Augsburg:Und alle Fragen offen

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Mit der Revue "Es wechseln die Zeiten . . ." hat das Berliner Ensemble das Brechtfestival eröffnet. (Foto: Brechtfestival)

Ausgerechnet mitten während des überregional beachteten Brecht-Festivals ist in Augsburg ein heftiger Streit ausgebrochen. Soll der Vertrag mit Leiter Joachim A. Lang nach sieben Jahren noch einmal verlängert werden? Oder langt's mit Lang, wie die Grünen kalauern? Ein Possenspiel

Von Yvonne Poppek, Augsburg

Was Bertolt Brecht betrifft, haben sich die Augsburger schon immer streitbar gezeigt. Früher ging es eher intellektuell darum, wer ihn verehrt oder verabscheut. In diesen Tagen indes wird darüber debattiert, wer das Festival leiten sollte, das zu Ehren des Dichters einmal im Jahr in dessen Heimatstadt gefeiert wird. Der Zeitpunkt der Auseinandersetzung könnte dabei kaum ungünstiger sein: Erst am Sonntag wurde das achttägige, überregional beachtete Brechtfestival eröffnet. Statt des künstlerischen Programms steht nun die Personaldebatte im Fokus der Öffentlichkeit.

Konkret geht es dabei um den künstlerischen Leiter Joachim A. Lang. Lang ist seit 2010 für das Programm verantwortlich. Ursprünglich war das Festival als Triennale angelegt, ein Leitungswechsel also nach drei Jahren vorgesehen. Der Vertrag des Filmemachers und Autors wurde nun schon zweimal verlängert, zuletzt um ein Jahr bis 2016. Unmittelbar vor Festivalbeginn haben sich die Augsburger Grünen nun ganz klar gegen eine weitere Verlängerung ausgesprochen: "Nach sieben Jahren Lang langt's", haben sie eine Pressemitteilung sehr deutlich überschrieben. Und sie fordern: "Die Grünen-Stadtratsfraktion geht entsprechend der Beschlusslage davon aus, dass das Brechtfestival als eines der wichtigsten kulturellen Ereignisse der Stadt ab nächstem Jahr neu aufgestellt wird."

Im Grunde genommen ist sowohl der Zeitpunkt als auch der Inhalt der Pressemitteilung erstaunlich. Eine weitere Vertragsverlängerung mit Lang - so wurde es noch auf der Pressekonferenz zum Festival im Januar suggeriert - stehe nicht zur Debatte. Kulturreferent Thomas Weitzel (parteifrei) hatte betont, dass eine neue Handschrift dem Festival guttun würde. Ohnehin sei der von Lang ausgedachte Zyklus - die chronologische Aufarbeitung von Brechts Biografie - in diesem Jahr mit der Rückkehr Brechts aus dem Exil abgeschlossen. Und auch Lang hatte vor Festivalbeginn erklärt: "Ich habe nicht den Antrag gestellt, den Vertrag zu verlängern."

Tatsächlich scheint nun aber diese Vertragsverlängerung nicht vom Tisch zu sein. Und genau darum ist der Streit entbrannt. Wenige Tage vor dem Festival hatten sich die Fraktionsspitzen von CSU, SPD und Grünen, die kulturpolitischen Sprecher und Kulturreferent Weitzel zu einer Sitzung getroffen. Das Thema war die Zukunft des Brechtfestivals. Auch Lang war - auf Einladung der CSU - zugegen, um ein neues Konzept vorzustellen, was die Grünen allerdings verhinderten. Stattdessen reagierten sie einige Tage später mit ihrer Pressemitteilung, in der sie ihre seit Jahren bekannte Positionen wiederholen. Es ist der Ausdruck ihrer Befürchtung, dass Lang bleibt. Denn einerseits hat der künstlerische Leiter in den vergangenen Jahren viele Anhänger gefunden. Er hat Brecht in seiner Heimatstadt sozusagen zugänglich gemacht. Kritiker hingegen meinen, dass er dem Autor sämtliche Zähne gezogen habe. Brecht sei nicht mehr als polarisierender Dichter, als kritischer Geist zu erkennen, wie beispielsweise noch unter Langs Vorgänger Albert Ostermaier.

Zu den Verfechtern eines Festivals, das die Handschrift Langs trägt, zählen nun aber offenbar die Spitzen der SPD und CSU. SPD-Fraktionssprecherin Margarete Heinrich erklärt, dass ein neues Konzept eine Qualitätssteigerung gegenüber dem bisherigen bedeuten müsse. Wenn keine echte Alternative vorliege, werde sie in jedem Fall für Lang plädieren. Derzeit stehe der Vorschlag vom Kulturreferenten noch aus. CSU-Fraktionssprecher Bernd Kränzle betont allerdings: "Bis Ende des Festivals gibt es keine Festlegung." Über das Vorgehen der Grünen zeigt sich vor allem Heinrich empört, sie wirft dem Kooperationspartner sogar "Wortbruch" vor: Man habe vereinbart, keine Personaldebatten während des Festivals zu führen. In der Ökopartei sieht man dies naturgemäß anders. Ein Stillschweigen sei erst nachträglich vereinbart worden. Immerhin wollen nun alle Fraktionen die Debatte nicht weiter befeuern. Und auch Kulturreferent Weitzel möchte sich zu der Personalie nicht äußern. "Ich halte es nicht für gut, Spekulationen ins Kraut schießen zu lassen", sagt er. Ob Neuanfang oder nicht, müsse der Kulturausschuss am 15. März beschließen. An einer Idee mangele es ihm dabei nicht. "Ich werde mir nicht vorwerfen lassen, dass ich kein Konzept habe", sagt er.

Ob indes der jetzige künstlerische Leiter überhaupt zur Verfügung steht, ist ungewiss. Lang selbst sagt, dass er nicht weiß, ob er dies möchte. Sein Terminkalender nächstes Jahr sei voll. Immerhin: Der harte Umgang der Grünen mit ihm - den Lang als gezielte Schädigung des Festivals betrachtet - würde ihn nicht abhalten. "Wenn ich weitermachen würde, würde mich das eher motivieren", sagt er. Das klingt nach Erfahrung im Streit um Brecht.

© SZ vom 04.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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