VW-Abgas-Skandal:"Für uns sind das gängige Software-Bestandteile"

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Porsche bekommt seine Dieselmotoren von Audi geliefert. Nun aber könnte die Sportwagen-Marke dennoch Schaden nehmen. (Foto: Uwe Zucchi/dpa)
  • Der Volkswagen-Konzern sieht sich mit neuen Betrugsvorwürfen aus den USA konfrontiert.
  • Diesmal geht es um das Abgasverhalten mehrerer VW-, Audi- und Porsche-Modelle mit 3,0-Liter-V6-Dieselmotor.
  • Wieder sollen die Techniker bei der Software getrickst haben. VW räumt zwar kleine Fehler ein, ist aber über die Schwere der Kritik entsetzt.

Von Joachim Becker, Max Hägler und Klaus Ott

Manchmal wird selbst die hochoffizielle Kommunikation zwischen Behörden und Großkonzernen emotional: "Sehr enttäuscht" sei man, schreibt Annette Hebert, Abteilungsleiterin der kalifornischen Umweltschutzbehörde Carb da in ihrem Brief vom 2. November an VW. Sehr enttäuscht über die neuesten Entwicklungen bei Volkswagen. Jetzt habe man schon wieder, zum zweiten Mal, Schummeleien beim Abgasverhalten von Dieselautos feststellen müssen - obwohl man doch Offenheit bei dem Thema gefordert habe. Doch stattdessen seien jetzt noch mehr VWs betroffen - und auch Audi und Porsche, Autos mit 3-Liter-Dieselmotoren. Very disappointing.

VW möge, schreibt Hebert, bei ihr anrufen, zwecks Vereinbarung eines Gesprächstermins. Das war am Montagabend deutscher Zeit. Da war schon klar, dass es viel zu bereden geben würde. 24 Stunden später hat sich die Tagesordnung verlängert. Diesmal teilt Volkswagen selbst mit, dass noch mehr schiefgelaufen ist: Bei 800 000 Autos sei es "bei der Bestimmung des CO₂-Wertes für die Typ-Zulassung von Fahrzeugen zu Unregelmäßigkeiten gekommen". Die Wagen könnten mit zu niedrigen CO₂- und damit auch zu niedrigen Sprit-Verbrauchsangaben verkauft worden sein. Die wirtschaftlichen Risiken beziffert der Konzern für den Moment auf zwei Milliarden Euro. Für den Dieselskandal sind bisher 6,5 Milliarden Euro zurückgestellt. Es wird immer teurer, immer ausufernder. Es geht nicht mehr nur um zu viel Nox, sondern nun auch um zu viel CO₂. Und es geht nicht mehr nur um Diesel, sondern diesmal offenbar auch um Benzinmotoren. Die schonungslose Aufklärung sei "ein schmerzhafter Prozess", sagte Volkswagen-Vorstandschef Matthias Müller zu diesen ganz neuen Problemen - aber die Aufklärung sei für Volkswagen "ohne Alternative": Nur die Wahrheit zähle. Das sei die Voraussetzung für die grundlegende Neuausrichtung, die der Konzern brauche. Die Aufsichtsräte teilten mit, sie hätten diese neuen Informationen "mit Sorge" zur Kenntnis genommen. Bereits am Montagabend, nach den neuen US-Vorwürfen, hatten sie sich zusammentelefoniert. "Tiefes Entsetzen" habe da geherrscht, berichtet einer der Teilnehmer. Wobei die VW-Leute auch verwundert klingen: Die Vorwürfe, die ohne erkennbare Vorwarnung von der Carb und der im Gleichschritt arbeitenden US-Umweltschutzbehörde EPA kamen, seien "vage, aber hart".

Die Gegenrede aus der Konzernzentrale in Wolfsburg war dann ebenfalls hart, nur wenige Stunden nach der Beschwerde aus den USA: "Die Volkswagen AG betont, dass keine Software bei den 3-Liter V6-Diesel-Aggregaten installiert wurde, um die Abgaswerte in unzulässiger Weise zu verändern." So etwas versendet ein Konzern nicht leichtfertig, denn müsste er zurückrudern, wäre das Image noch lädierter.

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Also stellt sich bei den US-Vorwürfen die Frage: Was stimmt denn nun? Irren die Behörden diesmal? Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung haben die Motorenentwickler einen Aspekt nicht korrekt beschrieben bei der Zulassung des Motors und gestehen das auch ein. Es geht um das Emissionsverhalten in der Warmlaufphase: Der Katalysator muss erst warm werden, um optimal zu arbeiten und das Abgas weitgehend frei zu bekommen von Stickoxiden.

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Ist alles auf Betriebstemperatur - der Kat braucht 200 Grad Celsius -, dann, so sagen die deutschen Techniker, sei der Motor extrem effizient, sparsam und sauber: 4,5 Liter Diesel auf 100 Kilometer seien machbar. Und, so heißt es bei VW, dieses abweichende Abgasverhalten bei Fahrtbeginn sei erlaubt, es sei keine Manipulation. Dass man dies unzureichend beschrieben habe, sei wohl ein Fehler, ja, aber doch kein Betrug.

Audi-Techniker haben den Motor für den ganzen Konzern entwickelt. Er war bislang ein Erfolgsmodell: Seit 1997 wurde der Motor mehr als 2,5 Millionen Mal verbaut. Und so soll es weitergehen, dafür scheinen sie zu kämpfen. "Für uns", sagt ein Audi-Sprecher, "sind das gängige Software-Bestandteile". Das System müsse etwa erkennen, ob ein defensiver Fahrer am Steuer sitzt, bei dem der Motor gar nicht richtig heiß werde; dann müsse sich die Abgasnachbehandlung entsprechend automatisch darauf einstellen.

Im VW-Konzern rätseln sie

Klingt plausibel. Doch gibt es da noch einen offenbar weitergehenden Vorwurf, der zumindest gegen bestimmte Audi A6 (Modelljahr 2016) und VW Touareg (Modelljahr 2014) erhoben wird: Diese Autos hätten ein Abgasverhalten wie jene, bei denen VW vor sechs Wochen Softwaremanipulationen eingestanden habe. Was genau heißt das? Es klingt, als drehe es sich nicht um Abgaswerte direkt nach dem Start, sondern um schlechte Luft bei freier Fahrt mit warmem Motor. Noch haben sich die US-Behörden dazu nicht weiter geäußert, und so scheinen sie im VW-Konzern zu rätseln. Aber sie sind sich offenbar sicher, hier keine Betrügereien verbaut zu haben, sonst hätten sie sich nicht so dagegen gewehrt.

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Auch Porsche wird genannt, einen Cayenne aus dem Modelljahr 2015 haben die US-Behörden geprüft. Die Testergebnisse mit diesem Auto würden die Vorwürfe erhärten, heißt es aus Kalifornien. Bei Porsche ist man verwundert. Sie haben gleich nach dem Aufkommen des Abgas-Skandals ihre eigenen Dieselautos getestet; viele gibt es nicht, die Dieselmotoren werden von der Konzerntochter Audi zugeliefert und nur noch ein wenig angepasst. Also fuhren sie mit den V6- und V8-Autos auf die Prüfstände und auf das Testgelände und bemerkten dem Vernehmen nach keine großen Auffälligkeiten. Jedenfalls nichts, was darauf hindeutete, dass auch in die Steuerung dieser Motoren Betrugssoftware eingebaut worden sei. Auch den Vorwurf aus den USA, eine Zeitschaltuhr verbaut zu haben, verstehen sie nicht. Jetzt werden sie nochmals testen. Und sie hoffen, in den anstehenden Gesprächen mit der Carb-Beamtin Hebert und deren Kollegen herauszufinden, worum es geht.

Die Irritation bei VW ist spürbar

Denn die USA sind der wichtigste Markt der Welt für Porsche; etwa ein Viertel aller neuen Sportwagen werden dorthin verkauft.

Wobei Gespräche nicht immer helfen, auch geplante nicht. Für diesen Donnerstag ist eines zwischen einem hochrangigen Vertreter der Volkswagen AG und der EPA in Washington anberaumt, um das "Thema 3.0 V6 TDI" zu klären. "Wir sind im Dialog mit der EPA davon ausgegangen, dass Unklarheiten zu diesem Thema am Donnerstag hätten besprochen werden können, bevor es zu einer Veröffentlichung kommt", erklärt der Konzern. Wobei es wohl gar nicht mehr viel Dialog gibt, sondern die EPA ihre Erkenntnisse meist den Justizbehörden übergibt. Die Irritation bei VW ist spürbar.

Aber eben auch die Irritation in den USA. VW habe "wieder einmal" gegen die Gesetze verstoßen, die für saubere Luft "für alle Amerikaner" sorgen sollen, schimpft Cynthia Giles von der EPA in ihrer Mitteilung.

© SZ vom 04.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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