Neue Fußgängerampeln:Grüner gehen

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London testet derzeit mitdenkende Fußgängerampeln, die das Überqueren von Straßen sicherer machen sollen - vor allem für Menschentrauben. Autofahrer könnten aber auch profitieren.

Von Björn Finke, London

Warten viele Autos an einer Ampel, bekommen sie länger Grün. Steht gar kein Wagen da, bleibt es Rot, und die Autos auf der kreuzenden Straße haben länger freie Fahrt. Solche Ampelschaltungen sind inzwischen weitverbreitet; ihre Informationen erhalten sie über Schleifen, die im Straßenbelag verlegt sind. In London sollen von Ende des Monats an auch Fußgänger von einem ähnlichen System profitieren. Die Verkehrsbehörde Transport for London (TfL) startet an zwei belebten Überwegen einen Pilotversuch - Britanniens Kapitale ist weltweit die erste Stadt, in der diese Technik eingesetzt wird.

Stehen zahlreiche Fußgänger an einer dieser zwei Hightech-Ampeln, wird ihre Grünphase um bis zu vier Sekunden verlängert. Denn eine Menschentraube bewegt sich langsamer über die Straße als ein einzelner Fußgänger. Bislang lassen die Ampeln den Bürgern je nach Breite der Straße immer nur 14 bis 18 Sekunden zum Überqueren - egal, ob da zwei oder 22 Londoner warten. Die Steuer-Software erhält ihre Daten aber nicht von Schleifen, die im Trottoir verbuddelt sind, sondern von Kameras. Ein Programm erkennt, wie viele Silhouetten auf den Bildern zu sehen sind.

Test bis zum Jahresende

Um zu verhindern, dass auch Hunde und große Koffer als weitere Spaziergänger mitgezählt werden, gebe man dem System vor, Silhouetten unter einer bestimmten Größe zu ignorieren, sagt Mark Cracknell, einer der Chef-Entwickler bei TfL. Der Test der Technik mit Namen "Pedestrian Scoot " läuft bis Ende des Jahres, im März werden Cracknell und sein Team die Ergebnisse veröffentlichen. "Wir wollen herausfinden, ob das System zuverlässig genug die Anzahl der Fußgänger ermittelt", sagt er.

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Außerdem müsse man beachten, wie gut sich unterschiedlich lange Fußgänger-Grünphasen mit der grünen Welle für Autos vertragen, ergänzt Cracknell. In London werden Auto-Ampeln so geschaltet, dass sie einen guten Verkehrsfluss schaffen sollen. Dafür wird ausgewertet, in welchen Straßen wie viele Fahrzeuge unterwegs sind. "Jetzt muss das System auch noch Daten über Fußgänger berücksichtigen", sagt er. "Weder Fußgänger noch Autofahrer warten gerne vor roten Ampeln." Wobei im Zweifel die Kommunalpolitiker entscheiden müssten, welche Wünsche das Programm wichtiger nehmen solle.

Das Ziel: Weniger Verkehrstote

Die längeren Grünphasen für Fußgänger sollen jedenfalls dazu beitragen, die Anzahl der Verkehrstoten zu senken. Im vergangenen Jahr starben 65 Londoner Fußgänger bei Unfällen, 773 wurden schwer verletzt. Im Vergleich zum Vorjahr ist das allerdings schon ein Rückgang um ein Viertel.

Die neue Technik soll aber nicht nur Spaziergängern das Leben leichter machen oder gar retten, sondern auch Autofahrer vor einem Ärgernis bewahren: Manchmal drücken Fußgänger den Knopf an der Ampel, der anzeigt, dass sie die Straße queren wollen. Dann kommen jedoch gar keine Autos, und sie gehen bereits bei Rot hinüber. Danach ist der Bürgersteig leer - und die Autofahrer sehen Rot, dank der längst entschwundenen Fußgänger. Die modernen Ampeln erkennen, dass niemand mehr wartet. Es bleibt schön Grün.

© SZ vom 01.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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