Unterwegs-Kolumne:Weise Worte im Bus

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Mit den Fahrern in Bussen und Bahnen muss man regelmäßig Mitleid haben: Oft werden die Mitarbeiter beschimpft und beleidigt. Es gibt aber auch Situationen, über die freuen sich nicht nur die Fahrerinnen und Fahrer, sondern auch andere Menschen im Bus.

Von Marco Völklein

In diesem Bus sitzt der Philosoph vorne links. Die Lebensweisheit, die man von ihm lernen kann, ist simpel. Sie lautet, verkürzt ausgedrückt: "Mal kommt es so, mal aber auch wieder anders", sagt der Busfahrer. Oder kerniger formuliert: "Hast du es in der einen Minute noch mit 'nem Deppen zu tun, kann der nächste Fahrgast schon ein weiser Mann sein."

Zunächst also zu den Deppen im Bus. Das sind zwei Damen mittleren Alters, die drei Stationen vor der Endstation zugestiegen sind. Ja, der Bus hatte da fünf Minuten Verspätung. Und ja, es könnte etwas eng werden an der Endhaltestelle mit dem Anschluss zur S-Bahn. Die Damen also betreten empört den Bus und stellen sich schräg hinter dem Fahrer in den Gang, damit dieser ihre Unterhaltung auch ja mitbekommt. "Der fährt doch mit Absicht so langsam", schimpft die eine. Und die andere ergänzt: "Der will uns ärgern." Beim Aussteigen raunt eine dem Fahrer dann noch ein halblautes "Blödmann" zu.

Der Busfahrer allerdings kann ja am allerwenigsten etwas für das, was die Fahrplaner von Bahn- und Busbetreibern da mal wieder so zusammengeplant haben. Und was die beiden Damen nicht mitbekommen hatten: Ein paar Haltestellen zuvor war ein älterer Herr zugestiegen, deutlich gehandicapt mit einer gelben Binde am Arm und drei schwarzen Punkten drauf. Es dauert lange, bis er den hohen Einstieg genommen hat, noch länger dauert es, bis er beim Fahrer das richtige Ticket gekauft und umständlich bezahlt hat. "Muss ich den Fahrschein stempeln?", fragt er leicht hilflos. "Klar doch", antwortet der Fahrer, klettert hinter seinem Fahrersitz hervor und drückt den Fahrschein in den Entwerter. "Bitte schön", sagt er zu dem älteren Herrn. "Alles schon erledigt." Dann erst geht es weiter.

Der ältere Herr setzt sich auf den Platz hinter dem Fahrer und bedankt sich mehrmals und überschwänglich. Der Umgang sei doch mittlerweile verroht, ruft er dem Fahrer zu. "Manchmal fragt man sich ja wirklich, welche Kinderstube die Leute so gehabt haben." Der Fahrer lächelt nur vielsagend. Er weiß: Der alte Mann hat da weise Worte gesprochen.

© SZ vom 06.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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