Unterwegs:Auf dem Gleis  des Lebens

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Mal ehrlich, wer lange Strecken vor sich hat, nimmt besser die Bahn. Hinsetzen, Füße hoch, fertig. Und die Durchsagen genießen. Es sei denn, die Gleise werden zum tragischen Erfüllungsort.

Von Richard Christian Kähler

Wenn man nach einem Wochenendbesuch in irgendeiner deutschen Stadt, sagen wir mal Frankfurt/Main, wieder am Bahnhof in zwei Sessel sinken darf, mit einem Tisch zwischen sich an einem Fenster, hinter dem die Landschaft vorbeigezogen wird, ist das, ehrlich gesagt, ziemlich angenehm. Einmal auf einem bequemen Sitzplatz in der Bahn verschwendet man keinen Gedanken mehr daran, dass man die Tour auch mit dem eigenen Wagen hätte machen können. "Mal eben" ein paar Hundert Kilometer sind und bleiben Stunden strapaziöser Autobahnarbeit mit stressigen Überholmanövern und jeder Menge Sonntagsfahrern, die einem den Nerv rauben.

Eigentlich braucht man keinen rechnergesteuerten Roboterwagen mehr, um voll entspannt und fast schon realitätsenthoben quer durch die Republik gerollt zu werden. Alle reden vom autonomen Fahren, in der Bahn kann man das schon längst haben. Während man sich kurz die Beine vertritt, Kaffee und kleine Häppchen serviert bekommt und gemütlich seinen Mobilcomputer leer spielen oder das Internet durchackern kann.

Und selbst für Unterhaltung ist gesorgt, wenn auch manchmal unfreiwillig. "Die Türen müssen geschlossen bleiben! Und deshalb wollen wir jetzt auch mal aufhören, da hinten da an den Knöpfen rumzuspielen, ja?!?", droht plötzlich eine energische Stimme, die uns ein bisschen an vergangene Zeiten in der Kita erinnert.

Aber nicht immer ist zum Lachen, was da über die Lautsprecher tönt. Auch die Bahn kennt nämlich ihre Tragödien, dann zum Beispiel, wenn sie zum Erfüllungsort der Verzweifelten wird. "Wegen eines Personenschadens ...", begründet eine schnarrende Durchsage dann den zunächst rätselhaften Halt. Am Bahnhof auf der Bahnsteiganzeigetafel leuchten dann drei noch sachlichere Begründungsworte für unsere Verspätung: "Gegenstände im Gleis", heißt es da und die Botschaft lässt frösteln. Ja, so darf man menschliche Überreste dann wohl mitleidslos nennen. Und sein Mitgefühl und die Hoffnung auf ein nicht lebenslanges Trauma lieber dem Lokführer im Fahrerstand schenken, der das Unglück ja in solchen Situationen kommen sieht, aber trotzdem machtlos ist.

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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