Neu: VW Passat 2011:Neues Auto, alte Tugenden

Lesezeit: 3 min

Die aktuelle Generation des VW Passat ist perfekt verarbeitet, hoch funktional und komfortabel - aber nichts fürs große Gefühl.

Georg Kacher

Sie erinnern sich an den Wechsel von Golf V zu Golf VI? Damals war viel von Wertigkeit die Rede, von Weg weisenden technischen Inhalten und von der neuen Designsprache, die mit Strenge und Stringenz einen bezahlbaren Premium-Anspruch erfüllen möchte. Nach gleichem Muster hat VW jetzt den Passat B6 zum B7 aufgewertet, wobei das Prädikat neu so großzügig verwendet wird wie Chrom und andere Blankteile. So blitzt und funkelt der in seiner Grundstruktur unveränderte Wagen wie die Volksausgabe des Phaeton.

VW Passat 2011
:Ohne Risiko

Eine Überraschung sieht anders aus: Der neue Passat ist bis auf optische Retuschen ganz der alte. Technisch hat sich mehr getan: So öffnet sich beim Variant die Heckklappe auch nach einem gezielten Fußtritt.

Erste Bilder, erste Fakten.

Einheitsgesicht, mäkeln die Kritiker. Ein echter VW, kontert Wolfsburg. Ab sofort auf Wunsch erhältlich mit den Inhalten der Oberklasse: Spurhalteassistent, Abstands-Tempomat, Kurvenlicht, Einparkhilfe, Verkehrszeichenerkennung, Totwinkelassistent, Müdigkeitswarner, Fernlichtautomatik, Notbremsfunktion. Auto denkt, Fahrer lenkt. Und nicht einmal das muss er immer tun, denn beim unangekündigten Spurwechsel zupft die Elektronik unwirsch am Volant bis die Richtung wieder stimmt.

Nutzwert und Preisnachlass überzeugen

Der Variant bleibt die hübschere Wahl mit dem größeren Kofferraum, das Panoramadach macht Lust auf Licht, die Liste der Verführungen reicht vom belederten Massage-und-Memorysitz bis zum modernen Infotainment, die Fugen und Flächen wirken wie für die Ewigkeit gemacht. Am Cockpit hat sich dagegen nichts Wesentliches geändert, die Ergonomie stammt noch aus der Vor-Bediensystem-Ära, und der archaische Klappmechanismus der sperrigen Rücksitze ist längst reif fürs Werksmuseum.

Dennoch überzeugen der Nutzwert und der 675 Euro-Nachlass gegenüber dem Vorgängermodell. Der Kombi kostet einheitlich 1000 Euro mehr. Im Trendline mit der kleinen 1,4 Liter-Maschine ist man für 24.425 Euro mit von der Partie. Am anderen Ende der Skala lockt der 170 PS starke Variant Highline TDI 4-Motion mit DSG-Getriebe, für den 39.150 Euro berechnet werden. Mit 122 PS ist der 1.4 TSI zwar nicht üppig motorisiert, aber dafür bleibt das maximale Drehmoment von 1500 bis 4000/min absolut konstant.

Wer gerne schaltet und auf hohe Drehzahlen verzichten kann, kommt mit dieser Kombination prima klar. Zumindest subjektiv besteht kaum ein Leistungsdefizit zum 150 PS starken TSI EcoFuel, der im Erdgasbetrieb nur 117 g CO2/km emittiert. Darüber rangieren der 1.8 TSI mit 160 PS und der 2.0 TSI mit 210 PS kaum überragt. Mehr können die Diesel: Der 1,6 Liter mit 105 PS kommt im Schnitt mit 4,3 l/100 km aus, der 140 PS starke 2.0 TDI bietet schon bei 1750 Touren satte 320 Nm, und der große 170 PS-Selbstzünder verliert gegenüber dem 2.0 TSI nur eine Sekunde von 0 auf 100 km/h. Besonders spannend ist die Kombination aus Powerdiesel, Allrad und DSG, die aber fast so teuer ist wie ein identisch motorisierter Audi A4 Quattro.

Der neue Passat pflegt alte Tugenden: den souveränen Federungskomfort, die unbeirrbare Richtungsstabilität, das niedrige Geräuschniveau, das subtile Zusammenspiel der Kräfte bei der Bedienung von Lenkung, Bremse, Kupplung, Getriebe, Gas. In diesem Auto ist alles im Fluss, und diese Grundgeschmeidigkeit gibt den Takt vor, der eher dem Walzer verpflichtet ist.

Die aktuelle Generation des VW Passat ist perfekt verarbeitet, aber nichts fürs große Gefühl (Foto: Abdruck fuer Pressezwecke honora)

Selbst wenn der Fahrer die Dämpferkennung auf Sport einloggt, mutiert der Fünfsitzer nicht zum Galopper. Auf kurvigen Strassen kommt vielmehr ziemlich bald der Punkt, an dem Seitenneigung, Untersteuern, Lenkeinschlag und Traktionsaussetzer um Nachsicht bitten.

Keine Frage: dieser Wagen will auf Zug bewegt und lieber im großen Gang an der langen Leine geführt werden als atemlos dem roten Bereich nachzujagen. Das mag Spaß machen - entweder in Verbindung mit dem gut gestuften Schaltgetriebe oder mit den DSG-Schaltpaddeln. Doch der B7 kann nicht verbergen, dass erst der B8 in drei bis vier Jahren von jener wirklich neuen Architektur profitieren wird, die elementare Parameter wir Radstand, Gewichtsverteilung, Spurweite, Achskinematik, Lenkung und Bremse neu definiert. VW hat für das 2011er Modell fast alle klassischen Register gezogen. Die Achsen sind leichter geworden und besser isoliert, die Karosserie ist noch verwindungsfester, Dämmglas wirkt Wunder gegen Lärm und Hitze.

Um den Verbrauch zu senken (um bis zu 18 Prozent), werden drei verschiedene Technik-Bausteine eingesetzt. Blue Motion heißt das optimierte Gesamtpaket, das bei 4,2 l/100km eine Reichweite von mehr als 1650 km verspricht. Blue TDI ist die 140 PS starke Formel für einen EU6-tauglichen Mittelklassewagen, der dank Abgasnachbehandlung nur 4,7 Liter konsumiert (CO2: 122 g/km). Blue Motion Technology nennt VW das Zusammenspiel von Faktoren wie Start-Stopp und Rekuperation. Wer sich dagegen einen Mixverbrauch von 9,3 Liter leisten will, darf sich vom Passat V6 4-Motion verführen lassen. Das 300 PS-Modell dürfte auf der linken Spur eine wichtige Rolle spielen. Nun ja.

© SZ vom 18.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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