Unterwegs:Männer in der Waschanlage

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Mann kann nicht putzen. Sagt Frau. Aber warum ist das so? Weil Männer zu erschöpft sind - von der Reinigung des vierrädrigen Lieblings. In der Waschanlage nämlich läuft das starke Geschlecht zur Höchstform auf.

Von Richard Christian Kähler

Was heißt denn hier, Männer helfen nicht im Haushalt, waschen nicht ab oder füllen die Maschine, saugen nicht intensiv und wienern so gut wie gar nichts wirklich blitzeblank? Kein Wunder: Sie sind zu erschöpft! Vermutlich vom wöchentlichen Carwash-Treff auf dem Tankstellenhof. Dort, wo neben der Waschstraßen-Durchfahrt noch ein weiteres wunderbares Technikgerät lauert, mit dem der Mann selbst Hand anlegen kann an das, was ihm das Liebste ist auf der Welt.

Überall sieht man hier ernste Gesichter, erfüllende Arbeit. Während er sonst mehr das ganz große Ganze sieht, geht Mann hier bis ins letzte ritzekleine Detail: Sind da nicht noch winzige Schmutzkanten am silberglänzenden Typenschild? Oder sind am Ende die Radläufe nicht supersauber? Ja, das ist die weiche Stelle, das Emanzipations-Brecheisenargument: Autoputzen! Männer können nicht putzen, heißt es. Wir halten dagegen: Kommt drauf an, was. Und hier unter den Wartenden und Waschenden sind sogar Exemplare des starken Geschlechts, die eher selbst eine Wäsche vertragen könnten als ihr funkelnder Wagen. Doch fast alle sprühen vor dem Einrollen in die Waschanlage so sorgsam Felgenreiniger auf die Alusterne wie eine Großmutter Brennnesselbrühe auf blattlausbefallene Balkonkastenbegonien. Oder sie umhegen ihren Autokörper persönlich mit Lanze und Spülbürste und vom Werbespruch-Feinsten. Dann gönnen sie ihm "Hochdruckwäsche mit enthärtetem heißen Wasser und HD-Reiniger", "Aktivschaum", ja, "Superschaum-Wäsche", danach Glanzspülen, "5-fache Turbo-Lufttrocknung" sowie Wachspflege in "Perlglanz-Politur". Oder doch lieber die "tiefenwirksame Polymer-Glanzpflege" . . . ?

Mit dieser Porentief-rein-Mentalität ist man als Mann fast schon auf Frauenkosmetik-Glaubensniveau. Aber was ihre Blechhaut betrifft, sind manche Kerle so sensibilisiert, dass einen nicht wundern würde, wenn die Carwash-Industrie ihnen demnächst Pickel- und Faltenwundermittel mit "Q10", "Anti-Aging-Booster" oder "Cellulite-Stopp" mit garantierter Lackstraffung und Kratzerglättung versprechen. Und da sagen manche, mit der Liebe zum Auto sei es auch nicht mehr so gut bestellt.

© SZ vom 14.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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