Tunnel unterm Fehmarnbelt:Völlig unten durch

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Geplant war eine Brücke, jetzt ist am Fehmarnbelt die Schlammschlacht um einen Tunnel unter der Meerenge zwischen Norddeutschland und Dänemark absehbar.

Klaus C. Koch

Die Insel Fehmarn wirkt auf den ersten Blick nicht sonderlich reizvoll. Heftige Winde, über die sich höchstens die Surfer freuen, pfeifen über das platte Eiland hinweg. Schon verblasst ist die Erinnerung an Jimi Hendrix, der hier 1970 sein letztes Konzert gab. In jüngerer Zeit wurde versucht, Touristen und Gäste mit zusätzlichen Angeboten zu locken. Damit sie länger bleiben, als nur für den kurzen Stopp, um am Hafen auf die Fähre für die Überfahrt nach Skandinavien zu warten. Doch selbst das könnte bald Vergangenheit sein. Denn von 2020 an soll es eine neue, schnellere Verbindung nach Dänemark geben. Die braucht dann zwar keinen Zwischenhalt mehr, dafür bringt sie jede Menge Transitverkehr.

Tunnel unterm Fehmarnbelt
:Wasser-Werk

Geplant war eine Brücke, jetzt ist am Fehmarnbelt die Schlammschlacht um einen Tunnel unter der Meerenge absehbar.

Den will eigentlich keiner. Tatsächlich haben die Insulaner, so formuliert es der parteilose Bürgermeister Otto-Uwe Schmiedt, "Bammel davor, in die Röhre zu schauen". Die Röhre, das ist ein Tunnel, der jetzt als kürzeste Verbindung zwischen den nordischen Ländern und dem europäischen Festland beim dänischen Verkehrsministerium beantragt wurde, und mehr als fünf Milliarden Euro kosten soll. Er bringt neuen Durchgangsverkehr, die Deutsche Bahn in beträchtlichen Zugzwang - und für die Insel selbst angeblich kaum einen Vorteil.

Die Querung des Fehmarnbelts soll den Verkehr zwischen Hamburg und der Region am Öresund beschleunigen und Wohlstand in die Beltregion bringen - mit kurzen Wegen nach Kopenhagen und Stockholm. Die Vogelfluglinie, fester Bestandteil der Reiseroute von Skandinavien-Urlaubern und Lkw-Kolonnen, soll zwischen dem deutschen Puttgarden und dem dänischen Rødbyhavn unter der Ostsee im Tunnel verschwinden.

Erst seit kurzem ist überhaupt klar, dass die Querung, 2008 in Form eines Staatsvertrages beschlossen, aus Umwelt- und aus Sicherheitsgründen tiefergelegt werden soll, statt eine Brücke zu bauen. Gerade 17,6 Kilometer werden es von Portal zu Portal sein. Zum Vergleich: Der Straßentunnel am Schweizer Gotthard, der Nord- mit Südeuropa verbindet, misst 16,9 Kilometer.

Anders als in den Alpen ist am Belt jedoch kein Granit zu durchstoßen, sondern eine Schlammschlacht auf dem Meeresboden angesagt. Die einzelnen Tunnelelemente werden in gewaltigen Trockendocks an Land vorgefertigt, und später an der vorbestimmten Position in der Meerenge versenkt.

Das Verfahren ist nicht neu, und wurde erstmals in größerem Stil beim Bau des 1975 fertiggestellten Elbtunnels in Hamburg eingesetzt. Damals wurden in einem eigens dafür leergepumpten Hafenbereich acht Tunnelkästen aus Stahlbeton gegossen, die mit jeweils 132 Meter Länge und 46.000 Tonnen Gewicht gewaltige Dimensionen hatten. Nach ihrer Fertigstellung wurde das Hafenbecken geflutet. Schlepper bugsierten die Elemente zur Baustelle, Kranschiffe versenkten die Kästen in der dafür ausgebaggerten Rinne im Boden der Elbe.

Ein solcher Absenktunnel unter dem Fehmarnbelt wäre der bisher längste dieser Art weltweit, erläutert Technikchef Peter Lundhus. Insgesamt 89 vorgefertigte Elemente werden nötig sein, um die Meerenge zu queren. Mit jeweils 200 Metern Länge und rund 70.000 Tonnen Gewicht stellen sie alles bisher Dagewesene in den Schatten.

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Alle 1800 Meter ist ein doppelstöckiges Element fällig, um unter der Fahrbahn Versorgungszugänge und technische Ausrüstung unterbringen zu können. Am Meeresgrund müssen 15,5 Millionen Kubikmeter ausgebaggert werden, um Platz für den Tunnel zu schaffen. Das Aushubmaterial könnte für künstliche Landvorspülungen oder Deiche wieder verwendet werden, sagen die Planer. Die Bauzeit wird auf wenigstens sechseinhalb Jahre geschätzt.

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Etwa genauso lang hätte es auch gedauert, eine Brücke zu bauen. Die drei Pylone wären mit ihren 272 Metern Höhe weithin sichtbar gewesen, und zweifellos zu einer Art von neuem Markenzeichen für Fehmarn geworden. Schiene und Straße wären - vergleichbar der Öresundbrücke, die Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen mit dem schwedischen Malmö verbindet - auf zwei unterschiedlichen Stockwerken verlaufen: oben vier Fahrspuren, unten die Bahn.

Die Pfeiler so auszustatten, dass sie auch dann noch halten, wenn sie von einem Riesentanker gerammt würden, sei nicht das Problem, sagt Lundhus. Eine Kollision solcher Art, wie sie kürzlich auch an der Golden Gate Bridge in San Francisco einem Containerfrachter passierte, kann allerdings immer noch dazu führen, dass Schiffe zerbrechen, sinken, und das Meer mit auslaufendem Öl in Mitleidenschaft ziehen. Immerhin durchfuhren 2006 rund 40.000 Schiffe den Belt. Im Jahr 2030 könnten es Prognosen zufolge rund 100.000 sein.

67 Millionen Euro werden zudem in eine Umweltverträglichkeitsprüfung gesteckt, die zurzeit läuft, deren Ergebnisse aber erst 2012 publiziert werden sollen. Von einer "behördlichen Unterrichtung" ist die Rede. Eine Bürgerbeteiligung im Vorfeld der Planung lehnten sowohl das deutsche Bundesverkehrsministerium wie auch die dänische Planungsgesellschaft ab.

Klar ist, dass die Fehmarnbeltquerung durch ein Naturschutzgebiet, ein ausgewiesenes Fauna-Flora-Habitat-Areal verläuft, in dem laut EU charakteristische Tier- und Pflanzenarten geschützt werden sollten. Während der Bauphase werden Schweinswale, Seehunde und Kegelrobben das Weite suchen. Ob sie jemals zurückkehren, darf bezweifelt werden.

Wieder ist es ein Milliardenprojekt, dessen Sinn, Zweck und Bezahlbarkeit aus prinzipiellen Gründen in Frage gestellt werden. Und wieder mal liegt der Schwarze Peter bei der Deutschen Bahn. Denn während die Dänen versprochen haben, die Kosten der Fehmarnbeltquerung selbst zu tragen, regt sich in den Ostseebädern auf deutscher Seite Widerstand gegen die Zulaufstrecke zur Röhre.

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Im Osloer Hafen werden derzeit 180.000 Tonnen Beton versenkt. Bis 2010 soll eine sechsspurige Unterwasserautobahn am Grund des Hafenbeckens verlaufen.

Die 85 Kilometer zwischen Lübeck und Puttgarden führen durch malerische Landschaften, vorbei an Viehgattern und Feldwegen, auf denen manch Radfahrer noch schneller ist als die Bahn. "Das ist noch wie zu Kaisers Zeiten", räumt Bürgermeister Schmiedt ein.

Der Ausbau wird weitere Milliarden kosten. Während die Dänen und Schweden näher an Europa heranrücken, sollen künftig bis zu 150 Züge pro Tag durch die Ostseebäder rollen. Die Anbindung stößt auf erbitterten Widerstand. Sogar die CDU Timmendorfer Strand, nicht eben für radikaldemokratische Ansätze bekannt, geht in Opposition.

Gegenwärtig, so ein Sprecher, geht die Deutsche Bahn davon aus, die eingleisige Strecke bis zur Fertigstellung der Querung zu elektrifizieren und später um ein zweites Gleis zu erweitern. Geprüft werden neben der Elektrifizierung und dem zweigleisigen Ausbau auch eine alternative Trassenführung.

Auf Fehmarn leben etwa eintausend Menschen vom Fährverkehr. Sie verkaufen Tickets, vertäuen die Schiffe und sichern den Fahrgastverkehr. Die Arbeitsplätze, die durch die Vorbereitungen für die Fehmarnbeltquerung entstehen, sind dagegen zeitlich begrenzt. "Es ist diese Riesenbaustelle", sagt Schmiedt, "vor denen es hier vielen graut." Zumal sie das gerade aufkeimende Pflänzchen des Sommertourismus wieder ersticken könnte.

Auch aus technischer Perspektive könnten neue Schwierigkeiten auftauchen. Denn ganz so glatt, wie es die Planer gerne hätten, funktionieren noch so gut ausgeklügelte Infrastrukturen in der Praxis meist nicht. Schwere Güterzüge können schnell tausend Tonnen wiegen und so, wie bereits 2006 an der Brücke über den Öresund, Risse in Konstruktionen aus Stahlbeton verursachen.

Und der Elbtunnel ist heute schon geradezu klassisch als Nadelöhr bekannt, weil Wartungsarbeiten praktisch permanent die Sperrung einzelner Fahrspuren nötig machen. Staus sind programmiert.

© SZ vom 31.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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