Unterwegs:Drei Gänge reichen

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Beim Alltagsradeln geht es nicht nur um Geschwindigkeit. Es ist auch Entschleunigung und Entspannung. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Muss es wirklich immer schneller, immer weiter, immer mehr sein? Gerade auf dem Fahrrad ist ja der Weg das Ziel - und da kommt es auf die Entschleunigung an.

Von Felix Reek

E-Bikes sind eine tolle Erfindung. Sie machen Radfahren so mühelos. Anstiege und Berge sind kein Problem mehr. Nie wieder lästige Schweißausbrüche. Innerhalb weniger Sekunden beschleunigt das Rad auf eine Geschwindigkeit, die viele mit reiner Muskelkraft nie erreichen würden. Und genau das ist das Problem. E-Bikes sind so verdammt - unentspannt. Und unpraktisch. Wer schon mal ein wegen des Akkus 35 Kilo schweres Pedelec die Kellertreppe rauf- und wieder heruntergetragen hat, kann das nachfühlen.

Beim Alltagsradeln geht es nicht nur um Geschwindigkeit. Es ist auch Entschleunigung und Entspannung. Von welchem Verkehrsmittel lässt sich das behaupten. Das Auto? Ein einziger Nervtöter. Kein Tag im Berufsverkehr, an dem nicht gehupt, geflucht und Finger für Gesten gebraucht würden, die bei den eigenen Kindern für einen Nachmittag auf der stillen Treppe sorgen würden. U-Bahn und Tram? Ständig überfüllt, im Sommer mit schwitzenden, im Winter mit schniefnasigen Mitbürgern. Der Bus? Steht im Stau wie das Auto.

Das Fahrrad hingegen kommt überall durch. Gleichmäßig, gemächlich, entspannt. Das ist sogar wissenschaftlich belegt. In einer Langzeitstudie unter 18 000 Briten zwischen 18 und 65 Jahren wies Adam Martin von der Anglia University in Norwich nach, dass Autofahrer am gestresstesten zur Arbeit gelangen. Je länger sie unterwegs sind, umso aggressiver werden sie. Bei Fußgängern und Radfahrern ist es genau umgekehrt. Mit jedem zurückgelegten Kilometer sinkt das Stresslevel.

Das gelingt natürlich nicht mit hochgezüchteten Rennmaschinen. Oder mit aufs Nötigste reduzierten hippen Rädern, die den Fahrer weit nach vorne über den Lenker zwingen, während er jede Straßenunebenheit am eigenen Körper spürt, als gäbe er den Sparringspartner von Wladimir Klitschko. Nein, wer entschleunigen will, muss simplifizieren: Zwei Laufräder, drei Gänge, das reicht in jeder Großstadt. Der erste Gang dient zum Anfahren oder bei Steigungen, in Gang zwei lässt sich das Rad bequem durch die Stadt lenken. Gang drei ist für die Tollkühnen unter uns. Wer mehr braucht, gibt an. Oder ist einer dieser Menschen, die sich auch noch an der engsten Stelle des Radweges laut klingelnd vorbeipressen müssen, weil es nicht schnell genug vorangeht.

Der Rest lässt den Blick durch die Stadt schweifen und entdeckt zwischen grauem Beton den aufkeimenden Frühling. So zeigt sich, was Radfahren wirklich sein kann: Fortbewegungsmittel und Entspannung zugleich.

© SZ vom 11.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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