Abgeschaffter Feiertag:Stress am Buß- und Ärgertag

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Betreuung in der Schule? Gibt es am Buß- und Bettag nicht. (Foto: N/A)

Seit der Feiertag abgeschafft ist, müssen bayerische Eltern am Buß- und Bettag ganz normal arbeiten. Und die Kinder? Die haben frei - und es fehlt an Betreuungsangeboten. Besinnung sieht anders aus.

Von Tina Baier

Sabine Büssert ist genervt. Das ist die Mutter von vier Kindern jedes Jahr am Buß- und Bettag, an dem ihre Kinder schulfrei haben, sie und ihr Mann aber arbeiten müssen. "Meine Kinder haben 14 Wochen im Jahr Ferien. Ich habe sechs Wochen im Jahr Urlaub. Mein Mann auch. Selbst wenn wir also keinen Tag gemeinsam Urlaub machen würden, fehlten immer noch zwei Wochen", schreibt sie. "Und dann kommt so was Blödes wie dieser Buß- und Bettag."

Der evangelische Feiertag wurde 1995 in allen Bundesländern außer Sachsen abgeschafft. Die Arbeitnehmer sollten durch einen Tag Mehrarbeit einen Beitrag zur damals neu eingeführten Pflegeversicherung leisten. In Bayern ist damals eine besonders merkwürdige Konstruktion entstanden: Eltern müssen arbeiten, Schüler haben frei, und Lehrer haben laut Kultusministerium "unterrichtsfrei, aber nicht dienstfrei". "Was sich so ein Bildungsminister dabei wohl denkt?", fragt sich Sabine Büssert. Man habe evangelischen Kindern die Möglichkeit geben wollen, an diesem Tag den Gottesdienst zu besuchen, heißt es aus dem Kultusministerium.

Eigentlich soll der Buß- und Bettag ein Tag der Besinnung sein, doch die jetzige Regelung bewirkt eher das Gegenteil. Väter und Mütter sind gestresst, weil sie eine Betreuung für ihre Kinder finden müssen. "Die meisten organisieren sich privat", sagt Ursula Walther, Sprecherin des Bayerischen Elternverbands. Oft bietet eine Mutter, die nicht arbeitet, an, mehrere Freunde und Freundinnen ihres Kindes an diesem Tag mitzubetreuen. Besinnung sieht anders aus.

Das gilt wohl auch für die Mutter von Sabine Büssert, die sich an diesem Mittwoch um alle vier Enkel kümmert und etwas mit ihnen unternimmt. Die hilfsbereite Oma dürfte wenig Zeit und Muße haben, etwa über den Zustand unserer Gesellschaft nachzudenken, wie es von der evangelische Kirche am Buß- und Bettag eigentlich vorgesehen ist. Walther rät Eltern, die keine Betreuung organisieren können, sich an die Schule zu wenden, mit der Bitte, eine Notgruppe einzurichten.

Unfrieden statt Besinnung

Auch viele Lehrer sind über die jetzige Regelung nicht glücklich. "Das schadet uns", sagt Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV). Der Lehrerberuf habe ja ohnehin nicht die höchste Reputation, und "dann entsteht in der Öffentlichkeit auch noch der Eindruck, dass Lehrer hier Privilegien haben".

Jedes Jahr sorge die Regelung, dass Eltern arbeiten müssen, die Kinder aber frei haben, für Ärger an den Schulen. Der BLLV setzt sich deshalb dafür ein, dass der Buß- und Bettag wieder als regulärer Feiertag eingeführt wird. "Die Regelung stiftet immer wieder Unfrieden", sagt auch Rita Schmid, Schulleiterin der Gerhardinger Grundschule in Regensburg. "Wenn Sie mich fragen: Mir wäre es am liebsten, die Lehrer würden am Buß- und Bettag ganz normal unterrichten."

Um zu demonstrieren, dass Lehrer heute nicht faul auf dem Sofa liegen, während alle anderen rotieren und versuchen, Arbeit und Familie irgendwie miteinander zu vereinbaren, veranstaltet der BLLV dieses Jahr eine große Lehrerfortbildung in Fürstenfeld, zu der sich bereits mehr als tausend Lehrer und Lehrerinnen angemeldet haben.

Viele Schulen lösen die absurde Situation, dass die Lehrer arbeiten sollen, obwohl keine Schüler da sind, indem sie einen "Pädagogischen Tag" veranstalten. Dabei diskutieren Lehrer und Elternvertreter über verschiedene Schulthemen, beispielsweise um Leseförderung, Mobbing oder die Einrichtung von Ganztagsklassen. An der Grundschule Passau-Neustift trifft sich das Kollegium, um gemeinsam ein Zimmer auszuräumen, das saniert werden soll, und Unterrichtsmaterialien zu ordnen.

Arbeitgeber haben das Problem mittlerweile erkannt und organisieren für die Kinder ihrer Mitarbeiter am Buß- und Bettag irgendwelche Freizeitaktivitäten. Karin Weiß etwa, Gleichstellungsbeauftragte im Landratsamt Bad Tölz, veranstaltet jedes Jahr einen Mitarbeiter-Kindertag. "Das war von Anfang an ein Erfolg", sagt sie. Die Kinder werden von acht Uhr bis halb eins betreut. Immerhin.

© SZ vom 20.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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