Amberg:Lange Haftstrafe für Missbrauch von Buben

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Von Andreas Glas, Amberg

Die heikelste Frage bleibt auch nach dem Urteilsspruch ohne Antwort: Wie kann eine 5000-Einwohner-Gemeinde nicht mitbekommen, dass ein Mann mitten im Ort und über Jahrzehnte hinweg Kinder sexuell missbraucht? Der Tatort: der Partykeller eines 56-Jährigen in Pfreimd in der Oberpfalz. Dort hat er sich an mindestens sieben Buben und männlichen Jugendlichen vergangen. "In ganz Pfreimd war bekannt, was da abgeht", sagte der Verteidiger am Mittwoch vor dem Landgericht in Amberg. Verurteilt wurde am Ende trotzdem nur der 56-Jährige. Er muss für siebeneinhalb Jahre in Haft.

Alles begann im Jahr 1984, als der Handwerker seinen Keller zu einem offenen Jugendtreff erklärte. Drei Jahrzehnte lang trafen sich dort fast täglich Kinder und Jugendliche aus Pfreimd und der Umgebung - bis sich eines der Opfer im vergangenen Jahr seiner Familie offenbarte. Die Familie zeigte den Mann an, danach meldeten sich immer mehr Opfer und Angehörige. "Von der Straße weg" habe er die Kinder und Jugendlichen holen wollen, sagte der Angeklagte vor Gericht. Eine Erklärung, der das Gericht nicht glauben wollte. Zum einen, weil der 56-Jährige bereits Ende der Achtziger zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war, weil er sich als Jugendleiter der örtlichen Feuerwehr an drei Jungen vergangen hatte. Zum anderen, weil er in seinem Partykeller Bier ausgeschenkt und den Jugendlichen erlaubt hatte, zu rauchen - in machen Fällen offenbar als Gegenleistung für sexuelle Handlungen.

Weil die Ermittler auf dem Computer des Angeklagten zudem fast 50 000 kinderpornografische Dateien gefunden hatten, forderte die Staatsanwältin am Ende der zwei Verhandlungstage zehn Jahre Haft. Dabei hatte das Gericht nur die Vorfälle der vergangenen 15 Jahre verhandelt. Gut möglich, dass der Mann in seinem Keller schon vorher Kinder missbraucht hat - doch wäre dies inzwischen verjährt. Für die Staatsanwältin seien die bekannten Fälle daher "nur die Spitze eines Eisbergs". Sie sprach von einer "systematischen Handlungsweise über einen extrem langen Zeitraum". Zwar sei der Angeklagte geständig gewesen, echte Reue habe er aber nicht gezeigt. Der 56-Jährige verfolgte Plädoyers und Urteil regungslos. Auch die Pfreimder schien der Prozess nicht zu interessieren. Auf den Zuschauerplätzen saß kein einziger von ihnen.

© SZ vom 20.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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