Unterwegs:Da boxt der Papst im Kettenhemd

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Am Wochenende strömen sie wieder massenweise in die großen Städte: Besucher vom Land, denen manchmal die Orientierung fehlt. Dass die Städter sich im Gegenzug auf die ruhigen Dörfer flüchten, macht es nicht besser.

Von Richard Christian Kähler

Freitagabend beginnt es: Der Feierabendverkehr fließt nicht mehr so selbstverständlich zielsicher dahin wie von Montag bis Donnerstag gewohnt. Und dann fällt's einem wieder ein: Ach ja, die ersten Stadtfremden kommen! Die Wochenend-Tripler, die Pistengänger, die Erlebnissucher, die bis Samstagabend zu gefühlt 100 000 Herumeiernden mit auswärtigen Nummernschildern heranwachsen.

Musical oder Maxi-Disse? Popkonzert oder Partysause? Man weiß es nicht. Die aufgeregten Insassen jedenfalls wissen zumindest ganz genau: Hier in der Stadt, da tanzt der Bär, da fliegt die Kuh, da boxt der Papst im Kettenhemd. Das wussten schließlich schon die Eltern und Großeltern zu Hause in der Kleinstadt, im Städtchen und im Dorf.

In Berlin, Hamburg und Frankfurt, in München, Köln und Co. jedenfalls schieben sich einem zum Wochenende hin im dicksten Stop and go quer durchs Citydickicht vermehrt Orientierungslose vor die Motorhaube, um dann als Hindernis in der Spur zu hängen. Und auf sich gabelnden Hauptstraßen steigt die Zahl komplett überraschender Spurwechsel in letzter Sekunde steil an: "Nein, nicht durch den Tunnel! Rechts! Rechts! In die andere Richtung!"

Und dann wird halt über drei volle Spuren gleichzeitig hinweg gewechselt unter hektischem Geblinke, Gebremse und Gekurbel. Ja, nicht alle haben scheint's ein Navi, aber alle eine Smartphone-App. Östrogene und Testosterone in Hochproduktion kreischen überdreht durcheinander: "Doch! Doch in den Tunnel! Links, wir müssen links runter!"

Sowie wahrscheinlich noch zwei, drei weitere Meinungen ertönen für alle vier Himmelsrichtungen in dieser großen, ja, wirklich verdammt großen Stadt. Zum Ausgleich fährt der Städter am Wochenende halt mal raus aufs schöne, ruhige Land. Und stellt sich da dann in den Stau.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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