VW-Konzernstrategie:Skoda soll zur Billig-Marke werden

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Ein Klassiker: Im Ostblock setzten die heckgetriebenen Škodas mit ihrem markanten Design Maßstäbe. Hier ein Modell aus den Siebzigerjahren.

(Foto: dpa/Skoda)

Die tschechische VW-Tochter Skoda ist mit ihren Modellen durchaus erfolgreich. Dennoch plant Volkswagen-Boss Herbert Diess, die Marke in das Billig-Segment zu drücken.

Von Georg Kacher

Herbert Diess denkt in großen Zusammenhängen und anderen Dimensionen, ähnlich wie der Apple-Chef Tim Cook, der Tesla-Gründer Elon Musk oder VW-Patriarch Ferdinand Piëch zu seinen besten Zeiten. Der einstige BMW-Entwicklungsvorstand Diess hat VW konsequent auf E-Mobilität umgepolt, will gegen die Tech-Giganten für seine Konzernprodukte ein eigenes Betriebssystem durchboxen, schmiedet Allianzen mit Wettbewerbern wie Ford und Start-ups wie Argo. In den neu geordneten Markenwelten sollen VW, Porsche und Audi gestärkt werden, zur Not auch zulasten von Seat, Škoda, Bentley und Lamborghini. Um die Marge des Marktführers auf zehn Prozent zu verdoppeln, will der Konzernchef vor allem für Volkswagen mehr Freiräume schaffen und Kannibalisierung weitgehend verhindern. "Wenn drei oder vier Marken mit ähnlichen Produkten um die gleiche Zielgruppe kämpfen, geht das auf Kosten aller Beteiligten", weiß der CEO. "Deshalb müssen wir uns breiter aufstellen, bei Bedarf die Positionierung entzerren und trotzdem die Synergien intensivieren."

Der große Verlierer in dieser Mehrfach-Rochade könnte Škoda sein. Die Tschechen sollen nämlich künftig im VW-Imperium jene Rolle spielen, die die rumänische Marke Dacia seit Jahren mit Bravour für Renault-Nissan ausfüllt. Fragt sich nur, ob es geschickt ist, das beeindruckende qualitative wie quantitative Wachstum des flinken Simply-Clever-Teams künstlich einzubremsen und stattdessen margenschwache Segmente ins Visier zu nehmen. Wäre es nicht klüger, das Übel an der Wurzel zu packen und VW durch tolles Design, Top-Qualität und eine ambitionierte Modellpalette aufzuwerten? Die Wolfsburger Strategieabteilung sieht das offenbar anders und verweist auf die Preisklasse zwischen 10 000 und 20 000 Euro, in der viel Platz ist für neue Kleinwagen und erschwingliche Elektroautos, die allerdings deutlich geringere Renditen einfahren. Der nächste Superb ist zwar beschlossene Sache, aber von den drei angedachten Škoda-Stromern mit VW-Technik hat aktuell nur ein einziges SUV / CUV-Derivat die Freigabe, und ob das geplante revolutionäre Bedienkonzept mit den pragmatischeren Kernwerten der Marke korreliert, ist offen.

So wie Škoda nach unten auszuweichen hat, so soll Seat sein Heil in der Flucht nach oben suchen. Wie genau funktioniert das, Herr Diess? "Seat ist derzeit nur in Spanien, Deutschland und England richtig stark. Um die Breitenwirkung zu verbessern, denken wir darüber nach, das Cupra-Element zu forcieren und so die Autos für den Weltmarkt attraktiver zu machen." Nach einer Übergangszeit will VW in drei bis fünf Jahren mit Cupra einen Neustart wagen - ohne Vans wie den Alhambra, ohne den kleinen Mii und ohne Ibiza im Polo-Format. Stattdessen könnte sich das Unternehmen knapp unter Golf und Passat mit sportlichen Fahrzeugen und aufregendem Design neu positionieren. Auf dem Wunschzettel der Spanier stehen auch ein dynamischer CUV, ein fünftüriges Coupé und ein betont emotionales zweitüriges Heckmotor-Elektroauto. Die dazu passende DNA stammt aus Wolfsburg, die Philosophie soll an den genialen "Auto Emoción"-Slogan anknüpfen, Digitalisierung und neue Mobilitätskonzepte sind wichtige flankierende Maßnahmen.

Während VW mit mittelfristig bis zu zehn E-Autos voll auf die Kraft aus der Steckdose setzt, kann Audi bei Weitem nicht so offensiv agieren. Der erfolgsverwöhnte Premium-Anbieter muss unter zunehmendem Kostendruck sparen, abspecken, sein Angebot ausdünnen. O-Ton Herbert Diess: "Es ist wenig sinnvoll, in jeder Audi-Baureihe Verbrenner und E-Modell parallel anzubieten. Stattdessen gilt es zu selektieren und Akzente zu setzen, die in die Marke und in die Kasse einzahlen." In der neuen Hierarchie rangiert Audi auf gleicher Höhe mit Porsche, doch selbst die Ingolstädter müssen sich im Zweifelsfall VW unterordnen.

Auch Porsche kämpft im Rahmen der E-Mobilität mit den Kosten, denn die Umstellung auf Elektroantrieb belastet jedes Auto im Schnitt mit zusätzlichen 10 000 Euro. Trotzdem soll der Macan als meistgebauter Porsche schon ab dem Jahr 2022 die Fronten wechseln. Zur Absicherung der Stückzahlen bleibt der nochmals facegeliftete Benziner bis 2024 im Programm. Weil für den nächsten Audi Q 5 ähnliche Regeln gelten, wäre der auch mit Verbrennern und der Brennstoffzelle kombinierbare, von Audi favorisierte Multi-Traktions-Baukasten eine spannende Alternative zur elektrischen PPE-Matrix. Ähnlich kritisch ist die Gemengelage für den Panamera, der eines fernen Tages mit dem Taycan zu einer emissionsfreien Produktfamilie verschmolzen werden soll. Während der Hochvolt-Elfer bislang nur auf dem Papier steht, wollen die Schwaben die Neuauflage von Boxster und Cayman wie geplant ab 2023 elektrifizieren und dabei auch den Nachfolger des Audi TT mit ins Boot nehmen.

Nicht Audi, sondern Porsche übernimmt aus heutiger Sicht die Systemführerschaft für eine Hightech-Premium-Architektur in der Preisklasse oberhalb von 100 000 Euro, deren Antrieb mit Strom und Wasserstoff gespeist werden kann. Dass Weissach sich hier starkmacht, liegt auch an Bentley, das gemeinsam mit Bugatti in einer Zwischenholding geparkt werden soll, für die Porsche die Ergebnisverantwortung trägt. "Bentley ist über den Berg", glaubt Diess. "Die nächste Herausforderung, an der sich die Briten messen lassen müssen, ist die Synthese von ultimativem Luxus und der nächsten Evolutionsstufe des E-Antriebs." Die Studie EXP 100 hat gezeigt, was in Zukunft für Bentley machbar sein könnte, doch für 2023 steht erst einmal ein PPE-Ableger im Fokus, der sich nicht nur für ein flach bauendes Crossover-Coupé im Mulsanne-Format eignet, sondern auch für einen noch zu definierenden Audi A 9.

Obwohl Lamborghini 2019 dank des Urus fette schwarze Zahlen schreibt, steht die Zukunft der Marke (die zu Audi gehört) in den Sternen über Sant'Agata. VW denkt unter anderem darüber nach, den Sportwagenhersteller an die Börse zu bringen, und auch ein Verkauf ist angeblich nicht ausgeschlossen. Weil Audi knapp bei Kasse ist, leben die Italiener seit Monaten von der Hand in den Mund - die Nachfolger von Aventador und Huracan sind zwar in Arbeit, doch die Finanzierung steht auf tönernen Füssen. Bugatti tut sich ebenfalls schwer. Der Chiron wird zwar kontinuierlich weiterentwickelt, aber auf die Freizeichnung des Budgets für den vollelektrischen, rund 1850 PS starken CUV, der im Verbund mit Rimac und Edag realisiert werden könnte, wird Piëchs Lieblingsmarke vermutlich noch lange warten müssen. "Wir dürfen uns nicht verzetteln", sagt Herbert Diess, und dabei zuckt nicht der Anflug eines Lächelns über sein Gesicht. "Das mag im Einzelfall hart sein, ist aber der einzige gangbare Weg."

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