30-jährige Allgäuerin angeklagt:Von der Einzelhandelskauffrau zur Islamistin

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  • Eine Einzelhandelskauffrau aus dem Allgäu soll sich am Bürgerkrieg in Syrien beteiligt haben und mit ihren beiden Töchtern ins Kriegsgebiet gereist sein.
  • Sie knüpfte im Internet Kontakte zu einem Hessen, der nach Syrien ausgewandert ist und sich einer Untergruppe von al-Qaida angeschlossen hat.
  • Die Staatsanwaltschaft München erhebt nun Anklage gegen die 30-Jährige. Ihr drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Von Heiner Effern, München

Sie reiste im Januar 2014 mit ihren beiden kleinen Töchtern nach Syrien, um in den Krieg zu ziehen. Als Zweitfrau eines selbsternannten Gotteskriegers aus Hessen, der für den al-Qaida-Ableger Jabhat al-Nusra kämpft. Im Haus lagen Schusswaffen und Handgranaten, mit denen die 30 Jahre alte Frau aus Immenstadt im Bürgerkrieg ihre Feinde töten sollte. So beschreibt die Staatsanwaltschaft München die Karriere einer deutschen Islamistin, die nun in München vor Gericht gestellt werden soll. Die Anklage, die der Staatsschutzkammer des Landgerichts I vorliegt, lautet auf Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat. Darauf kann eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren stehen.

Ausgelöst hatte die Ermittlungen der frühere Lebensgefährte der "Einzelhandelskauffrau B.", wie sie von der Staatsanwaltschaft genannt wird. Er hatte Anzeige gegen die Mutter der beiden gemeinsamen Töchter erstattet, weil die Frau die Mädchen mit nach Syrien genommen habe. Seit April 2014 waren die Ermittler der zum Islam konvertierten Allgäuerin auf der Spur. Als die 30-Jährige am 23. Mai 2014 mit den Kindern zurückkehrte, schlugen sie am Frankfurter Flughafen zu. Seitdem sitzt die Frau in Untersuchungshaft.

Über den Verbleib der Kinder konnten die Jugendämter in Oberallgäu und in Frankfurt nichts sagen. In der Akte der Familie finden sich Hinweise auf ausstehende Unterhaltszahlungen vom Vater, aber nichts zu einem möglichen Abdriften der Mutter in den Extremismus.

Die Angeschuldigte erklärte laut Staatsanwaltschaft in ihren Vernehmungen, sie habe die Waffen zu ihrem Schutz vor Soldaten im Haus gehabt. Ihr Mann in Syrien, dessen Zweitfrau sie nach islamischem Recht wurde, habe ihr zwar gezeigt, wie man diese entsichert und beim Schießen hält, doch sie habe nie eine Kugel abgefeuert. Lediglich gereinigt habe sie die Waffen regelmäßig. Ob sie auch jetzt noch kampfwillig sei und möglicherweise in Deutschland eine Gefahr darstellt, dazu wollte sich die Staatsanwaltschaft nicht äußern.

Wie die Frau nach Syrien gelangte

Den Weg der Immenstädterin nach Syrien beschreiben die Ermittler in ihrer Mitteilung dafür detailliert. Über Freunde begann sie sich für den Islam zu interessieren. 2012 konvertierte die Frau, die katholisch aufgewachsen war. Ähnlich wie viele ihrer 50 bis 55 Gleichgesinnten in Bayern, die schon nach Syrien als Kämpfer ausgereist sind oder dies planen, holte sie sich Informationen aus dem Internet.

Dort stieß sie auf eine aus Hessen stammende Frau, die ihr wohl den Weg in die Radikalisierung wies. Sie gab an, mit ihrem Mann nach Syrien ausgewandert zu sein, um gegen das Assad-Regime zu kämpfen. Wenn B. mit ihren Kindern nachkomme, werde er sie zur Zweitfrau nehmen und versorgen.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurde dieser Plan umgesetzt. Gegen den Mann wird nun ebenfalls ermittelt. Er soll sich wie seine erste Frau ebenfalls wieder in Deutschland befinden. Bekannt ist, dass der Mann der Gruppe Jabhat al-Nusra angehören soll. Diese ist nach Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes (BND) der Ableger von al-Qaida in Syrien. Sie wurde 2011 gegründet und kämpft nicht nur gegen die Soldaten Assads, sondern auch gegen den Islamischen Staat (IS)

Mehrere Frauen aus Bayern zogen in den Krieg

. Dieser Organisation schließen sich die meisten Kämpfer derzeit an, die aus Deutschland nach Syrien ausreisen. Verfassungsschützer führen das auf die aggressive Medienpräsenz und die militärischen Erfolge des IS zurück. Die Immenstädterin B. sei mit ihrer Sympathie für die Konkurrenz eher ein Einzelfall. Sie sei aber nicht die einzige Frau, die aus Bayern in den Krieg nach Syrien zog. Etwa fünf hätten dieses bereits getan oder würden es planen, heißt es beim Verfassungsschutz.

In ihrer Heimat Immenstadt beobachtet der Verfassungsschutz bisher keine erhöhte Aktivität radikaler Islamisten. Mit der Moschee dort habe die Entwicklung der Einzelhandelskauffrau nichts zu tun, sagt ein Sprecher. Auch Bürgermeister Armin Schaupp betont, dass ein sehr guter Draht zum Imam und seiner Gemeinde bestehe. Der Fall seiner ehemaligen Bürgerin sei ihm nicht bekannt. Moschee und Kirchenvorstand waren am Mittwoch nicht zu erreichen.

Kempten als Zelle für Islamisten

Doch in der Nachbarschaft, im gut 20 Kilometer entfernten Kempten, sehen Verfassungsschützer nach wie vor eine der Hauptzellen von Islamisten in Bayern, neben München, Nürnberg und Augsburg. Ob die nun angeschuldigte Frau auch Kontakt zu dieser Szene hatte, ist nicht bekannt.

Zwei spektakuläre Fälle hatten Kempten ins Visier der Ermittler gerückt: David G. entwickelte sich dort in wenigen Monaten zu einem gewaltbereiten Islamisten. Im Januar 2014 starb er in Syrien durch eine Kugel.

Seinen damals 22 Jahre alten Gleichgesinnten aus Kempten, Erhan A., schob Bayern im Herbst in die Türkei ab, weil er sich öffentlich zum Kampf für den IS bekannte. Im Magazin der Süddeutschen Zeitung hatte A. gesagt, dass er auch seine eigene Familie töten würde, wenn sie sich gegen den IS stellen sollte.

© SZ vom 05.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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