Fall Rebecca:"Er fuhr hin, um sie zu töten"

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Der Angeklagte soll seine hochschwangere Geliebte ermordet haben. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Zum Spaziergang mit seiner schwangeren Geliebten nahm der Angeklagte Klebeband und Kabelbinder mit: In seinem Plädoyer im Fall Rebecca spricht der Staatsanwalt von einer akribisch geplanten Tat.

Von Katja Auer, Aschaffenburg

An der Tat zweifelt niemand, nun geht es darum, wie lang der 32-jährige Mann auf der Anklagebank ins Gefängnis muss. Lebenslange Haft fordert der Oberstaatsanwalt, dazu möge das Gericht die besondere Schwere der Schuld feststellen. Das bedeutet, dass die Strafe nicht nach 15 Jahren auf Bewährung ausgesetzt werden kann.

Es war ein Fall, der die Menschen im ganzen Land erschütterte: Vor einem Jahr soll der Lastwagenfahrer die 24-jährige Rebecca umgebracht haben, erdrosselt, weil sie sein Kind zur Welt bringen wollte. Die beiden kannten sich seit ein paar Jahren, gelegentlich hatten sie Sex miteinander. Heimlich allerdings, da der 32-Jährige verheiratet war und seine Ehe nicht gefährden wollte. 2012 war sein Sohn zur Welt gekommen.

Zwei Wochen nach der Tat hätte ihre Tochter zur Welt kommen sollen

Als Rebecca ihm erzählte, dass sie von ihm schwanger ist, forderte er sie auf, das Kind auf seine Kosten abtreiben zu lassen. Sie wollte nicht. Er erwürgte sie und versteckte ihre Leiche in einer Garage. Als sie ihren dreijährigen Sohn nicht vom Kindergarten abholte, begann eine aufwendige Suche. Tagelang. Zwei Wochen nach ihrem Tod hätte die kleine Lea zur Welt kommen sollen.

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Sie musste vermutlich sterben, weil ihr Geliebter seine Ehe schützen wollte. Zum Prozessauftakt spricht der 32-Jährige von einem "Blackout".

Von Katja Auer

Der Mann hatte ein Geständnis abgelegt und erklärt, er habe die junge Frau im Affekt getötet. Es klang larmoyant, was er seinen Verteidiger zum Prozessauftakt verlesen ließ, Rebecca habe ihn geradezu zum Sex gedrängt, Macht über ihn ausgeübt. Am Tag der Tat habe er an einem neutralen Ort mit ihr sprechen wollen, nur so, deswegen fuhren die beiden in den Wald. Da habe sie eine Quickie gefordert, dann seien sie gestolpert, sie habe geschrien, er sei ausgetickt. Am Ende war Rebecca tot.

Das allerdings sieht Oberstaatsanwalt Helmut Hasenstab ganz anders. "Ich glaube nicht, dass er nur reden wollte", sagt Hasenstab in seinem Plädoyer am Mittwoch. "Er fuhr hin, um sie zu töten." Selbst hatte der Angeklagte in den bisherigen elf Verhandlungstagen nichts gesagt, aber Zeugen und Gutachter konkretisierten das Bild von ihm. "Wir haben gehört von einer schwierigen Kindheit", sagt Hasenstab, "die geprägt war durch ein Elternhaus, das man sicherlich nicht als ideal bezeichnen kann."

Die Mutter war abhängig von Alkohol und Medikamenten, der Vater selten daheim. Gekümmert hatte sich die ältere Schwester, als die auszog, fühlte sich der Angeklagte alleingelassen. In seiner Jugend habe er sich "zu den Wilden" hingezogen gefühlt, Drogen gehörten dazu, Stänkereien.

Besser wurde alles, als er seine Frau kennenlernte, einen "Super-Fang", wie sie ein Zeuge bezeichnet habe. Sie sei seine große Liebe gewesen, auch mit den Schwiegereltern habe er sich gut verstanden. Seit 2002 waren die beiden zusammen, 2014 heirateten sie. Da nahm er sogar ihren Nachnamen an, seine eigenen Eltern waren nicht zur Hochzeit gekommen. Als guter Ehemann und liebevoller Vater wurde der Angeklagte beschrieben, sein 2012 geborener Sohn Jonas sei ihm sehr wichtig gewiesen. Er habe die Beziehung idealisiert als Gegenpol zu seiner Kindheit, hatte ein Gutachter im Verfahren gesagt.

Die Schwangerschaft seiner Geliebten war für ihn der Super-Gau

Doch der Angeklagte führte auch ein Doppelleben, sagt der Oberstaatsanwalt, und das habe schon vor der Ehe begonnen. An seinem Junggesellenabschied soll er Sex mit einer anderen Frau gehabt haben, Zeugen berichteten von verschiedenen Damen, mit denen er seine Ehefrau betrogen habe. Rebecca war nur eine von vielen.

Als sie schwanger wurde, nach einem einvernehmlichen Zusammentreffen auf der Gickelskerb, war das der Super-Gau, sagt der Oberstaatsanwalt. Der Angeklagte habe nicht nur um seine Ehe gefürchtet, sondern auch um seinen Lebensstil, denn die Unterhaltszahlungen hätte er ohne das Wissen seiner Frau nicht aufbringen können. Als Lastwagenfahrer verdiente er nicht übermäßig viel, er schob regelmäßig Zusatzschichten, um sein Einkommen aufzubessern. Immer wieder gaben die Schwiegereltern etwas dazu.

Also habe sich der 32-Jährige entschlossen, Rebecca zu töten und ihre Leiche dauerhaft zu beseitigen. "Der Plan nahm immer mehr Raum in seiner Vorstellung ein", sagt Hasenstab. Auch ein Gutachter hatte ausgesagt, dass der Angeklagte sich innerlich "mit einer gewaltsamen Lösung des Problems" arrangiert hatte.

Und dann waren die Dämonen aus seiner Kindheit wieder da

Dem widerspricht Verteidiger Christoph Jahrsdörfer, obwohl auch er seinen Mandanten als jemanden darstellt, der nicht mit Konflikten umgehen kann. Hätte er das gelernt, so wie es andere von ihren Eltern lernen, dann wäre womöglich gar nichts passiert, sagt er. Der 32-Jährige habe nicht von vornherein geplant, Rebecca zu töten. Das sei eine Möglichkeit gewesen, das schon, aber bis zuletzt habe der Angeklagte nur mit der jungen Frau reden wollen und eine Lösung finden, die seine Familie nicht zerstört. Seine Vaterschaft geheim zu halten, beispielsweise.

Dann die Rangelei, der Sturz, und dann seien die Dämonen wieder da gewesen, so nennt es der Verteidiger. Die Dämonen, die aus der Kindheit entwachsen sind. Erst in diesem Moment, sagt Jahrsdörfer, den sein Mandant als Blackout schildert, habe sich dieser entschlossen, Rebecca zu erwürgen. Er habe sich in einer ausweglosen Situation befunden und sei aufgrund seiner "charakterlichen Struktur" nicht in der Lage gewesen, eine andere Lösung zu sehen.

Mit Kabelbindern und Klebeband zu einem Waldspaziergang

Doch gegen die angebliche spontane Handlung des Lastwagenfahrers spreche auch die akribische Vorbereitung der Tat, sagt der Oberstaatsanwalt. Er hatte Wechselkennzeichen für das Auto seines Kumpels besorgt, dass er sich auslieh, um zu Rebecca zu fahren und später ihre Leiche zu einer Garage zu bringen. Er packte Kabelbinder, Klebeband und Einweghandschuhe ein und hatte außerdem ein Spannbetttuch dabei, als er mit Rebecca zu dem angeblich harmlosen Waldspaziergang aufbrach.

Selbst danach bleibt er gelassen. Er wirft Rebeccas Handy auf die Autobahn, damit es nicht geortet werden kann. Die Leiche legt er in einer Garage ab und als er merkt, dass ihre Handtasche noch im Auto ist, bringt er auch diese noch zurück. Er entsorgt seine Klamotten an verschiedenen Orten und kauft auf dem Heimweg einen Blumenstrauß für seine Frau. Die hat am nächsten Tag Geburtstag. "Er tat alles, um die Täterschaft zu verdecken", sagt der Oberstaatsanwalt. Als schon nach Rebecca gesucht wurde und der 32-Jährige verhört wurde, sei er immer noch ruhig gewesen und es habe keinen Anlass gegeben, an seinen Angaben zu zweifeln.

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Im Prozess um die Tötung der schwangeren Rebecca weist der Angeklagte jeglichen Vorsatz von sich. Er habe aus dem Affekt heraus gehandelt

Von Katja Auer

Er habe eine Neigung, unangenehme Dinge zu verdrängen, sagte Hasenstab, auch das habe ein Gutachter bestätigt. Der Angeklagte habe sich eine Version zurechtgelegt, um seine Tat vor sich und andere zu rechtfertigen. Denn tatsächlich gebe es keinen Anhaltspunkt, dass Rebecca ihn verfolgt und zum Sex gedrängt habe. Seine Nummer sei nicht einmal in ihrem Handy eingespeichert gewesen. Und dass eine hochschwangere Frau zwei Wochen vor der Geburt bei sommerlicher Hitze Lust auf einen Quickie im Wald gehabt haben soll, sei ebenfalls nicht nachzuvollziehen, sagt der Oberstaatsanwalt.

Gleich mehrere Mordmerkmale definiert er, deswegen solle der Mann wegen Mordes in Tateinheit mit Schwangerschaftsabbruch in einem besonders schweren Fall verurteilt werden. Zu lebenslanger Haft.

Sein Kumpel, der ebenfalls auf der Anklagebank sitzt, sei "haarscharf an der Mittäterschaft vorbeigeschrammt". Für ihn forderte der Oberstaatsanwalt sechs Jahre und sechs Monate Haft wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Schwangerschaftsabbruch. Der 26-Jährige hatte dem Freund sein Auto geliehen und ihm für die Tatzeit ein falsches Alibi gegeben. Außerdem soll er sich bereit erklärt haben, die Leiche später zu beseitigen. Dazu kam es nicht mehr. Das Urteil soll am Donnerstag fallen.

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