Schon gefahren:Der hat den Blues

Lesezeit: 2 min

Praktiker: Der neue Honda Jazz ist geräumig und durchdacht - ein Fall für Hobby-Spediteure. (Foto: N/A)

Der neue Honda Jazz hat viele Talente, unter anderem ist er geräumig und ziemlich praktisch. Nur der Motor wirkt ziemlich schlapp.

Von Thomas Harloff

Jazz, das ist Groove und Improvisation. Der Jazz scheint nur wenigen Regeln zu folgen - und ist als Name für dieses Auto deshalb völlig ungeeignet. Denn alles am Honda Jazz ist durchdacht, folgt einer praktischen Bestimmung, erfüllt einen Zweck. Auch das Design. Warum sich bei dem Japaner dieser zerfurchte, weit in die Höhe gewachsene Blechknubbel als Karosserie über die vier - zumindest optisch - zu klein geratenen Räder spannt, weiß man nach dem Einsteigen. Alles fühlt sich sehr luftig an und zwar in alle Richtungen. Für Beine, Ellbogen und Köpfe ist so viel Platz wie in kaum einem anderen Auto der Vier-Meter-Klasse. Groß ist auch der Kofferraum. Der fasst 354 bis 1314 Liter. Das entspricht VW-Golf-Niveau - dabei ist der in seiner aktuellen Generation fast 30 Zentimeter länger als der Jazz.

Dass der Benzintank des Jazz unter den Vordersitzen liegt, mutet zunächst ungewöhnlich an, ist aber die Basis für das, was Honda "Magic Seats" nennt und Jazz-Fahrer bei Bedarf zu kreativen Hobby-Spediteuren werden lässt. Denn die Rücksitze können nicht nur komplett nach vorn geklappt werden, wobei eine ebene Ladefläche entsteht, sondern die Sitzflächen lassen sich alternativ an die Lehne klappen, wie im Kino. Eine große Zimmerpflanze oder so manches Regal kann also aufrecht hinter den Vordersitzen stehen. Klappt man den Beifahrersitz nach hinten, finden zudem bis zu 2,48 Meter lange Gegenstände Platz im Jazz. Und wenn die mal an der Inneneinrichtung kratzen - kein Problem, um das graue Plastik ist es nicht schade. Chic ist jedoch der Bereich um den zentralen Sieben-Zoll-Touchscreen mit seiner Klavierlack-Optik. Der Monitor fungiert ab der mittleren, 1000 Euro teureren "Comfort"-Ausstattung als Schnittstelle zwischen Auto und Fahrer. Die Menüführung mit App-Logik wirft kaum Fragen auf, Smartphone oder Tablet-Computer lassen sich per Mirror-Link mit dem Auto verbinden und auf dem Bildschirm spiegeln. Unschön ist jedoch die nicht genau definierte Intensität, mit der Touch-Befehle eingegeben werden sollen. Deshalb muss der Fahrer immer wieder prüfen, ob das Kommando auch umgesetzt wurde - was wiederum vom Verkehr ablenkt.

So erfreulich der Jazz im Alltag auch ist, der schlappe Motor ist es nicht. Was das in den unteren Gängen kurz übersetzte Getriebe in der Stadt noch kaschiert, kann der 1,3-Liter-Vierzylinder-Sauger außerorts nicht mehr überspielen: Es fehlt ihm an Durchzug, wobei höhere Drehzahlen den Jazz zwar lauter und durstiger (6,8 Liter im Test), aber nicht viel schneller machen. Wenigstens ist das Fahrwerk eher komfortabel als agil abgestimmt. Positiv überrascht das Paket an elektronischen Assistenten. Die Basisversion hat bereits ein City-Notbremssystem. In der Comfort-Variante kommen Kollisionswarner, Spurhalteassistent und eine an den Tempomaten gekoppelte Verkehrszeichenerkennung hinzu. Damit kann der Jazz seine Geschwindigkeit automatisch an das jeweilige Tempolimit anpassen.

All das sind wahrlich keine Selbstverständlichkeiten in der Vier-Meter-Klasse. Kein Wunder, dass man mit dem mindestens 15 990 Euro teuren Japaner meist gut gelaunt durch den Verkehr swingt. Nur beim Beschleunigen, da hat der Jazz den Blues.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: