Altdorf:Nach "Islamschweinerei"-Diskussion: Der Posaunenchor übertönt die Hetze

Lesezeit: 3 min

Am Reformationstag spricht der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in der Altdorfer Laurentiuskirche über Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Und draußen protestieren die Pegidisten.

Von Katja Auer, Altdorf

Wenn dieses Wort nicht wäre, das nun einmal in der Welt ist, hätten die allermeisten Besucher am Montag in Altdorf einen rundum gelungenen Abend erlebt. In der vollen Laurentiuskirche, die als ehemalige Universitätskirche vielen Diskursen Raum geboten hat, spricht Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, über Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Vor Christen und Muslimen, am höchsten Feiertag der Protestanten, dem Reformationstag. Ein geradezu vorbildhafter Dialog der Religionen, möchte man meinen, den allerdings im Vorfeld ein CSU-Mann als "Islamschweinerei" bezeichnet und ihn so zu einer hochpolitischen Veranstaltung gemacht hat.

Auf dem hübschen Marktplatz versammeln sich eine Stunde vor dem Gottesdienst die Protestierer von Pegida Nürnberg, die gegen die "Islamschweinerei von Altdorf" zu Felde ziehen und ihre Parolen von einem Anhänger plärren. 30 Leute sind da, großzügig gezählt, aber sie gehen unter im Gegenprotest, den das Altdorfer Bündnis für Toleranz und Respekt organisiert hat. Bis zu 600 Menschen demonstrieren gegen Islamfeindlichkeit und für Toleranz, der Posaunenchor übertönt die Hetze.

Altdorf
:Pegida-Aktivist lädt zu Demo gegen "Islamschweinerei"

Am Reformationstag soll ein Muslim in einer fränkischen Kirche sprechen. Ein in der Region bekannter Rechtsextremer ruft zum Protest auf.

Von Eva Steinlein

Mit dabei ist Bürgermeister Erich Odörfer (CSU), der sich klar zu einem "offenen Weltbild" bekennt, für das Altdorf bekannt sei. Die Äußerungen seines Parteifreundes und Dritten Bürgermeisters Johann Peter Pöllot seien "falsch und nicht angebracht" gewesen. Pöllot hatte vor zwei Wochen eine Einladung zu der Veranstaltung erhalten und sich darüber derart aufgeregt, dass er bei Dekan Jörg Breu protestieren wollte. Weil der nicht ans Telefon ging, blieb ihm nur der Anrufbeantworter, dem er die "Islamschweinerei" diktierte.

Pöllot entschuldigte sich inzwischen - als der Vorfall öffentlich wurde - bei Breu und in einem offenen Brief auch bei der Islamischen Gemeinde für die "verheerende Formulierung". Er habe den Islam nicht verunglimpfen wollen, der Begriff sei ihm in der Aufregung rausgerutscht. Pöllot blieb aber dabei, dass der Dialog mit dem Islam zwar stattfinden könne, allerdings nicht in einer Kirche und nicht am höchsten Feiertag der Protestanten. Die SPD in Altdorf hat Pöllots Rücktritt gefordert, einige Besucher am Montagabend schließen sich an.

Für Dekan Breu spielt es keine Rolle, ob Pöllot im Amt bleibt oder nicht, er hat die Entschuldigung angenommen. Verstehen kann er die Entgleisung nicht. "Ein solches Wort und ein solches Eingreifen in kirchliche Belange sind eine deutliche Kompetenzüberschreitung eines kommunalen Amtsträgers", sagt er nach der Veranstaltung, als er hauptsächlich erleichtert ist. Deswegen, weil ja nicht klar war, ob der Protest ausarten könnte. Ob Islamfeinde in die Kirche drängen würden. Es ist nichts passiert, die Polizei ist präsent, die Demonstrationen bleiben friedlich.

Aiman Mazyek kennt Hetze, auch schlimmere. Er sagt, er sei mit einem unguten Gefühl nach Altdorf gekommen. "Mir ist einiges durch den Kopf gegangen, was mir noch nie durch den Kopf gegangen ist", sagt er. Und dass er sich tatsächlich Sorgen "um die Unversehrtheit" gemacht habe. Auch er ist erleichtert am Ende, auch darüber, dass sich die Altdorfer so eindeutig positionieren, draußen und drin. Mazyek hat die Entschuldigung von Pöllot ebenfalls angenommen, allerdings sei diese Hasssprache leider in der Welt und werde durch solche Äußerungen salonfähig gemacht und von anderen instrumentalisiert.

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

In seinem Vortrag appelliert er an die Politik, "insbesondere an die Konservativen und hier in Bayern ganz besonders an die CSU", vor den Wahlen nicht die Nerven zu verlieren und die Parolen von Extremisten zu kopieren. Das Konzept gehe nicht auf, das zeige sich in Österreich, Frankreich, England oder Ungarn. Stattdessen müssten sich die Parteien mit den Rechten auseinander setzen. "Gestalten statt spalten, das muss unser Credo sein", sagt Mazyek. Er distanziert sich in seiner Rede deutlich von islamistischer Gewalt und fordert das auch von hochrangigen muslimischen Geistlichen. "Wir brauchen keine Fundamentalisten, keine Islamisten, wir brauchen gar keine -isten. Wir brauchen wieder mehr Menschen, die Gutes tun, und keine Ideologen. Wir brauchen keinen Islam à la Lenin, sondern à la Gandhi." Und dann erklärt Mazyek noch, dass es natürlich so etwas wie eine deutsche Leitkultur gebe. Die Werte des Grundgesetzes zähle er dazu, Goethe, Schiller, die jüdischen Dichter, das Wirtschaftswunder, das ohne die türkischen Arbeiter nicht zustande gekommen wäre, aber auch die Lehren aus der Schoah. "Und von mir aus auch Halal-Würstchen und Oktoberfest", sagt Mazyek.

Der Beifall ist lang und herzlich und am Ende bedanken sich viele Besucher bei Mazyek und bei Breu. Draußen sind die Pegida-Plärrer längst abgezogen. Die Kerzen unter den Bäumen brennen noch.

© SZ vom 02.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: