Oldtimer:Letzte Ausfahrt Kunstmuseum

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Alte Autos ziehen das Publikum magisch an. Aber warum ist das so? Steckt vielleicht doch mehr dahinter als pure Nostalgie? Eine Spurensuche in den Museen der Welt.

Von Joachim Becker

Wie kommen Autos ins Museum? Massenprodukte wie der VW Käfer, die weder selten noch teuer sind? Mit seinen runden, minimalistischen Formen wirkte der Volkswagen Anfang der Fünfzigerjahre auffallend modern. 1951 nahm ihn das Museum of Modern Art (MoMA) in einen erlauchten Kreis von acht Autos auf: "Weil sie überragende Kunstwerke sind", wurden die Wagen auf Podeste gestellt und erstmalig im Kunstzusammenhang diskutiert.

Noch verrückter erschien kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die Idee, ein Nutzfahrzeug wie eine Skulptur zu präsentieren. Der Willys Jeep war kein Lifestyle-Produkt, sondern ein militärischer Gebrauchsgegenstand. Wie der nüchterne Käfer ließ er alles Überflüssige weg - und sah dennoch völlig anders aus. Kaum ein Autokäufer (oder Museumsbesucher) wäre damals auf die Idee gekommen, solche Allerweltsmodelle für viel Geld zu sammeln. Heute werden nicht wenige Oldtimer der direkten Vor- und Nachkriegszeit als Meisterwerke verehrt und ihre Designer in den Rang von Künstlern erhoben. Sammlerstücke wie der Ferrari 250 GTO erreichen schwindelerregende Bewertungen. Das Kleinstserienmodell wurde jüngst für rund 42 Millionen Euro in Kalifornien verkauft. Den Rekordwagen von 1962 hatte Vorbesitzer Greg Whitten im Jahr 2000 für gut sechs Millionen Euro erworben. Ein Siebtel des aktuellen Marktpreises.

Viele Oldtimer sind in der vergangenen Dekade zu Chromjuwelen geworden. Entscheiden sind Originalität, Rarität und eine einzigartige Geschichte, die den Preis steigern. Auf Auktionen lag der durchschnittliche Wertzuwachs des alten Blechs bei über 300 Prozent. Damit stellen Oldtimer alle anderen Luxusgüter in den Schatten, das zeigt der "Wealth Report" der Immobilienfirma Knight Frank. Bei finanzkräftigen Sammlern weckt das Garagengold ähnliche Begehrlichkeiten wie Unikate aus der Kunstwelt: "Wenn sie heute einen Kunstsammler fragen, wie sieht es in der Garage aus, dann haben sie ein begeistertes Echo, das ist zumindest unsere Erfahrung", erzählt Mark Backé, Initiator und Global Director der Automesse Grand Basel. Bildschöne und seltene Oldtimer können nicht nur vergleichbare Preise wie Werke von Vincent van Gogh erreichen; ihr Besitz transportiert auch einen ähnlichen Prestigewert wie die ständig reproduzierten Sonnenblumenbilder.

Kein Vergleich zu modernen Autos. Statt für (ästhetischen) Aufbruch und Zukunftsoptimismus stehen sie eher für Umweltverschmutzung und Verkehrsinfarkt. Niemand würde heute Gegenwartsmodelle ins Museum holen - oder doch? Die Münchner Pinakothek der Moderne hat im vergangenen Jahr die Sportcoupé-Studie Kia Kee in ihre Sammlung aufgenommen und damit den Designer Peter Schreyer geehrt. Weitaus mehr Resonanz finden allerdings Oldtimer-Ausstellungen. Felix Krämer, Generaldirektor des Kunstpalasts Düsseldorf, verleiht ihnen jetzt die höheren Weihen des Museums. Mit einer Ausstellung will er das Sportwagen-Design der 1950er bis 1970er Jahre beleuchten und auf den Designbereich in der ständigen Sammlung aufmerksam machen: "Auch wir stellen die Fahrzeuge wie Skulpturen auf Sockel, um den Betrachter für die ästhetische Dimensionen dieser mit viel Liebe zum Detail gestalteten Objekte zu sensibilisieren."

Ein Jaguar E-Type aus dem Jahr 1961. (Foto: Michel Zumbrunn/Art Spiros Magaris)

Autos als Gebrauchskunst changieren zwischen Kunst und Kommerz. Während die Düsseldorfer Schmuckstücke nicht vom Fleck weg zu erwerben sind, war die Grand Basel eine öffentliche Verkaufsmesse: "Die Grand Basel stammt von der Art Basel ab, die eine der erfolgreichsten Handelsplattformen für Kunst ist", so Backé. Irgendwann habe man sich die Frage gestellt, ob die langjährigen Kontakte zu Investoren und Sammlern auf den Autobereich übertragbar wären. Unter Sammlern war das Interesse jedenfalls groß, die Gesamtzahl von 12 000 Besuchern liegt aber deutlich unter dem Niveau der Art Basel, die 2018 acht Mal so viele Interessenten erreichte. Trotzdem ist das Thema populär. Bei Klassiker-Ausfahrten wie der Mille Miglia stehen unzählige Menschen an der Straße und winken den lauten und stinkenden Töfftöffs zu. Pure Nostalgie oder steckt mehr dahinter?

Viele Menschen würden sich dem Automobil heute auf eine andere Art und Weise zuwenden, sagt Backé: "Das Auto hat als Alltagsgegenstand viel an Emotionen verloren. Man spricht vom autonomen Fahren und von Shared Economy. Gerade deshalb haben wir den Eindruck, dass Menschen das historische Automobil für ganz besondere Gelegenheiten und Stunden suchen." Die Situation sei vergleichbar mit dem Umstieg vom Pferd aufs Auto: "Damals wurde das Pferd ein eher edler Gegenstand: als Rennpferd oder Dressurpferd. In den nächsten 20, 30 oder 40 Jahren werden wir eine ähnliche Entwicklung bei unseren Autos sehen", ist Backé überzeugt.

Müssen wir in einer gar nicht so fernen Zukunft ins Museum gehen, um überhaupt noch Fahrzeuge mit Lenkrad zu sehen? Ist es dieser Moment des Verschwindens, der Oldies zum Ausstellungsobjekt macht? Die Auswahlkriterien des Museum of Modern Art für "8 Cars" waren 1951 wesentlich strikter. Originalität bedeutete "die Relevanz für gegenwärtige Probleme des Designs von Passagierfahrzeugen". Die Perspektive war also in keiner Weise von Nostalgie geprägt, denn 1951 waren die heutigen Oldies Gegenwartsmodelle. Entscheidend war vielmehr das gestalterische Potenzial für die Zukunft.

Beispielhaft seht dafür der 1949er Cisitalia von Pininfarina. Statt ausgestellter Kotflügel wie beim Käfer zeigt das Coupé erstmals eine völlig geschlossene Karosserie mit integriertem Kühler, Scheinwerfern und lediglich angedeuteten Radhäusern. Der Cisitalia wurde zum Urmeter für viele Autoklassiker der 50er und 60er Jahre. So viel gestalterische Innovationsfreude ist selten geworden. Zu austauschbar wirkt das Design, das immer strikteren Vorgaben des Fußgängerschutzes sowie der Aerodynamik und damit der CO₂-Ersparnis folgen muss. Kein Wunder, dass altes Blech nicht nur Sammler, sondern auch diejenigen begeistert, die sich kein Traumauto leisten können.

Nicht nur die Formensprache, sondern das Verhältnis zum Auto ändert sich grundlegend. Der Käfer wurde zur Ikone der Massenmotorisierung. Was fehlt, ist das Leitbild für das Auto-geplagte 21. Jahrhundert. Immerhin hat Tesla auf der Grand Basel seinen neuen Roadster erstmals in Europa gezeigt. Der hübsche Elektro-Flitzer ist keine Designrevolution. Aber ein Ausblick auf die nähere Zukunft des Autofahrens.

© SZ vom 26.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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