Alte Gebäude in Bayern:Küchenhölle im Schredl-Haus

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Ob ein Gefängnis im alten Ritterhaus oder ein 600 Jahre altes Blockhaus, das beinahe einem Parkplatz weichen musste. Bayerns älteste Gebäude erzählen beeindruckende Geschichten aus längst vergangenen Tagen. Sechs Tipps aus der SZ-Redaktion.

Von Benedikt Dietsch und Clara Lipkowski

Gebäude aus längst vergangenen Tagen erzählen oft Beeindruckendes aus einer längst vergangenen Zeit. Da gibt es etwa die Geschichte vom Schredl-Haus am Schliersee. Im weiter hinten gelegenen Ritterhaus legt der Fund von Ketten nahe, dass dort einst ein Gefängnis war. Oder die Geschichte des mehr als 600 Jahre alten Blockhauses in Mitterfels. Dass es noch steht, ist einem Zufall zu verdanken. Denn eigentlich sollte es abgerissen werden, um einen Parkplatz zu errichten. Ein Überblick über sechs beeindruckende Gebäude und ihre Geschichten.

Hirte im Dienst des Dorfes

Der letzte Hirte ging 1952. Mit ihm verschwand auch das Leben aus dem Herderhaus in Bergham bei Erding. Seit es 1650 errichtet wurde, waren in ihm mehr als 300 Jahre Mensch und Tier untergebracht: der Dorfhirte, seine Familie, Schafe, Ziegen und Hühner, alle unter einem Strohdach. "Die Hirten, die hier wohnten, standen jahrhundertelang im Dienst der Gemeinde", sagt Sandra Angermaier vom Verein für Denkmalpflege in Erding. Nutztiere waren seit 1400 eine beliebte Investition - Schafswolle und Ziegenkäse machten das Leben deutlich einfacher. Nur hatten die Dorfbewohner keine Zeit, sich um die Tiere zu kümmern. Das übernahm der Hirte für sie und behielt dafür einen Teil der Erzeugnisse für sich.

"Solche Herderhäusl hat es in ganz Bayern gegeben", sagt Angermaier. Doch die meisten wurden schon vor langer Zeit abgerissen. Und die wenigen, die es noch gibt, sind meist in Freiluftmuseen versetzt worden. Daher ist das Herderhäusl ein Unikum: Es steht samt Brunnenkasten immer noch an derselben Stelle im Lindenhain, an der es errichtet wurde.

Küchenhölle im Schredl-Haus

Das Schredl-Haus am Schliersee ist ein bauliches Potpourri. "Eigenartig", nennt Johanna Maier vom Verein Heimatfreunde das heutige Heimatmuseum. Zwei Häuser teilen sich Dach und Namen: Vorne steht das Bauernhaus, das zum Großteil aus dem Jahr 1447 stammt. In diesem Teil des Schredl-Hauses ist noch Inventar erhalten. Dazu gehört eine Rauchküche im Originalzustand: Bis ins 19. Jahrhundert kochten die Menschen am offenen Feuer, der Qualm zog mehr oder weniger gut durch eine Öffnung im Dach ab.

Weiter hinten liegt das Ritterhaus. "Wir wissen bis heute nicht, wann es gebaut wurde. Es wird vermutet, dass es an das Bauernhaus angebaut wurde", sagt Maier. Womöglich ist es aber noch älter - und diente einst als Gefängnis. Das legen die Ketten nahe, die dort gefunden wurden. Im Obergeschoss des Ritterhauses befindet sich ein Saal. Laut Maier könnten hier die Gerichtsverhandlungen stattgefunden haben. Seinen Namen hat das Haus von Sigmund Schröttl, einem Chorherren, der Mitte des 15. Jahrhunderts in dem Haus lebte.

Sensationsfund im Holz

Vor 17 Jahren musste Maria Birkenauer etwas erkämpfen, wofür ihr heute der ganze Ort dankbar ist. Sie schaffte es, dass die Hien-Sölde erhalten blieb. Das Rote Kreuz wollte das unscheinbare Haus eigentlich für einen Parkplatz abreißen. Doch Untersuchungen ergaben, dass das Haus knapp 600 Jahre alt ist, erbaut aus geschichteten Holzbalken. Dass es ein solches Blockhaus in Bayern noch gibt, war eine Sensation. Anhand der Jahresringe im Holz konnten Forscher das Baujahr exakt auf 1436 bestimmen. Für das Haus haben die einstigen Bauherren junge Tannen frisch nach dem Fällen verarbeitet.

Birkeneder setzte alles daran, das Denkmal zu erhalten, gründete einen Verein und bekam so Fördermittel für die Sanierung. Heute ist sogar der Grundriss des Bauernhauses von 1436 wieder gut zu erkennen: drei Kammern, eine Stube und ein Fletz (Flur) - einzigartig in der Umgebung. Mittlerweile treffen sich Kartler und Singgruppen in der Stube, der Landesverein für Heimatpflege hat sich in drei Räume eingemietet - so kann der Verein Geld zurücklegen, sollten mal Reparaturen anfallen.

Moderne und Gotik

Wer die Galerie LAProjects in der Landshuter Altstadt besucht, bekommt wohl einen gewissen Kontrast zu sehen. An den Wänden hängt die Kunst der Gegenwart, die Wände selbst sind uralt. In dem mittelalterlichen Haus, über der Galerie, wohnen Jörg Ludwig und seine Frau Edith. "Das älteste in unserem Haus stammt von 1389 - die Holzdecke", sagt Galerist Ludwig. Der Erste, von dem man weiß, dass er unter dieser Decke lebte, ist Mang Schwennkh. Der Maler wohnte 1484 hier, als die Altstadt noch nicht alt war, sondern einfach nur Stadt. Goldschmiede, Schreiner, Zimmerer - die meiste Zeit lebten Handwerker hier. Doch die große Veränderung des Hauses kam nicht mit der Expertise, sondern mit dem Geld: Als später etwas reichere Leute einzogen, erhielt das Haus sein heutiges Gesicht. Barock-Fassade, Raumaufteilung und Dachstuhl gehen auf das 18. Jahrhundert zurück.

Als das Ehepaar Ludwig das Haus 2010 kaufte, war nichts mehr von altem Glanz zu sehen. Es war jahrelang leer gestanden, die Wasserleitungen waren defekt und die Dachbalken durchgefault. "Es wuchsen Bäume aus dem Dach und der Dachboden war ein Taubenfriedhof", beschreibt Ludwig den Zustand. Doch nach eineinhalb Jahren Arbeit mit Architekten, Handwerkern und dem Amt für Denkmalschutz konnten Jörg und Edith Ludwig in das Haus einziehen. Und bekamen 2014 sogar die Denkmalschutzmedaille für die Sanierung. Im Erdgeschoss eröffnete das Ehepaar die Galerie. "Damit habe ich mir einen langjährigen Traum verwirklicht", sagt Jörg Ludwig. Er will Kunst ausstellen, die für andere Kunsthäuser zu unpopulär ist.

Adlessitz und Tankstelle

Wer heute die Hohe Kemenate von Karlstadt betritt, tut dies in der Regel, um Bücher zu suchen. Doch die Geschichte der Stadtbibliothek drängt sich an vielen Stellen auf: Zentral ist etwa eine Rekonstruktion des namensgebenden Kamins in einem der Säle, auf den Besucher des Lesecafés blicken. Um 1200, mit Gründung der Stadt, hatte sich wahrscheinlich eine adlige Familie aus Würzburg, die sich eine große Feuerstelle leisten konnte, die Kemenate als Wohnhaus bauen lassen. Heute zählt sie zu den ältesten erhaltenen Profanbauten Bayerns.

Noch im 13. Jahrhundert wurde sie um einen Küchenrückbau erweitert, im 14. und 15. Jahrhundert um zwei Obergeschosse. Von 1638 an wandelte es sich zum Arbeiterhaus: Sattler, Schneider und Metzger zogen ein, das belegen Archivalien. In den Neunzigerjahren kaufte die Stadt das Gebäude und ließ es sanieren. Die Entscheidung war Teil der groß angelegten Renovierung der Altstadt. Die hatte der damalige Bürgermeister Karl-Heinz-Keller angestoßen. Heute ist die mittelalterliche Planstadt für Fachwerkhäuser, Türme und Tore berühmt - und Keller Träger der Bayerischen Denkmalschutzmedaille 2018.

Im Fall der Kemenate mussten für die Sanierung die Autowerkstatt und Tankstelle im Erdgeschoss weichen. Zuvor, 1990, hatte noch der Orkan Wiebke, der damals durch die Region gezogen war, das Dach abgedeckt. Während der Umbauten wurde dann das Vorder- mit dem Hinterhaus verbunden und barrierefrei gemacht. Und auch an der Fassade achtete man auf Details: Fußgänger können dort heute die Renaissancemalerei lesen: "hic habitat felicitas - nihil intret mali" - "Hier wohnt das Glück, möge das Unglück niemals eintreten."

Schöner wohnen seit 800 Jahren

Es ist eines der ältesten Gebäude der ohnehin altehrwürdigen Stadt, ein zweites Wohnhaus wie dieses gibt es wahrscheinlich in ganz Bayern nicht mehr. Das romanische Turmhaus nahe des Kornmarktes stammt aus dem Jahr 1196. Und ist damit ein halbes Jahrhundert älter als die zahlreichen Patriziertürme, die so typisch für Regensburg sind. Die Türme bauten die Patrizier, um ihren Status zu demonstrieren - je höher, desto mächtiger. Wer das Turmhaus gebaut hat, das ist bislang ein ungelöstes Rätsel.

Heute ist es Teil des Stiftes "Unserer lieben Frau zur Alten Kapelle". Und nach wie vor ein Wohnhaus. "So wie es aufgebaut ist, hat man dort vermutlich schon immer gewohnt", sagt Bauforscher Karl Schnieringer. Die Wohnungen werden heute an Mitarbeiter des katholischen Stifts und sozial Schwache vergeben. Vor über hundert Jahren kamen bei Bauarbeiten am Nachbarhaus Überreste einer römischen Halle zum Vorschein, so groß wie ein Einfamilienhaus. "Es wurde viel spekuliert, was das einmal war", sagt Lutz Dallmeier vom Amt für Denkmalpflege in Regensburg: Staatskasse, Getreidespeicher, Wohnhaus des Präfekten. "Aktuell geht man davon aus, dass die Überreste Teil einer Badeanlage waren." Unter dem Turmhaus dürften auch noch Überreste liegen.

Das Badehaus lag im Legionslager neben dem Haus des Präfekten - ob es dessen privates war, ist jedoch nicht überliefert. An die Zeit, in der hier römische Prominenz verweilte, erinnert heute ein Türstock neben dem Haus. Das antike Relikt aus dem Jahr 179 besteht aus den Teilen von drei verschiedenen Türstöcken. Archäologen hatten die Kalksteinblöcke 1899 bei Ausgrabungen entdeckt und danach zu einem Stück zusammengesetzt.

© SZ vom 20.4.2019 / bedi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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