Augsburg:Du sollst nicht hupen

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  • In Augsburg sollen Hochzeitspaare und ihr Anhang nicht mehr hupend und mit quietschenden Reifen durch die Maximilianstraße brausen.
  • Anwohner fühlten sich vom Lärm vor allem an den Samstagen gestört.
  • Ordnungsreferent Dirk Wurm nennt das Durchgreifen gegen die Ruhestörung eine "Charme-Offensive".

Von Stefan Mayr, Augsburg

So klingt das also, wenn Augsburgs Stadtregierung eine "Charme-Offensive" ausruft: "Rechtlich stellen Autokorsos, vermeidbare Abgasbelästigung, unnötiger Lärm wie Hupen und unnützes Hin- und Herfahren eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar." Mit diesen Worten leitet Ordnungsreferent Dirk Wurm seine Initiative für umweltbewusstes und mitmenschenfreundliches Heiraten ein. "Charmant, aber unmissverständlich in der Sache", will der SPD-Politiker durchgreifen.

Seine Mission: Künftig sollen Hochzeitspaare und ihr Anhang nicht mehr hupend und mit quietschenden Reifen durch die Maximilianstraße brausen. Er kämpft gegen Ruhestörung auf Augsburgs Prachtstraße. Dabei pocht er auf Paragraf 30 der Straßenverkehrsordnung: "Der gilt auch für Hochzeitskorsos, die keine Sonderrechte haben." Der Stadt-Sheriff hat gesprochen. Widerspruch zwecklos.

Mit Blaulicht hinter dem Hochzeitskorso her

Wie man sich das jetzt bildlich-akustisch vorstellen muss? Die Polizei rast einem fröhlichen Hochzeitskorso mit Blaulicht und Martinshorn hinterher, schneidet mit quietschenden Reifen dem Brautwagen den Weg ab, steigt mit knallenden Türen aus, weist den Fahrer lautstark auf seine "unnötigen Lärm" hin und bittet ihn zur Kasse? Das wäre mal eine Straßenszene, mitten im beschaulichen Augsburg.

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Dirk Wurm wäre ja nicht der erste Ordnungsreferent in Augsburg, der es mit der Ordnungsliebe ein wenig übertreibt. Vor ihm gingen diverse Berufspolitiker in die Justizgeschichte ein mit dem Döner-Verbot (wurde vom bayerischen Verwaltungsgerichtshof in Stücke geschnipselt), mit dem Applaus-Verbot für einen Hasen-aus-dem-Hut-Zauberer (wurde wieder in die Tasche gesteckt), mit dem Apfel-Tomaten-Gesetz (schrieb die strikte Trennung von Obst und Gemüse auf dem Stadtmarkt vor, wurde aber vom Verwaltungsgericht kompostiert). Muss demnächst also auch das Hup-Verbot mit Pauken und Trompeten zu Grabe getragen werden?

"Es geht darum, auf die Anwohner Rücksicht zu nehmen"

Nein. Denn Augsburgs Ordnungshüter haben aus vergangenen Fehlern gelernt. Diesmal erlassen sie kein Verbot, sondern versuchen es mit einer, genau, Charme-Offensive. Die sieht so aus: Wurm hat alle Hochzeitsfotografen und -organisatoren zu einem Gespräch in sein Büro ein- oder eher vorgeladen. "Es geht darum, auf die Anwohner Rücksicht zu nehmen", sagt er. Viele seien "sich gar nicht bewusst", dass Hupen aus Lust an der Freude eine Ordnungswidrigkeit sei. Wurm räumt durchaus ein: "All das ist Ausdruck urbanen Lebens und geht völlig in Ordnung." Aber die Feiernden sollten sich eben auch bewusst machen, dass der ständige Partylärm vielen anderen "schlicht auf die Nerven geht".

Daniel und Ramona Stegmüller finden Wurms Aktion am Tag ihrer Hochzeit weder charmant noch lustig. "Das ist doch traurig", sagen sie am Donnerstag vor dem Standesamt. Natürlich kann man streiten über das Gehupe und vor allem das Reifengequietsche nach vollbrachter Trauung. Einerseits ist es streng genommen tatsächlich unnötig. Und an Samstagen ist das Hupkonzert auf der Augsburger Feiermeile wahrlich eine Ganztags-Geschichte, die irgendwann dem geduldigsten Nachbarn in den Ohren dröhnt.

Müssen Zentrums-Bewohner nicht mit Lärm rechnen?

Aber ist andererseits das Hupen nicht auch ein modernes, ritualisiertes Brauchtum in einer Autofahrernation, eingeführt kurz nach Erfindung der Hupe? Und muss nicht jeder, der eine Wohnung in der Innenstadt zwischen Diskotheken, Straßencafés und Standesamt bezieht, mit einer urbanen Geräuschkulisse rechnen? Man stelle sich einen Anwohner des Times Square vor, der bei der Polizei anruft, weil es dort zu laut ist und zu hell blinkt. Na gut, New York ist nicht Augsburg. Aber Augsburg ist auch nicht Asbach-Bäumenheim oder Weiler-Simmerberg. Wobei die Hochzeitspaare dort ganz bestimmt noch auf die Hupe drücken dürfen.

Nun wirbt das Wirtschaftsreferat der Stadt neuerdings mit dem Slogan "Und jetzt kommst Du!", um Besucher, die nach jahrelangem Baustellenchaos die Innenstadt und vor allem die Geschäfte wiederbeleben sollen. Und das Ordnungsreferat versucht nun, Hochzeitspaare aus dem Zentrum herauszulocken vor die Tore der Stadt? Dies immerhin mit einem Eintritts-Gutschein für den Botanischen Garten. Dort kann man laut Wurm auch schöne Erinnerungsfotos machen.

Daniel und Ramona Stegmüller lassen sich ihren Hochzeitstag von alldem nicht vermiesen. Sie werden es halt am Samstag richtig krachen lassen, sagen sie. Nach der kirchlichen Trauung. Im Stadtteil Göggingen, da dürfen sie noch nach Herzenslust hupen. Nach ihrem Ja-Wort in der Maximilianstraße ziehen sie tatsächlich still und leise von dannen. Zu Fuß. Sie waren ohne Auto gekommen.

© SZ vom 03.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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