Augsburg:Zweifel auch nach 40 Jahren

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Der Fall Ursula Herrmann beschäftigt noch immer die Justiz

Nur wenige Verbrechen haben die Menschen im Nachkriegsdeutschland so bewegt wie die Entführung und der Tod der kleinen Ursula Herrmann. Die Zehnjährige wurde am 15. September 1981 am Ammersee verschleppt und in einer vergrabenen Kiste eingesperrt - das Mädchen erstickte. Bis heute zweifeln viele daran, dass der wahre Täter verurteilt wurde - selbst Ursulas Bruder. Und nach 40 Jahren beschäftigt der Fall immer noch die Juristen. Ein aktuelles Ermittlungsverfahren läuft bei der Staatsanwaltschaft in Augsburg.

Im November 2020 tauchte ein neues "Bekennerschreiben" auf. Die Staatsanwaltschaft prüft das Schreiben seitdem. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Brief von dem angeblichen Verfasser nicht wirklich selbst geschrieben wurde. Vielmehr wird vermutet, dass eine unbekannte Person jemanden anschwärzen will.

Unterdessen jährt sich die Entführung zum 40. Mal. Auf dem Heimweg war das Kind damals in Eching verschleppt worden. Das Fahrrad der Schülerin wurde gefunden, Ursula war aber spurlos verschwunden. Bei den Eltern gingen Erpresseranrufe ein, in einem Brief wurden zwei Millionen Mark Lösegeld gefordert. Tatsächlich war Ursula zu diesem Zeitpunkt längst tot. Die Luftzufuhr in ihrem Erdverlies funktionierte nicht, das Mädchen hatte keine Überlebenschance. Am 4. Oktober 1981 wurde die vergrabene Kiste mit der Leiche entdeckt.

Das Landeskriminalamt (LKA) zählt die Entführung zu den spektakulärsten Verbrechen der Kriminalbehörde. Auf einer Internetseite erinnert das LKA daran, dass 5000 Hinweise abgearbeitet und 20 000 Fingerabdrücke verglichen worden seien. Doch darüber hinaus wurden die Ermittlungen der Polizei von Pannen überschattet, ein Täter wurde zunächst nicht gefasst. Dabei versuchte auch TV-Fahnder Eduard Zimmermann mehrfach in seiner populären ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst", den Entführer zu finden. Der mittlerweile verstorbene Fernsehmoderator berichtete, wie ihn die Bilder des in der Kiste eingepferchten und dort erstickten Kindes berührt hätten. Die tote Ursula habe ihn "mit flehenden Augen" angeschaut. "Bis jetzt verfolgen mich diese Augen", sagte Zimmermann zwei Jahrzehnte nach dem Verbrechen.

Erst 2008 wurde in Kappeln in Schleswig-Holstein ein Mann festgenommen, der später in Augsburg zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Der 71-Jährige bestreitet nach wie vor, der Täter zu sein. Auch Hinweise auf mögliche Mittäter sind ungeklärt. Bis heute gibt es daher Zweifel, ob der Richtige im Gefängnis ist.

Doch einen neuen Strafprozess um die Tat von 1981 wird es wohl nicht geben, selbst wenn die Staatsanwaltschaft nun noch einen neuen Täter finden würde. Denn die Tat ist nach Ansicht der Anklagebehörde verjährt. Das Verbrechen wird als erpresserischer Menschenraub mit Todesfolge gewertet - nicht als Mord, für den es keine Verjährungsfrist gibt. Rechtsanwalt Joachim Feller, der den Bruder Ursulas vertritt, könnte sich hingegen vorstellen, den Fall nach neuer Rechtssprechung auch als Mord einzustufen und neu zu verhandeln. Feller schließt auch nicht aus, dass das mysteriöse "Bekennerschreiben" neue Hinweise liefern kann. Denn es enthalte möglicherweise "Täterwissen", betont er.

© SZ vom 15.09.2021 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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