Rückrufe in der Automobilbranche:Bevor es zu spät ist

Lesezeit: 3 min

Rückrufaktionen sind peinlich, aber für die Verkehrsicherheit unabdingbar - rein rechtlich gesehen hätten die Hersteller jedoch keine "Kostentragungspflicht".

Marion Zellner

"Das fehlerfreie Auto wird es nicht geben", sagt Helmut Klein. Wie recht der Ingenieur im ADAC-Technikzentrum in Landsberg hat, zeigen die aktuellen Meldungen über Rückrufaktionen in der Automobilbranche. Derzeit müssen sich Toyota, Honda und Ford in der weltweiten Öffentlichkeit für verhakte Gaspedale, fehlerhafte Airbags und Probleme mit dem Bremspedal rechtfertigen.

Zurückgerufen: Wegen eines festhängenden Gaspedals müssen in Deutschland 215.796 Toyota-Modelle in die Werkstätten. (Foto: Foto: dpa)

Keine Einzelfälle: In Deutschland haben Autofahrer das Gefühl, dass sie immer häufiger mit ihren Autos in die Werkstätten gerufen werden. Die Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) in Flensburg bestätigt diesen Eindruck aber nur bedingt. Zwar stieg die Anzahl der Rückrufe seit Jahren kontinuierlich an, doch seit 2007 sinkt sie - wenn auch nur leicht. Gab es 2007 noch 157 Rückrufe, schätzt man für 2009 ihre Zahl auf etwa 140.

Grundsätzlich sind Rückrufe freiwillige Aktionen der Autohersteller; allerdings könnte das KBA bei Mängeln, die die Verkehrssicherheit massiv beeinträchtigen, einen Rückruf auch anordnen. Vorgekommen sei das aber noch nie, so das KBA. Rückrufe laufen nach zwei Mustern ab: Entweder die Hersteller kommen von sich aus auf das KBA zu, um über das Fahrzeugregister und die Identifizierungsnummer die Halter der Autos ausfindig zu machen. Dann bitten die Hersteller das KBA, die betroffenen Fahrzeughalter anzuschreiben oder ihnen die Daten zur Verfügung zu stellen, um die Kunden selbst zu informieren. "Entscheidend ist in diesem Fall immer, dass das Anschreiben genau formuliert ist und eine klare Handlungsanweisung für den betroffenen Besitzer enthält", sagt Silvia Schattenkirchner. Die ADAC-Juristin weiß, dass immer wieder Clubmitglieder anrufen, weil sie unsicher seien, ob ein Werkstattbesuch wirklich nötig sei oder nicht.

Die andere Möglichkeit ist, dass Hersteller ihre Kunden zu sogenannten Service- oder Qualitätsaktionen in die Werkstätten beordern - oft unbemerkt von der Allgemeinheit. Allerdings handelt es sich dabei nicht um "mittelbar sicherheitsrelevante Mängel", weiß ACAD-Ingenieur Klein. Das kann zum Beispiel eine unaktuelle Softwareversion sein oder die Farbe an einem Bauteil blättert ab. Auch bei echten Rückrufen sind "die wenigsten Mängel wirklich sicherheitsrelevant", so Klein. Die ADAC-Kategorien "geringes", "erhöhtes" und "hohes" Risiko verteilen sich unterschiedlich. Nach Erhebungen des Autoclubs betreffen rund 13 Prozent der Rückrufe die Hydraulik - etwa defekte Leitungen. Einen leichten Anstieg auf 40 Prozent verzeichnen die Schäden an Elektrik/Elektronik, was auf die zunehmende Verbreitung von Software, Sensoren und ähnlichem in den Autos zurückzuführen ist. "Den größten Anteil, rund 47 Prozent, macht die Mechanik aus", weiß der Ingenieur. Wie jetzt eben am Gaspedal von Toyota.

Keine Kostentragungspflicht beim Hersteller

Automobilhersteller fürchten Rückrufe vor allem wegen des Imageschadens. Allerdings lassen Anzahl und Umfang eines Rückrufs nicht unbedingt auf die Qualität der Modelle eines Herstellers schließen, wie eine kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Bärbel Höhn beim Bundesverkehrsministerium aus dem vergangenen Jahr zeigt. Danach musste Renault zwischen 1993 und 2008 insgesamt 101 verschiedene Rückrufe starten, gefolgt von Ford (73), Fiat (62) und Chrysler (52). Die deutschen Hersteller BMW, Mercedes und Porsche schnitten dagegen gut ab. Allerdings sagt diese Statistik nichts über das Verhältnis zwischen Rückrufen und betroffenen Autos aus, wie der Durchschnitt der vom KBA ermittelten Halteradressen pro Rückruf belegt: Bei BMW zum Beispiel waren es im Schnitt 171.606 Fahrzeuge, bei Renault 8923 Exemplare. Deshalb meint selbst der ADAC, dass ein Ranking für Rückrufe nicht sinnvoll sei.

Für den Autobesitzer bedeuten Rückrufe lästigen Aufwand: Ein Termin muss vereinbart werden und der Wagen bleibt vielleicht mehrere Tage in der Werkstatt. "Für diese Zeit steht dem Kunden kein kostenloser Leihwagen zur Verfügung", erklärt Juristin Schattenkirchner. Und rein rechtlich gesehen hat der Hersteller keine "Kostentragungspflicht", er müsste also die Reparatur aufgrund des Rückrufs nicht übernehmen. Allerdings wäre der Imageschaden gewaltig und so entstehen dem Kunden in der Regel keine Kosten. Doch Silvia Schattenkirchner warnt: "Wenn man den Rückruf nicht ernstnimmt und erst nach Jahren daherkommt, könnte man auf seinen Kosten sitzenbleiben." Das wäre aber noch das geringere Problem; denn ignoriert man einen Rückruf wegen eines gefährlichen Mangels selbst nach einer weiteren Aufforderung, kann das KBA das Fahrzeug durch die zuständige Zulassungsbehörde stilllegen lassen.

© SZ vom 15.2.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Autojahr 2009
:Schwere Zeiten inklusive

2009 war ein lausiges Autojahr. Die Abwrackprämie brachte zwar Rekordverkäufe - dennoch blickt die Branche auf zwölf düstere Monate zurück.

Stefan Grundhoff

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: