Unterwegs:Jedem sein Essjuhwie

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Hochdachautos überall: Die große Frage ist eigentlich nur, was passiert, wenn jeder Deutsche einmal in einem SUV sitzt und vor lauter anderen SUVs genau so wenig sieht, wie früher, als es noch gar keine SUVs gab.

Von Jörg Reichle

Ach, was muss man nicht von bösen / SUVs so alles / hören oder lesen: Was hier sehr frei nach Wilhelm Busch klingt, rauscht tatsächlich Monat für Monat aus dem Blätterwald über uns herein. Die Deutschen, so scheint es, sind ein Volk von mobilen Ignoranten, schließlich kaufen sie nur noch Geländewagen. Groß, aggressiv und durstig wie Brauereigäule. Damit saufen sie Tankstellen leer und stellen Gehwege zu, wo harmlose Mütter mit Kinderwägen dann zu haarsträubenden Ausweichmanövern gezwungen werden. Dagegen lässt sich natürlich schwer was sagen, außer einem Stoßseufzer vielleicht vor soviel öffentlicher Erregung: Gemach, gemach, liebe Leute!

Erstens kaufen nicht alle Deutschen einen SUV. Zum Beispiel im Januar. Da stand der Audi Q3 als erfolgreichstes SUV auf Platz 19 der Neuzulassungen, mit exakt 2586 Stück. Zum Vergleich: Vom Zulassungskönig VW Golf wurden im selben Zeitraum 16 455 Exemplare auf die Menschheit losgelassen. Und während insgesamt in ebendiesem Monat knapp 40 000 SUVs neu auf die Straße kamen, leisteten ihnen dort 54 012 neue Kompaktwagen Gesellschaft, von den 28 332 neuen Mittelklasseautos ganz zu schweigen, zu denen sich 31 490 Kleinwagen drängten, dazu Vans, Minis, Sportwagen und fette Luxuslimousinen.

SUV seien Spritfresser, heißt es ja inzwischen stereotyp. Stimmt nur beschränkt, weil die Allradler von früher oft schon keine mehr sind, also mit einer angetriebenen Achse auskommen und außerdem immer kleiner werden. Auf dem Salon in Genf nächste Woche wird VW eine SUV-Studie auf Polo-Basis zeigen. Aber was macht dann die kleinen Kraxler so beliebt? In erster Linie, dass man so hoch darin sitzt. Das erleichtert den Überblick im Verkehr und man fühlt sich sicherer. Vor allem für ältere Autofahrer ist das ein Grund, der zählt. Und auch, dass man leichter raus- und reinkommt. Für manche mag auch eine Rolle spielen, dass so ein SUV einfach ein bisschen mehr hermacht, als das passende Parterre-Modell.

Die große Frage ist eigentlich nur, was einmal passiert, wenn jeder Deutsche einmal in einem SUV sitzt und vor lauter anderen SUVs genau so wenig sieht, wie früher einmal, als es noch gar keine SUVs gab.

© SZ vom 27.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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