Testfahrt mit dem VW ID3:Der Elektro-Volkswagen hat das Zeug zum Massenstromer

VW setzt voll auf Elektroautos. Eine erste Ausfahrt mit dem ID3, der 2020 kommt, zeigt: Das könnte klappen.

Von Georg Kacher

Testfahrt mit dem VW ID3: Noch in Tarnfarben: Der ID 3. Das E-Auto soll innen so viel Platz wie ein Passat bieten.

Noch in Tarnfarben: Der ID 3. Das E-Auto soll innen so viel Platz wie ein Passat bieten.

(Foto: Tom Salt/VW)

Die farbenfrohe Tarnung des ID 3 kommt an bei den VW-Werkern und bei den Frühbestellern, die es kaum erwarten können, in etwa einem Jahr ihren Null-Emissions-Traumwagen in Empfang zu nehmen. Beim Countdown gibt es allerdings diverse negative Begleiterscheinungen. Dazu gehören derzeit noch mehrere tausend Software-Bugs, manche davon homologations-relevant und damit eine Gefahr für den auf Kante genähten Zeitplan. Christian Senger, Digitalvorstand und einer der Väter des modularen Elektro-Baukastens (MEB), beschreibt seinen aktuellen Gefühlszustand als "weitgehend, aber nicht durchgängig euphorisch". Der ID sei eine Revolution, wie damals der Käfer. Aber gleichzeitig betrete man damit Neuland, so Senger. "Da muss alles punktgenau passen: Ladeinfrastruktur, Geschäftsmodell, Eigenschaftsprofil." Leider bestimme nicht allein der Hersteller den Erfolg dieses Produkts, sondern auch Zulieferer, Energieversorger und die Politik.

Die Eckdaten des ID3 hören sich gut an. Das Basismodell mit dem kleinsten 45 kWh-Akku und 330 Kilometer Reichweite soll unter 30 000 Euro kosten, die in drei Ausstattungsvarianten lieferbare Edition 1 mit 58 kWh steht mit etwa 39 000 Euro in der Liste. Ladestrom für ein Jahr oder maximal 2000 kWh ist in beiden Fällen im Preis inkludiert. Die E-Motoren mobilisieren entweder 150 oder 204 PS und treiben über ein stufenloses Getriebe ausschließlich die Hinterräder an. Die größte zum Verkaufsstart erhältliche Batterie leistet 77 kWh und soll eine Reichweite von bis zu 550 Kilometer ermöglichen. Mit der stärksten Motorisierung lässt sich der ID 3 aus dem Stand in 7,5 Sekunden auf 100km/h beschleunigen und 160km/h schnell fahren. Bei einer Ladeleistung von 100 kW dauert es nur eine halbe Stunde, um 260 Kilometer Reichweite nachzulegen.

Die Basisvariante mit einer Reichweite von 330 Kilometer soll unter 30 000 Euro kosten

Das Design des ersten Volksstromers ist auffällig unauffällig. Auf der Grundfläche des Golf verspricht VW ein mit dem Passat vergleichbares Raumangebot. Der Fahrerplatz ist aufgeräumt, die Bedienung gibt keine Rätsel auf, der barrierefreie Fußraum hat Oberklasse-Format. Maximal drei Displays laden ein zum Staunen und Touchen. Direkt hinter dem Lenkrad versorgt ein kleiner Monitor den Fahrer mit den Basisdaten. Deutlich größer und komplexer ist der mittige Bildschirm mit den gewöhnungsbedürftigen Schiebereglern für Lautstärke und Temperatur. Auf Wunsch werden die wichtigsten Informationen in die Windschutzscheibe eingespiegelt. Für die Gangwahl ist ein Drehknubbel zuständig, der in der 14 Uhr-Position aus der Lenksäule herauswächst. Einmal nach vorne drehen aktiviert Drive, zweimal nach vorne die Reku-Stufe. In entgegengesetzter Richtung wird der Rückwärtsgang eingeloggt.

Silke Bagschik verantwortet Vertrieb und Marketing der ID-Baureihe. Die Managerin, die bei VW in der Verbrennerwelt Karriere gemacht hat, fordert als nunmehr glühender Verfechterin der Elektromobilität mehr Mut zur Veränderung. "Wir brauchen ein Recht auf Laden, zu Hause und am Arbeitsplatz ebenso wie im öffentlichen Raum." Der Kunde verlange Transparenz bei den Kosten ohne böse Überraschungen. "Dabei müssen wir ihn unterstützen - zum Beispiel durch eine Tracking App, die über die aktuelle Verfügbarkeit von Ladestationen und deren Ladeleistung informiert", so Bagschik. Gleichzeitig müssten alte Denkmuster abgelegt werden. "Das heißt, nicht erst bei Reserve nach einer Stromtanke suchen, für Liegenbleiber ein mobiles Schnellladenetzwerk installieren, in den Reiserechner einen zeitlichen Puffer einbauen, bei hoher Verkehrsdichte vorbuchen."

Volkswagen Showcar I.D.

Der Fahrerplatz ist aufgeräumt, die Bedienung gibt keine Rätsel auf, der barrierefreie Fußraum hat Oberklasse-Format.

(Foto: VW)

Mit 310 Newtonmeter (Nm) im Kreuz kommt der ID 3 schon beim Ampelstart fast ansatzlos zur Sache. Noch beeindruckender ist die Drehmoment-Eruption im mittleren Tempobereich zwischen 70 und 120 Kilometer pro Stunde. Obwohl im Versuchsfahrzeug weder ein Soundprozessor noch der seit kurzem bis Tempo 20 obligatorische Warnsummer installiert war, entwickelt der abgasfreie Volkswagen eine durchaus markante Geräuschkulisse, die erst ab 80 km/h vom Fahrtwind und den Reifen übertönt wird. Der große Raddurchmesser von einheitlich 710 Millimeter macht in Verbindung mit den optionalen 20 Zoll-Reifen eine gute Figur. Die ausgeglichene Achslastverteilung und das leicht heckbetonte Eigenlenkverhalten lassen den Elektro-VW fast so zackig um Ecken flitzen wie einen Profi-Carver.

Nach dem ID 3 geht es Schlag auf Schlag: Bis 2022 sollen vier weitere Elektromodelle folgen

Das innovative 3x3-Leasing, das die ersten neun Jahre bis zur Grundrevision abdeckt, ist speziell auf den ID zugeschnitten. Dabei beschreiben drei Zeitfenster den Funktionszyklus der Batterie: volle Leistung ohne Kompromisse bis zum dritten Jahr, Netzentlastung durch bidirektionales Laden und Entladen im Rahmen eines Energiekreislaufs von Haus und Auto bis zum sechsten Jahr, zustandsabhängiges Recycling bis zum neunten Jahr. Die Nutzung des Fahrzeugs und der Mobilitätsdienstleistungen wird per Flatrate abgegolten. VW verspricht eine CO₂-neutrale Wertschöpfung von der Lieferkette über die Produktion bis zur Nutzung. "Der E-Antrieb ist der neue Goldstandard für den Individualverkehr," glaubt Bagschik. "Das liegt auch am klaren Kostenvorteil. Dieselkraftstoff für 100 Kilometer kostet rund zehn Euro, die für die gleiche Strecke nötige Menge Strom nur die Hälfte."

Der ID3 gefällt bei der ersten Probefahrt durch seinen kleinen Wendekreis von zehn Metern - nur ein Smart dreht noch engere Pirouetten. Weil kein Verbrenner die Konstrukteure zu breit gespreizten Längsträgern im Vorderwagen zwingt, ist im MEB mehr Platz für die Radaufhängung, die entsprechend größere Lenkwinkel beschreibt. Die Abstimmung der fahrdynamisch relevanten Bauteile ist noch nicht abgeschlossen. Doch Christian Senger gibt Entwarnung: "Die Plattform ist supersteif, mechanisch ist das Auto schon heute top. Das muss auch so sein, denn Kostenführerschaft bedingt Technologieführerschaft. Besagte Feinabstimmung ist in Arbeit; bei Bedarf wird drahtlos oder über den Händler nachgebessert."

Hinweis der Redaktion:

Ein Teil der im "Mobilen Leben" vorgestellten Produkte wurde der Redaktion von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu denen Journalisten eingeladen wurden.

Der Kunde benötigt maximal zehn Clicks, um seinen Wunsch-ID zu konfigurieren und zu bestellen. Es gibt drei Ausstattungpakete, Basis, Plus und Max. Letztere Variante beinhaltet neben Sprachbedienung und Navigation auch Zweifarblackierung, IQ Licht, Head-up Display und ein Panorama-Glasdach. Die antriebsseitige Staffelung heißt Pure, Range, Range S und, zu einem späteren Zeitpunkt, R Performance. Der auf maximale Reichweite ausgelegten Range-S-Version werden vor Kunde bis zu 750 Kilometer nachgesagt. Kurz nach nach dem ID 3 soll im Winter 2020 der Crozz SUV zu den Händlern rollen. Es folgen Anfang 2021 die ID Aero Limousine, im Frühjahr 2021 der im Bulli-Look gehaltene ID Buzz und im Herbst 2021 der siebensitzige ID Lounge. In der darauf folgenden zweiten Welle will VW die MEB-Palette noch stärker emotionalisieren. Angedacht sind in diesem Zusammenhang unter anderem ein Coupé und ein kompaktes RUV (rough utility vehicle).

Auch Audi, Seat und Skoda profitieren zeitnah von der neuen E-Architektur. Während sich die MEB-DNA nach oben bis zu einer Außenlänge von fünf Meter ausbauen lässt, muss VW für emissionsfreie Stadtautos im Format des Up! wohl oder übel eine neue Matrix auf die Räder stellen. Die Skalierbarkeit der zunächst sechs verschiedenen Akku-Pakete reicht vom kleinen 24 kWh Batteriekit bis zum 111- kWh-Kraftwerk, das mit den zwei 125-kW-Maschinen leichtes Spiel hat und bis zu 600 Kilometer Reichweite ermöglicht. Spaß macht freilich schon das fünftürige Grundmodell. Wer die Reku-Stufe einlegt, kann allein mit dem Gaspedal beschleunigen und verzögern. Im normalen Fahrprogramm gefällt das Schwungnutz-Talent des automatischen Segelmodus.

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