Unterwegs:Im Spaghetti-Labyrinth

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Autos können jetzt auch die gelben Spurmarkierungen selbst erkennen, heißt es. Man darf sich auf das Hupkonzert freuen, wenn sie sich auf übereinander gestrichenen und sogar durchgekreuzten Straßenbemalungen zurechtfinden sollen.

Von Richard Christian Kähler

Es kann durchaus daran liegen, dass man schon länger keine 30 mehr ist. Aber derartige Situationen hätten einen auch früher ins Schlingern gebracht: Als müder Nach-Hause-Fahrer nicht nur auf Autobahnen, sondern immer mehr auch auf Innenstadtkreuzungen von einer neuen Baustelle mit brandneuer Straßenführung überrascht zu werden. Schau heimwärts Fahrer! Und suche dir in der Dämmerung zwischen Dutzenden rot-weißer Baken und Plastikbarrikaden hindurch auf verschlungenen Umwegen den gewohnten Heimweg neu.

Autos können jetzt auch die gelben Spurmarkierungen selbst erkennen, heißt es. Man darf sich auf das Hupkonzert freuen, wenn sich die ersten Fahrroboter in diesem Durcheinander zurechtfinden sollen. Dabei verunsichern solche Provisorien selbst gestandene Fahrer: Vor, hinter und bei zweispurigen 'Verschwenks' auch unangenehm dicht neben sich versuchen Leute am Ende eines eh schon zu langen Tages den perfekten Slalom zu fahren. Ja, und welcher dieser übereinander gestrichenen und teilweise sogar durchgekreuzten Straßenbemalungen in bittschön noch mal welcher Farbe (Weiß? Gelb? oder beides im Wechsel?) hat man denn nun zu folgen, ohne gleich zu kollidieren?

Am helllichten Tag, an dem noch halbwegs nüchterne Bauarbeiter derartige Sphinx-Rätsel auf die Straße pinseln und kleben, mag deren Lösung ja noch möglich sein. Im herbstlichen Frühdunkel aber, Regenpfützenreflexe auf glänzendem Asphalt verschwimmen im Regentröpfchenschleier auf der Frontscheibe, ist dieser gelb-weiße Linienwirrwarr keine wirre Portion Pommes Mayo mehr, das ist schon ein irres Spaghetti-Labyrinth. Man könnte sich ebenso gut eine Schlafmaske aufsetzen beim verzweifelten Vorausstarren und Lenken.

Doch Gefahr schweißt anonyme Fahrer zusammen wie Lkw-Lenker am Abgrund einer Anden-Piste. Idiotisches Verhalten in Engstellen sinkt spürbar unter die üblichen zehn Prozent, denn diese unglücksträchtigen Baustellenslaloms sind für uns alle riskant: Ein Unfall oder nur eine Panne vor einem wäre eine Feierabendvernichtungs-Katastrophe. Und wir alle wollen doch nur heil nach Hause kommen, und das möglichst heute noch.

© SZ vom 15.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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