmüll. "Aufräumen tut die Polizei nicht", sagt M.

Es war Donnerstagmittag - "ich hab' mir gerade eine Wurst runtergeschnitten" - als M. durch das Küchenfenster sah, wie zwei Polizeiautos in seinen Hof fuhren. Wenig später war alles voller Beamte. "Die haben innerhalb eine Viertelstunde an vier verschiedenen Stellen zugeschlagen", erzählt Franz M.

Es war offenbar eine abgestimmte Durchsuchungsaktion: In einem Dreifamilienhaus in der nahen Schützenstraße wurde sein Schwager Raimund M. festgenommen. An einer roten Ampel in Augsburg-Lechhausen wurde dessen Bruder Rudi R. aus dem Auto gezogen. Und auch im Friedberger Rathaus am Marienplatz standen plötzlich Beamte vor der Tür: Denn die Ehefrau von Raimund M. arbeitet dort in der Verwaltung. Auch sie wurde offenbar stundenlang verhört.

"Im Hochsicherheitstrakt von der JVA", wie ihr Bruder Franz M. berichtet, "die ist richtig fertig". Friedbergs Bürgermeister Peter Bergmair will sich zu dem Zugriff im Rathaus nicht äußern - womöglich, um die Beamtin zu schützen. Franz M. und seine Schwester wurden am Donnerstagabend wieder freigelassen, offensichtlich werden sie nicht verdächtigt. Doch sein Schwager ist einer der zwei Hauptverdächtigen.

Dazu will Franz M. nichts sagen - außer, dass Raimund M. seinem Bruder Rudi R. nach dessen Entlassung aus dem Gefängnis geholfen habe - und ein enges Verhältnis entstanden sei. Und dass Rudi R. öfters in der Wohnung von Raimund M. vorbeischaute. Gewohnt hat Rudi R. bei seiner Mutter im nahen Augsburger Stadtteil Lechhausen. In der Nähe dieser Wohnung wurde er am Donnerstag festgenommen.

Raimund M. hat nachträglich den Nachnamen seiner Ehefrau angenommen - offenbar auch, weil sein Bruder 1975 einen Polizisten erschossen hatte, und der markante Familienname damals durch die Presse ging. Raimund M. lebte mit Frau und Tochter in seinem eigenen schmucken Haus in durchaus ansehnlicher Umgebung mit Blick auf das Friedberger Schloss. Der Vorgarten ist gepflegt, die Eingangstür ist weihnachtlich geschmückt.

Raimund M. war jahrelang als Metzger am Augsburger Schlachthof tätig. Sein damaliger Chef kann sich nicht vorstellen, dass er mit den Schüssen auf den Polizisten vom 28. Oktober 2011 etwas zu tun haben könnte: "Er war immer ein anständiger Kerl", sagt er. Zwischenzeitlich war Raimund M. als Platzwart beim Friedberger Tennis-Club tätig. Auch in der Kneipe "Ach-Stüberl", die zwischen dem Bauernhof und dem Haus des Festgenommenen liegt, glaubt keiner, dass Raimund M. mitschuldig ist: "Der ist doch schon so alt und hat Parkinson", sagt Wirtin Karin Morczinietz. Doch die Indizien sprechen gegen ihn.

Wurde er von seinem Bruder in der Todesnacht nach der überraschenden Begegnung mit der Polizeistreife wider Willen in einen Mord hineingezogen? Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ist Raimund M. nicht vorbestraft.

© SZ vom 31.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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