Unterwegs:Die Vergangenheit vor Augen

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Wann waren die "Atomkraft? Nein Danke"-Sonne und "Greenpeace - Rettet die Wale"-Aufkleber auf dem Auto eigentlich mal "normal"? Und wie erklärt man das einem jugendlichen Beifahrer?

Von Richard Christian Kähler

Klar kann man die Wartezeit auf der Straße auf irgendeinem Display vertrödeln. iPad, Smartphone oder irgendwas ist ja immer in Griffweite. Für die Älteren unter uns ist das eher keine Alternative. Die starren in langen Staustehstunden lieber auf die Mitstauenden im Nachbarauto oder vertreiben sich die Zeit, indem sie dem Vordermann aufs Hinterteil glotzen. Nicht immer ein Anblick, den man gerne sieht. Denn was da an hochmodernen, nackten Autohintern vor einem steht, spricht leider eher für die Displays. An den Autos erkennt man zwar jede Menge Gestaltungswillen der Designer, aber letztlich auch jede Menge bedauerlich langweilige Rückansichten. Nullachtfuffzehn, wohin man blickt. Und wer hätte andererseits gedacht, dass blinkende LED-Funzeln und schrägste Rotlichtleuchtstreifen so schnell schon wieder stinknormal wirken würden?

Doch plötzlich hat man ein unbekümmert hellorange leuchtendes VW-Bus-Heck, vor der Nase. Modell California, mit Hubdach und vorn das Reserverad. Und schon blitzt die Vergangenheit mal wieder taghell auf. Nicht wegen des Kennzeichens, wohlgemerkt. Das FL und ein Heckgepäckträger lassen zwar ahnen, dass in dieser sonnigen Kiste harte Kerle aus dem hohen Norden sitzen, die bei jedem Wind und Wetter und wurschtegaler Wassertemperatur durch die Flensburger Förde surfen.

Aber dann entdeckt man die vielen bunten Flecken auf der Heckklappe: "Atomkraft? Nein Danke" heißt es da und "Greenpeace - Rettet die Wale" mit Regenbogen gleich daneben! Auch "Gorleben soll leben" auf blauem und "Rette den Wald!" auf grünem Kreis, ja, sogar das schwarze Piratenprofil mit Stirnband im Korsika-Inselumriss!

Kaum erinnert man sich noch an die Zeiten, als derartige Meinungsbusse auf den Straßen eigentlich ziemlich normal waren. Wir Alt-Achtundsechziger wissen, was gemeint ist. Mit 100 durch den Wald und so Sachen. Oder: Macht kaputt, was euch kaputt macht. Das waren noch Zeiten. Da kann der 18-jährige Jungspund auf meinem Beifahrersitz nur noch staunen über meine Erinnerungen. "Cool", sagt er am Ende anerkennend.

© SZ vom 06.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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